Manche Christen glauben, dass das Zungenreden und andere "geistliche Gaben" notwendig sind, um in ihrem Leben das Wirken des heiligen Geistes zu bestätigen.
Von Larry Walker
Das Zungenreden war eine der geistlichen Gaben, die nach Christi Tod und Auferstehung mit der Ausgießung des heiligen Geistes zu Pfingsten einhergingen und den Beginn der neutestamentlichen Kirche kennzeichneten. Erstaunlicherweise wird die Gabe des Zungenredens aber nur in sieben Kapiteln des Neuen Testaments erwähnt. Eine Untersuchung dieser Abschnitte wird uns dabei helfen, die Lehre der Bibel zu diesem Thema sowie dessen Bedeutung für Gottes Kirche heute zu verstehen.
Markus 16, Vers 17 scheint die Lehre zu stützen, dass das Zungenreden erforderlich ist. In diesem Vers wird das Zungenreden gemeinsam mit mehreren anderen „Zeichen“, die „folgen werden denen, die da glauben“, aufgelistet.
Bedeutet diese Bibelstelle, dass jeder, der getauft ist, immer all diese geistlichen Gaben erleben wird? Wenn dem so wäre, dann würde das bedeuten, dass jeder Gläubige auch den Kranken die Hände auferlegen und Dämonen austreiben können sollte. Es gibt im Neuen Testament aber kein anderes Beispiel für jemanden, der die Kranken durch Salbung und Händeauflegen geheilt hätte als das Beispiel von Jesus Christus und den Aposteln und Ältesten der Kirche.
Obwohl jeder den Namen Jesu Christi verwenden kann, um böse Geister zu bedrohen, ist das Austreiben von Dämonen bei bessessenen Menschen ebenfalls vor allem eine Aufgabe der Ältesten. Die sieben Söhne des Skevas mussten das auf schmerzliche Weise erfahren (Apostelgeschichte 19,12-16).
An dieser Stelle ist es wichtig zu beachten, dass Jesus diese Aussagen mit dem großen Auftrag, das Evangelium zu predigen, verknüpfte. Sogar auf ihrer „Ausbildungsreise“ wurde den Jüngern die Macht verliehen, die Kranken zu salben bzw. zu heilen und Dämonen auszutreiben (Markus 6,7-13).
In Lukas’ Bericht über das Erstaunen der Jünger über die Auswirkungen ihres Predigens (Lukas 10,17-20) steht, dass Jesus ihnen Macht gegeben hatte, „zu treten auf Schlangen und Skorpione und Macht über alle Gewalt des Feindes“. Er sagte ihnen: „Nichts wird euch schaden.“ Der Apostel Paulus war in der Lage, eine giftige Schlange, die ihn auf der Insel Malta während seiner Überführung nach Rom gebissen hatte, einfach abzuschütteln – ohne Schaden zu nehmen (Apostelgeschichte 28,3-6).
Markus 16, Vers 17 bezieht sich primär auf die Verheißungen an die Apostel und Ältesten im Rahmen ihres Dienstes. Aber selbst für sie waren diese Verheißungen nicht automatisch. Stattdessen waren sie räumlich und zeitlich unbegrenzt. Die Gabe des Heilens untersteht dem Willen Gottes (1. Korinther 12,4-11). Zum Beispiel hatte der Apostel Paulus die Gabe des Heilens (Apostelgeschichte 19,11).
Wir lesen aber später, dass er bei einer seiner Reisen seinen Mitstreiter Trophimus in Milet krank zurücklassen musste (2. Timotheus 4,20). Man kann wohl annehmen, dass Paulus Trophimus gesalbt und für ihn gebetet hatte, aber Trophimus wurde nicht geheilt. Paulus selbst war auch von einem bestimmten Leiden befallen und hat den Herrn deswegen dreimal angefleht, aber er wurde nicht geheilt (2. Korinther 12,5-8).
Markus 16, Vers 17 beweist also nicht, dass das Zungenreden erforderlich ist, um die Anwesenheit des heiligen Geistes zu bestätigen.
Apostelgeschichte 2: Das Geschehen zu Pfingsten
Als der heilige Geist zum ersten Mal ausgegossen wurde, wurden alle Anwesenden „erfüllt von dem heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen“ (Apostelgeschichte 2,4). Das griechische Wort, das hier als Sprachen übersetzt wurde, ist glossa („Zungen“). In den Versen 7-11 können wir aber sehen, dass es sich hier tatsächlich um bekannte Sprachen handelte. Weniger Beachtung findet oft die in Vers 8 erwähnte Tatsache, dass jeder sie in seiner eigenen Muttersprache sprechen hörte (griechisch dialektos).
Dieser Abschnitt klärt, was mit den „neuen Zungen“ in Markus 16, Vers 17 gemeint ist. Diese Sprachen waren nicht neu in dem Sinne, dass sie unbekannt gewesen wären. Vielmehr waren sie für diejenigen, die sie sprachen, neu, weil diese selbst diese Sprachen nie zuvor gesprochen hatten. Der Bedeutungsumfang von kainos (in Markus 16,17 als „neu“ übersetzt) schließt „unbenutzt“ mit ein und bezieht sich auf etwas, das „vorher nicht vorhanden war“ (A Greek-English Lexicon of the New Testament and Other Early Christian Literature, Herausgeber: Frederick William Danker, 3. Ausgabe, 2000).
Ihre Fähigkeit, die Sprache einer anderen Nation zu sprechen, hatte nichts mit menschlicher Ausbildung zu tun, sondern beruhte auf einem Wunder Gottes. „Und sie wurden alle vom heiligen Geist erfüllt und fingen an, in anderen Sprachen zu reden, wie der Geist es ihnen auszusprechen gab“ (Apostelgeschichte 2,4; Schlachter-Bibel).
Petrus zitierte Joel 3, Verse 1-4, um dieses Phänomen als eine anfängliche Erfüllung der dramatischen Zeichen und Wunder zu erklären, die stattfinden werden, „ehe der große und schreckliche Tag des Herrn kommt“ (Apostelgeschichte 2,14-21).
Zu dem beeindruckenden Wunder, dass dieses Ereignis darstellte, kam auch noch der praktische Nutzen hinzu, dass alle Anwesenden einander ohne Übersetzung verstehen konnten. Einige Kommentatoren haben auch darauf hingewiesen, dass sich hier das Gegenteil dessen ereignete, was beim Turmbau zu Babel stattgefunden hatte.
Apostelgeschichte 10,44-48
Der historische Kontext dieses Bibelabschnitts besteht darin, dass hier die Eröffnung des Heils für die Heiden ihren Anfang genommen hat. Lukas erwähnt kurz, wie jüdische Mitglieder von der Tatsache beeindruckt waren, dass die Heiden in Zungen sprachen. Daher empfahl Petrus, dass sie getauft wurden. Das Wunder des Zungenredens war also ein „Zeichen“ für die Anwesenheit und die Macht Gottes, das für sie den Beweis erbrachte, dass Gott den Gläubigen unter den Heiden den heiligen Geist gegeben hatte. So hatte er das zuvor zu Pfingsten auch mit den jüdischen Gläubigen getan.
Apostelgeschichte 19,1-7
Dieser Abschnitt beschreibt die Taufe von zwölf Männern in Ephesus, die „redeten in Zungen und weissagten“, nachdem „der Heilige Geist auf sie [kam]“ (Verse 5-6). Diese Männer hatten, bevor sie auf Paulus gestoßen waren, nicht einmal von dem heiligen Geist gehört. Als sie getauft wurden, hat Gott daher die Existenz und Anwesenheit des heiligen Geistes durch die Gabe des Zungenredens und des Prophezeiens bestätigt. Mit diesem Ereignis nahm die Gemeinde in Ephesus ihren Anfang, die eine der wichtigsten Gemeinden der frühen Kirche war.
Geschichtliche Zusammenfassung
Bisher haben wir gesehen, dass Jesus seinen Jüngern geistliche Gaben verheißen hatte, die ihnen dabei halfen, ihre Aufgabe als Prediger wahrzunehmen. Alle drei Abschnitte in der Apostelgeschichte beschreiben Meilensteine in der Gründungsgeschichte der neutestamentlichen Kirche.
In allen drei Fällen ist es wichtig, die jüdische Mentalität zu beachten, die Paulus in 1. Korinther 1, Vers 22 erklärt: „Die Juden wollen Wunder sehen, die Griechen fordern kluge Argumente“ (Neue Genfer Übersetzung). Oder, wie die Gute Nachricht Bibel es übersetzt: „Die Juden fordern von Gott sichtbare Machterweise.“ Gott hat sich daher dazu entschlossen, seine Anwesenheit bei diesen Schlüsselereignissen durch das Wunder des Zungeredens zu bestätigen, genauso wie Jesus es in Markus 16, Vers 17 verheißen hatte.
Im Gegensatz zu den anderen Verheißungen, die Jesus den Jüngern in Markus 16, Vers 17 gemacht hatte, zeigen diese Abschnitte in der Apostelgeschichte, dass die Zungenrede und die Gabe der prophetischen Rede auch von Neubekehrten ausgeübt werden konnten, nicht nur von den Aposteln und Ältesten. Die Berichte besagen hier aber nur, dass dies unmittelbar nach dem Empfang des heiligen Geistes erfolgte. Es gibt hier keinen Hinweis darauf, dass diese Neubekehrten auch weiterhin bei anderen Anlässen in Zungen redeten oder Prophezeiungen machten, um damit zu belegen, dass sie den heiligen Geist empfangen hatten.
Das Zungenreden in Korinth
Damit kommen wir zu der Situation in Korinth. In 1. Korinther finden wir weitaus mehr Informationen über das Thema „Zungen“ als in all den bisher erwähnten Bibelabschnitten zusammen genommen. Viele sehen 1. Korinther 14, oft das „Zungenkapitel“ genannt, als eindeutigste Informationsquelle zu diesem Thema.
Der grundlegendste Abschnitt für die Bestimmung der Methode und der Bedeutung des Zungenredens sollte aber aus mehreren Gründen Apostelgeschichte 2 sein.
• Diese Gabe trat zum ersten Mal zu Pfingsten in Erscheinung.
• Der Text sagt eindeutig, dass dies ein Wunder Gottes war.
• Der Text sagt eindeutig, dass sich die Gabe des Zungenredens (glossa) auf eine übernatürliche Fähigkeit in bekannten Sprachen zu sprechen bezieht.
Wie steht es nun mit Korinth? Haben Sie sich jemals gefragt, warum den Korinthern, bei all ihrem Hang zu fleischlichen Genüssen und den damit einhergehenden Problemen, die Gabe des Zungenredens verliehen worden war?
Wollen wir die Situation korrekt beurteilen, so müssen wir hier sehr sorgfältig darauf achten, was Paulus den Korinthern schrieb.
Hintergrund und Kontext von 1. Korinther 14
Paulus schrieb diesen Brief an die Gemeinde zu Korinth, um damit ernsthafte Probleme anzusprechen: Spaltungen in der Gemeinde, intellektuelle Eitelkeit, die Überbetonung von Erkenntnis, schwerwiegendes Fehlverhalten im Bezug auf das Passah, Verwicklung in und Teilnahme an heidnischen Zeremonien, doktrinäre Irrlehren und ungebührliches Verhalten bei Gemeindeversammlungen. Er schrieb auch, um damit auf Fragen von Gemeindemitgliedern einzugehen, die diese und andere Probleme angesprochen hatten (7,1).
Paulus geht auf das Problem ein, indem er einige grundlegende Aspekte geistlicher Gaben behandelt (12,1-30), nachdem er sich zuvor ausführlicher mit dem Götzendienst befasst hatte. Die textliche Verknüpfung dieser beiden Themen legt nahe, dass die heidnische, von Götzendienst bestimmte Vergangenheit vieler in der Gemeinde eine direkte Auswirkung auf ihre Fehler im Glauben und Handeln hinsichtlich geistlicher Gaben hatte und auch viele ihrer anderen Probleme mit beeinflusste.
Im 12. Kapitel versucht Paulus als Antwort auf Fragen, die sie in ihrem Schreiben an ihn gestellt hatten, Missverständnisse über geistliche Gaben zu klären. In Vers 1 beginnt er seine Behandlung der Frage der geistlichen Gaben damit, dass er seinen Wunsch zum Ausdruck bringt, die Korinther möchten beim Thema geistlicher Gaben nicht „in Unwissenheit“ („Unkenntnis“ – Gute Nachricht Bibel) verbleiben. Hier wird also angedeutet, dass die Korinther zur Zeit der Abfassung des Briefes noch voller Unkenntnis in diesen Fragen waren.
In Vers 2 geht er auf ihren heidnischen Hintergrund ein, der auch Fälschungen von wahren geistlichen Gaben mit beinhaltete. Das Theological Dictionary of the New Testament von Gerhard Kittel (Band 1, Seite 722) listet eine Reihe von außerbiblischen Texten auf, in denen sich glossa auf ekstatische Äußerungen in heidnischen Kulten bezieht. Das belegt, dass dies ein üblicher religiöser Brauch zur Zeit des Neuen Testaments und im Laufe der griechischen Geschichte war.
Das BDAG-Lexikon definiert glossa unter anderem als „eine Äußerung außerhalb der normalen verständlichen Sprachmuster, die daher einer besonderen Interpretation bedarf; ekstatische Sprache, ekstatische Rede, Zunge“ und kommt zu dem Schluss: „Es kann keinen Zweifel geben, was hier gemeint ist, nämlich die seltsame Rede von Menschen in religiöser Ekstase . . . wie man sie in der hellenistischen Religion vorfinden kann.“
Wenn man diese beiden Verse kombiniert, dann entsteht der Eindruck, dass der Mangel an Verständnis hinsichtlich der geistlichen Gaben in der Gemeinde zu Korinth zu den Problemen geführt hat, die Paulus in Kapitel 14 behandelt. Hinzu kam der Einfluss ihrer heidnischen Vergangenheit. Paulus musste daher erklären, wie Gott im Hinblick auf geistliche Gaben wirkt, um die Fehler in ihrem Verständnis und ihrer Vorgehensweise, die ihrer heidnischen Vergangenheit entstammten, zu korrigieren.
Es wäre ein Fehler, davon auszugehen, dass es sich bei den religiösen Versammlungen in Korinth um so etwas wie ordentlich strukturierte Versammlungen mit vorher zugeteilter Kurzpredigt und Predigt handelte. Stattdessen waren es unorganisierte und chaotische Zusammenkünfte, bei denen die Anwesenden mit Geschrei auf sich aufmerksam machten, wann immer sie „eine Lehre“ (didache), eine „Zungenrede“, eine „Offenbarung“ oder eine entsprechende Interpretation vorzubringen gedachten (14,26). Die Tatsache, dass Paulus das Kapitel mit der Ermahnung „Lasst aber alles ehrbar und ordentlich zugehen“ beschließt, zeigt schon, das Anstand und Ordnung nicht Bestandteil ihrer Versammlungen waren.
Die Korinther zogen anscheinend eine falsche Show mit ihren geistlichen Gaben ab. Ihre Zurschaustellung falscher Spiritualität führte zu Spaltungen in der Gemeinde. John MacArthus bietet hier eine ausgezeichnete Einschätzung des charismatischen Chaos in Korinth: „Der Wunsch ,geistlich zu erscheinen‘ war der Grund dafür, dass die Gabe der Sprachen in einem so hohen Maße ausgeschlachtet und pervertiert wurde“ (The Charismatics: A Doctrinal Perspective, Seite 108).
Paulus unterrichtet sie also über den Zweck der geistlichen Gaben. Er zeigt ihnen, dass ein Glied des Leibes Christi nicht höherwertiger als ein anderes Glied des Leibes Christi ist, bloß weil es eine geistliche Gabe hat, die das andere nicht hat. Der Zweck der geistlichen Gabe besteht dagegen in Wirklichkeit darin, den gesamten Leib Christi zu erbauen.
Während aber manche das, was sie als ihre geistlichen Gaben ausgaben – vor allem das Zungenreden –, zur Schau trugen, wurden andere dadurch nicht erbaut (14,2-19). Paulus rückt das Thema hier ins rechte Licht, indem er betont, dass auch eine dramatische Zurschaustellung des eigenen Glaubens wertlos ist, wenn sie nicht auf Liebe gründet (12,31–13,13).
Davon ausgehend ermahnt er sie, ihre Gottesdienste wieder mit Anstand und in rechter Ordnung durchzuführen (14,1; erster Satz). Die Liebe muss beim richtigen Einsatz der geistlichen Gaben immer die motivierende Kraft sein und die Erbauung der Gemeinde das angestrebte Ergebnis (14,1-19).
Wie, so fragt er, kann irgendjemand davon erbaut werden, wenn ein anderer in Zungen (Sprachen) spricht, die er nicht versteht? Er ermutigt sie, stattdessen die „prophetische Rede“ (laut des BDAG-Lexikons „eine inspirierte Offenbarung verkünden“) anzustreben.
Paulus erklärt, dass die Gabe des Zungenredens ein „Zeichen“ für die Ungläubigen und nicht für andere Gemeindenmitglieder sein soll (14,22). Er betont den Vorrang der „prophetischen Rede“ innerhalb der Gemeinde, weil die Gemeinde dadurch erbaut wird, während ein Reden in einer anderen Sprache (vor allem wenn es keine Übersetzung gibt) höchstens den Redner selbst erbauen würde (14,1-5).
Aber wenn auch das Zungenreden ein „Zeichen“ für die Ungläubigen sein sollte, wäre ein Nichtmitglied, das eine solche Versammlung besuchen würde, trotzdem der Auffassung, dass die Korinther „von Sinnen“ wären, wenn alle gleichzeitig in Zungen reden würden (14,23). Andererseits könnte, wenn jeder prophetisch reden würde, der gemeinsame Effekt den Besucher dazu bringen, Gott in der Überzeugung anzubeten, dass er durch die Gemeindemitglieder wirkt (14,24-25).
Ganz gleich welche geistliche Gabe jemand zum Ausdruck bringen möchte, dies muss jeweils auf geordnete Weise geschehen, wenn daraus positive Ergebnisse folgen sollen (14,26-33). Paulus schließt seine Anweisungen mit der Aussage „Gott ist nicht ein Gott der Unordnung“ ab (14,33). Damit deutet er an, dass die ungebührliche Weise ihres angeblich geistlichen Verhaltens Gott weder wohlgefällig ist, noch Gott dafür als Quelle gelten kann.
Nachdem er diese grundlegenden Punkte geklärt hat, gibt Paulus konkrete Anweisungen, wie diese Probleme, die zu diesem Chaos geführt haben, gelöst werden sollen (14,26-40).
Wenn jemand in Zungen redet, dann muss auch jemand anwesend sein, der das Gesagte dolmetscht, damit es der Rest der Gemeinde verstehen kann (14,6-17). Paulus betont diese Priorität, indem er sagt, dass er lieber fünf Worte sprechen würde, die von seinen Zuhörern verstanden würden, als zehntausend Worte in einer Sprache, die die Zuhörer nicht verstehen würden (14,19). Er betont Liebe als Motivation beim Einsatz der geistlichen Gaben. Dieser Einsatz soll zur Erbauung der Gemeinde führen.
Er ordnet auch an, dass keine zwei Personen gleichzeitig sprechen sollen, sondern sich beim Sprechen abwechseln sollten, während der Rest der Gemeinde respektvoll zuhören sollte. So würden alle etwas lernen und erbaut werden (14,27-31). Zusätzlich zu dieser praktischen Anleitung erklärt Paulus auch auf subtile und unterschwellige Weise, wie sich wahre geistliche Gaben ausdrücken. Das tut er in der Hoffnung, dass zumindest einigen bewusst wird, dass diese Merkmale nicht dem entsprechen, was in ihrer Gemeinde vor sich ging.
In Vers 32 schreibt er: „Die Geister der Propheten sind den Propheten untertan [unterstehen ihrer Kontrolle].“ Er hofft, dass einige erkennen, dass Mitglieder, die nach eigener Meinung ihre geistlichen Gaben ausübten, in Wirklichkeit die Selbstbeherrschung verloren hatten.
In Vers 33 schreibt er: „Gott ist nicht ein Gott der Unordnung“, was zu der offensichtlichen Schlussfolgerung führt, das Gott nicht die Quelle dieses Chaos und wilden Durcheinanders ist. Der Expositor’s Bible Commentary merkt dazu an: „Das Wort akatastasia ist ein sehr starker Ausdruck und deutet eine große Unruhe, ein großes Durcheinander oder sogar einen Aufstand bzw. eine Revolution an (Lukas 21,9). Paulus ist über den unregulierten Gottesdienst besorgt, der zu ungebührlichem Benehmen führen kann und den Gott des Friedens, der sie zur Ordnung aufgerufen hat, verfälscht wiedergibt“ (Band 10, Seite 276).
Wenn wir die chaotischen und ungebührlichen Zustände verstehen, die Paulus in 1. Korinther 14 anspricht, dann wird offensichtlich, dass dieses Kapitel kein Modell für das Verständnis des Zungenredens oder des Einsatzes von geistlichen Gaben darstellt. Im Gegenteil: Es zeigt auf, wie man es nicht machen sollte.
Der Einfluss der heidnischen Vergangenheit der Korinther
Waren möglicherweise zumindest einige der charismatischen Bräuche der Korinther in Wahrheit satanische, heidnische Fälschungen? Nehmen wir dazu zum Beispiel Paulus’ Aussage in 1. Korinther 12,3: „Darum [angesichts ihrer Unkenntnis und heidnischen Vergangenheit] erkläre ich euch: Keiner, der aus dem Geist Gottes redet, sagt: Jesus sei verflucht! Und keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem heiligen Geist redet“ (Einheitsübersetzung).
Weshalb würde Paulus so etwas sagen? Anscheinend deshalb, weil einige, die vorgaben prophetisch zu reden, dabei sagten: „Jesus sei verflucht.“ Diese Aussage spiegelt den gnostischen Glauben wider, der das Menschsein Jesu ablehnt und mit Sicherheit nicht von Gott stammt, wie Paulus hier deutlich sagt. Paulus sagt uns nicht, wer und wie viele solche Aussagen machten. Es hätte sich dabei um ketzerische Betrüger, die die Versammlungen unterwanderten, um das Werk Gottes zu unterminieren, oder um Gemeindemitglieder handeln können, die vom falschen Geist dazu beeinflusst und inspiriert wurden, solche gotteslästerlichen Aussagen zu machen.
Ein weiterer Aspekt, der hier Beachtung verdient, ist, dass das Wunder der „Zungen“ zu Pfingsten dazu führte, dass die Menschen ohne Übersetzungen das von den Aposteln Gesprochene verstanden, weil sie es in ihrer eigenen Muttersprache hörten (Apostelgeschichte 2,8). Bei den in Korinth gesprochenen „Zungen“ war das nicht der Fall. Also wurde auch niemand erbaut, weil sie nicht verstanden, was gesagt wurde (1. Korinther 14,6-19).
Aus dem, was Paulus im ersten Korintherbrief schrieb, wird deutlich, dass die Gemeindemitglieder sich in der Frage der geistlichen Gaben nicht auskannten. Das und der Einfluss ihrer heidnischen Vergangenheit führte zu den chaotischen, ungebührlichen Zurschaustellungen, die Paulus hier zu korrigieren suchte. Die Korinther stellen also kein Musterbeispiel für den richtigen Einsatz des Zungenredens dar.
Fazit
Das Zungenreden ist eine übernatürliche Gabe, die Gott der Kirche zu bestimmten Zeiten gegeben hat, um damit das Wachstum seines Werkes zu fördern. Diese Gabe ist aber weder eine Garantie noch ein Beweis für die Bekehrung. Sie war auch sicherlich nie dazu gedacht, geistliche Überlegenheit zu demonstrieren, wie bei dem Verhalten, dem Paulus in Korinth begegnete. Auch war das Zungenreden nicht dazu gedacht, zu allen Zeiten von allen Gläubigen als ein Beweis für das Wirken des heiligen Geistes praktiziert zu werden.
Ganz gleich wie dramatisch es zum Ausdruck kommen mag, das Zungenreden ist nur ein vorübergehendes Phänomen. In 1. Korinther 13, Vers 8 betont der Apostel Paulus, dass „das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird“ (1. Korinther 13,8). Er ermahnte die Korinther deshalb: „Strebt aber nach den größeren Gaben! Und ich will euch einen noch besseren Weg zeigen“ (1. Korinther 12,31). Dieser Weg ist die Liebe, denn die „Liebe hört niemals auf“ (1. Korinther 13,8).