Eine Besonderheit der letzten Jahrzehnte, die das Interesse einiger Mitglieder der Kirche Gottes gefunden hat, ist die Entstehung des Messianischen Judentums.
Von Paul Kieffer
Was ist das Messianische Judentum? Wie und wann ist es entstanden? In diesem Beitrag versuchen wir, Ursprünge und Basis des Messianischen Judentums aufzuzeigen sowie dessen Bezug zur Kirche Gottes, deren Haupt Jesus Christus ist.
Beginnen wir mit einer Definition der Bezeichnung „Messianisches Judentum“, die eigentlich irreführend sein kann. Man beschreibt damit normalerweise eine Gruppe im Judentum, die zum allgemeinen traditionellen Christentum konvertiert hat, aber ohne das jüdische Erbe und dessen Glauben preiszugeben.
Eigentlich müssten jedoch die meisten orthodoxen Juden auch „messianisch“ genannt werden, da sie die Rückkehr des Messias erwarten. Wir werden daher die Bezeichnung Messianisches Judentum in einem engeren Sinn betrachten, der für die heutige Kirche Gottes relevant ist.
Neue Einsichten in die Bibel und Aufwind für die Festtage
In den letzten Jahrzehnten konnte man das Erscheinen einer neuen Art von neutestamentlicher Literatur beobachten, herausgegeben von den Messianischen Juden. Dieser Umstand war auch für uns sehr hilfreich, um einige der Irrtümer hinsichtlich des Sabbats und der Gebote Gottes zu widerlegen, mit denen wir konfrontiert werden.
Unter den Veröffentlichungen, die manche hilfreich fanden, waren die Übersetzung des Neuen Testaments und der dazugehörige Kommentar von David Stern. Auch andere Autoren wie Joseph Shulam und Mark Nanos haben zur Klärung mancher Missverständnisse einiges beigetragen. Die Existenz eines Neuen Testaments aus einem spezifisch jüdischen Blickwinkel lieferte einen wertvollen zusätzlichen Standpunkt in Bezug auf schwierige Stellen im Neuen Testament.
Dass es auch andere Gruppen gibt, die nicht nur den Sabbat, sondern auch die Festtage halten, hat viele ermutigt. Was für ein dramatischer Kontrast zum Beginn der Arbeit von Herrn Herbert W. Armstrong in den 1930er Jahren, als dies niemand außer den Juden bekannt war.
Heute gibt es ungefähr 800 Webseiten im Internet von Messianischen Juden und ähnlichen Gruppen. Wie es ein Schreiber ausdrückte: „In den letzten 19 Jahren sind mehr Juden für Christus gewonnen worden als in den 19 Jahrhunderten davor.“ Es ist jedoch notwendig, den Hintergrund dieser Bewegung zu untersuchen, um festzustellen, was sie wirklich darstellt.
Zahllose Versuche sind in den letzten 2000 Jahren unternommen worden, um die Juden zum Christentum zu bekehren. Einige davon sind unterschwellig gewesen, einige offensichtlich und manche sogar gewalttätig.
Einer der bedeutendsten Versuche in dieser Richtung – und ein möglicher Startpunkt des Messianischen Judentums – entstand aus den Bemühungen von William Blackstone in der amerikanischen Stadt Chicago Ende des 19. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit gab es einen großen Zustrom von Menschen aus Osteuropa. Viele von ihnen waren Juden, die kein Englisch sprachen.
Es entwickelte sich eine Mission, um diesen Einwanderern Englisch beizubringen und sie auch dem Christentum nahezubringen. Das Resultat war die Entstehung einer Art „Mission für die jüdischen Menschen“, die den Pogromen Europas entkommen waren.
Der Dispensationalismus und die Juden
William Blackstone war Methodist und wollte die jüdischen Einwanderer in Chicago zu seinem Verständnis der Bibel führen. Ein Konzept, das in protestantischen Kreisen der Zeit weitgehend akzeptiert wurde, war das des „Dispensationalismus“ (vom lateinischen dispensare; befreien von einer Verpflichtung). Dieser Vorstellung zufolge sei die Zeit in verschiedene (zeitlich begrenzte) Systeme eingeteilt, durch die Gott ein bestimmtes Werk ausführt. Diese Vorstellung findet man z. B. in den Randbemerkungen der englischen Scofield-Bibel.
Danach sind auch Teile der Schrift nur bestimmten (zeitlich begrenzten) Glaubenssystemen zuzuordnen, wodurch sie für andere Zeiten als nicht relevant anzusehen sind. Es ist nichts anderes als ein Mittel, womit der Protestantismus zwar das ganze Wort Gottes akzeptieren kann, aber dennoch sich nicht verpflichtet fühlen muss, das Leben nach bestimmten biblischen Vorschriften auszurichten.
Der Dispensationalismus förderte die Idee, dass die Juden in das Heilige Land zurückkehren mussten, damit Jesus Christus zurückkommen kann. Diese Idee basierte auf einem Missverständnis von gewissen Prophezeiungen und verlief zeitgleich mit der Verbreitung des Zionismus (nationalreligiöse Bewegung zur Schaffung eines jüdischen Staates) in jüdischen Kreisen in Europa.
Blackstone führte sogar 1896 eine Delegation an, die von US-Präsident Benjamin Harrison die Erlaubnis für jüdische Immigration nach Palästina forderte. Auf diese Weise war das methodistische Verständnis der Heiligen Schrift mit der politischen Bewegung des Zionismus verknüpft.
Leute wie Blackstone plädierten für die Errichtung einer jüdischen Heimat im Heiligen Land, halfen neuen Immigranten in den USA, sich in dem neuen Land zurechtzufinden, und trugen somit dazu bei, die Folgen des harten osteuropäischen Lebens und der Verfolgungen zu lindern. Diese jüdischen Konvertiten wurden zu „Christen“ und gaben damit ihre jüdische Identität auf.
„Juden für Jesus“
Fast ein Jahrhundert später, nach der Gründung des Staates Israel, erlebte man eine weitere beträchtliche Anstrengung, jüdische Konvertiten für das Christentum zu gewinnen. Zu dieser Bewegung gehört „Juden für Jesus“, die seit ihrer Gründung 1973 besonders bekannt geworden ist. Verschiedene Faktoren begleiteten das Bestreben, Juden zum Christentum zu bekehren.
Der Holocaust, bei dem Juden von manchen bekennenden Christen ermordet worden waren, ließ die Nachkriegsgeneration über die Beziehung zwischen diesen beiden Gemeinschaften nachdenken. Zur selben Zeit erwachte ein jüdisches Interesse am Neuen Testament als einem historischen Dokument des ersten Jahrhunderts – besonders in Bezug auf das Judentum des ersten Jahrhunderts – und brachte so die Juden zur Untersuchung des Neuen Testaments. Die Eroberung der Jerusalemer Altstadt beim Sechstagekrieg 1967 erweckte wieder Interesse an Jerusalem, dem Heiligen Land und biblischen Prophezeiungen.
Damit zusammenhängend hat der Zusammenbruch jüdischer Gemeinden nach der Katastrophe des Holocaust bedeutet, dass viele Juden ihre jüdische Identität abgelegt haben. Enklaven von jüdischen Gemeinden in „heidnischen“ Städten in der Neuen und Alten Welt hatten begonnen, sich am Rande aufzulösen, wobei viele der jüngeren Generation, die Seite an Seite mit den Kindern anderer Kulturen aufgewachsen waren, bereitwillig ihre jüdische Identität verdrängt haben. Ohne die Unterstützung ihrer Gemeinden wurden viele dieser Leute, sei es durch Heirat oder andere Gründe, zu den evangelikalen christlichen Gemeinden angezogen.
Als ein Mittel, das neue jüdische Verständnis des Neuen Testaments zu vertreten, verbreitete sich ein neues Konzept, das den Juden ermöglichte, ihre Treue zur Thora aufrechtzuerhalten und Christus anzunehmen, während die Heiden „nur Christus als ihren Erlöser akzeptieren mussten“.
Daraus wurde die allseits anerkannte duale Vorgehensweise innerhalb der evangelikalen Christenheit, die den „Heidenchristen“ erlaubt, den Sabbat, die biblischen Festtage und andere Anordnungen zu ignorieren, die jedoch nicht jüdisch, sondern göttlich sind. Dabei werden verschiedene Ansichten verteidigt, um Schriftstellen im Neuen Testament zu entkräften, die die Wichtigkeit der Thora hervorheben.
Widerspruch zur Thora
Die Vorstellung, dass es unterschiedliche Wege zur Errettung bzw. unterschiedliche Gesetze in der Gemeinde Gottes gibt, steht im klaren Widerspruch zur Thora. Gott inspirierte Mose, Folgendes für das Volk Israel niederzuschreiben: „Für die ganze Gemeinde gelte nur eine Satzung, für euch wie auch für die Fremdlinge. Eine ewige Satzung soll das sein für eure Nachkommen, dass vor dem Herrn der Fremdling sei wie ihr. Einerlei Gesetz, einerlei Recht soll gelten für euch und für den Fremdling, der bei euch wohnt“ (4. Mose 15,15-16).
Als die Nachkommen der Kinder Israel sich anschickten, den Jordan zu überqueren und ins Gelobte Land zu ziehen, gab Mose Anweisungen, mit denen die Gesellschaft im neuen Land geregelt und dadurch auch Einfluss auf die umliegenden Nationen ausgeübt werden sollte.
„Und nun höre, Israel, die Gebote und Rechte, die ich euch lehre, dass ihr sie tun sollt, auf dass ihr lebet und hineinkommt und das Land einnehmt, das euch der Herr, der Gott eurer Väter, gibt. Ihr sollt nichts dazutun zu dem, was ich euch gebiete, und sollt auch nichts davontun, auf dass ihr bewahrt die Gebote des Herrn, eures Gottes, die ich euch gebiete . . .
Sieh, ich hab euch gelehrt Gebote und Rechte, wie mir der Herr, mein Gott, geboten hat, dass ihr danach tun sollt im Lande, in das ihr kommen werdet, um es einzunehmen. So haltet sie nun und tut sie! Denn dadurch werdet ihr als weise und verständig gelten bei allen Völkern, dass, wenn sie alle diese Gebote hören, sie sagen müssen: Ei, was für weise und verständige Leute sind das, ein herrliches Volk! Denn wo ist so ein herrliches Volk, dem ein Gott so nahe ist wie uns der Herr, unser Gott, sooft wir ihn anrufen? Und wo ist so ein großes Volk, das so gerechte Ordnungen und Gebote hat wie dies ganze Gesetz, das ich euch heute vorlege?“ (5. Mose 4,1-2. 5-8).
Zwei Wege zur Erlösung?
Gott hatte beabsichtigt, den Segen, der durch den Gehorsam gegenüber Gott entsteht, als Zeugnis für die Nachbarländer Israels einzusetzen. Die anderen Nationen sollten sich durch das Beispiel Israels zum Gott Israels wenden. Beachten Sie das Verhalten der Moabiterin Rut, die den Gott ihrer Schwiegermutter Naomi annahm und dadurch Teil der königlichen Linie Judas wurde: „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott“ (Rut 1,16).
Bedauerlicherweise haben manche in der messianischen Bewegung eine Idee angenommen, die zum ersten Mal durch Moses Maimonides (1135-1204 n. Chr.), einen Rabbiner und jüdischen Philosophen, der zur Zeit der Zwangsislamisierung von Juden in Spanien lebte und lehrte. Maimonides behauptete, dass es zwei Bünde gäbe – einen für die Juden, den wir den Alten Bund nennen, und einen anderen für Christen, den Neuen Bund.
Mit anderen Worten: Es gibt zwei Wege zur Erlösung durch zwei unterschiedliche und einzigartige Bünde. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts wurde diese Idee von einem anderen Philosophen aufgegriffen, Franz Rosenzweig.
Nach der Interpretation der Messianischen Juden kann Apostelgeschichte 15 als Rechtfertigung eines zweigleisigen Weges zur Bekehrung verwendet werden. Apostelgeschichte 15 spricht jedoch Umstände an, die die Gemeinschaft innerhalb der Kirche Gottes betreffen und nicht etwa den „Beitritt“ zur Kirche. Es ist daher eher eine Frage „Was verlangen wir von Leuten, bevor sie mit uns Gemeinschaft haben können?“ als eine Forderung in Bezug auf die Taufe.
Dieselbe Vorgehensweise würden wir wahrscheinlich heute in Bezug auf verschiedene Verhaltensweisen von Leuten anwenden, die Gemeinschaft mit uns pflegen möchten. Wenn jemand, der drogenabhängig ist, zur Kirche kommen möchte, würden wir wahrscheinlich verlangen, dass die Person zuerst Hilfe zur Behandlung dieses Problems sucht. Wir würden niemanden in die Gemeinde bringen, der noch unter Drogen steht. Dies würde die Gemeinde durcheinanderbringen und den Lehren zuwiderlaufen, die wir in der Gemeinde und öffentlich vertreten.
David Stern scheint die Ideen von Maimonides und Rosenzweig zwar abzulehnen, aber im Endeffekt geht es ihm um ein ähnliches Resultat. Er sieht „jüdisches Christentum“ und „heidnisches Christentum“ als zwei Manifestationen von Freiheit und Toleranz. Tatsächlich betrachtet er die Akzeptanz von Jesus Christus als Erlöser als die einzige Bedingung zur Erlösung (David Stern, Kommentar zum jüdischen Neuen Testament; Johannes 14, Vers 6).
Das messianische Judentum: Eine Synthese
Das Messianische Judentum ist also in mancher Hinsicht eine Synthese von traditionellem Christentum und jüdischen Glaubenselementen und Praktiken. Obwohl das ewige Gesetz anerkannt wird, werden auch nicht biblische jüdische Tradition und neue Ideen des traditionellen Christentums angenommen, und das trotz klarer Aussagen in beiden Testamenten über die Einheitlichkeit des Glaubens (4. Mose 15,15-16; Galater 3,28).
Als Resultat dieses Erbes geht das Messianische Judentum an einem der wesentlichen biblischen Merkmale vorbei, das in Bezug auf die biblischen Prophezeiungen für die Endzeit wichtig ist. Es ist das Verständnis, wer die Nationen von Israel heute wirklich sind.
Von ihren jüdischen Wurzeln und von dem angenommenen christlichen Erbe her glauben viele Anhänger des Messianischen Judentums, dass sie als Juden die einzigen Nachkommen der zwölf Stämme Israels sind. Das Verständnis der Identität des alten Israels ist aber eine Voraussetzung zum Verständnis mancher Prophezeiungen der Bibel für die Endzeit.
Heute nehmen viele Christen ebenfalls fälschlicherweise an, die Juden machten das gesamte Israel der Antike aus. Fragt man den durchschnittlichen Konfessionschristen, „Wer ist Israel?“ bzw. „Wer sind heute die Israeliten der Bibel?“, dann hört man als Antwort aller Wahrscheinlichkeit nach „die Juden“. Das ist aber nicht der Fall.
Die meisten Christen sind sich nicht bewusst, dass die heutigen Juden nur einen kleinen Prozentsatz der Nachkommen des alten Volkes Israel darstellen. Jakob (bzw. Israel) hatte zwölf Söhne. Jeder von ihnen wurde zum Vater eines Clans oder eines Stammes. Juda war einer dieser zwölf Söhne und ist der Vorfahre der heutigen Juden. Von diesem Anteil stellen die heute in Israel lebenden Juden eigentlich nur eine Minderheit aller Juden dar.
Wenn man die Früchte des Messianischen Judentums betrachtet, kann man anerkennen, dass sie zum besseren Verständnis der engen Beziehung des Neuen Testaments zum Alten Testament beigetragen haben. Ihr Glaubenssystem ist jedoch von der protestantischen Reaktion auf die Lehren der römischen Kirche geprägt.
Parallel zum Entstehen des Messianischen Judentums ist unter einigen Christen ein verstärktes Interesse an den hebräischen Wurzeln des frühen Christentums entstanden. Indem sie einige der Elemente des frühen Christentums wiederentdecken wollen, versuchen sie, das Neue Testament nach jüdischem Verständnis auszulegen. Manche erkennen, dass der „duale Erlösungsweg“ falsch ist, und sie akzeptieren den Sabbat und die Festtage als für Christen bindend.
Leider ist ihre Sichtweise aber immer noch von der Annahme getrübt, dass die wahre Gemeinde Jesu ihren Weg durch die römische Staatskirche und die protestantische Reformation genommen hat. Deshalb ist es für sie oft schwierig, sich von den verschiedenen Irrlehren des traditionellen Christentums zu distanzieren, wie beispielsweise die Dreieinigkeit. Wir dürfen nie vergessen, dass Satan der Teufel die ganze Welt verführen will, wobei er oft charismatische Persönlichkeiten einsetzt.
Ist diese Bewegung, die die jüdischen Wurzeln des Christentums zur Anerkennung bringen möchte, von Gott oder nicht? Christus gab uns einen Hinweis, wie wir beurteilen können, ob jemand von Gott ist: „Einen Baum erkennt man an seinen Früchten“ (Matthäus 7,20).
Deshalb sollten wir mit Weisheit die Früchte solcher Gruppen beurteilen und dann sehen, wo deren wirkliche Quelle liegt. „Wenn jemand zu euch kommt und bringt diese Lehre nicht, so nehmt ihn nicht ins Haus und grüßt ihn auch nicht“ (2. Johannes 1,10).
Jüdische Tradition und das Gesetz Gottes
Welche Bedeutung hat das mündliche Gesetz des Judentums für Christen? Jesus Christus lehnte das mündliche Gesetz, wie es von den Pharisäern praktiziert wurde, als oberste Instanz immer dann klar ab, wenn das mündliche Gesetz dem geschriebenen Gesetz widersprach. In solchen Fällen hielt sich Jesus an das geschriebene Gesetz. Bei seiner Lehrtätigkeit berief sich Jesus wiederholt auf das geschriebene Gesetz („Habt ihr nicht gelesen . . .“ usw.)
Der messianische Autor David Stern stellt richtigerweise fest, dass Jesus nicht alle Traditionen pauschal ablehnte. Trotzdem hätte Jesus die Sichtweise der Pharisäer nicht akzeptiert, wonach ihr mündlich überliefertes Gesetz die gleiche Autorität hätte wie das geschriebene Gesetz. Die Pharisäer begründeten ihre Sichtweise damit, dass Gott selbst Mose das spätere geschriebene Gesetz zunächst mündlich übergab und Mose es niederschreiben musste.
In der Einleitung zu seiner Ausgabe der Mischna drückt sich Herbert Danby diesbezüglich klar aus: „Zeitgleich mit dem geschriebenen Gesetz, das Mose am Berg Sinai erhielt, wurde ihm auch das mündliche Gesetz überliefert Mit anderen Worten behauptet die Mischna, dass die Autorität der Regeln, Sitten und Interpretationen, die sich um die jüdische Lebensweise und Religion ansammelten, der Autorität des geschriebenen Gesetzes ebenbürtig sind, obwohl sie keinen Platz in dem geschriebenen Gesetz fanden“ (1933, Seite xvii., Hervorhebung durch uns).
Manche Christen verstehen diesen grundlegenden Unterschied nicht. Das Judentum ist zu einem wesentlichen Teil eine Religion der Traditionen, die nicht auf biblischen Aussagen, sondern auf mündlicher Überlieferung beruhen. Dieser Unterschied ist fundamental.
Es überrascht nicht, dass messianische Juden oft mit der Frage der Definition des „Gesetzes“ ringen. Das Fehlen einer gemeinsamen Linie zum Gesetz unter den messianischen Juden hat zur Folge, dass ihre Glaubensausübung stark variiert. Es gibt messianische Juden, die am Sonntag zum Gottesdienst gehen, während andere auf dem Halten des Sabbats und der biblische Festtage bestehen und noch andere die Sichtweise von David Stern vertreten, wonach die Festtage zwar empfohlen, jedoch keine Sache von Gesetz und Sünde sind.