Das Gebet soll ein Eckstein in der Beziehung eines Christen zu Gott sein. Doch manchmal scheint beim Gebet keine Verbindung zustande zu kommen. Warum?

Von Paul Kieffer

Im modernen Zeitalter der beweglichen Kommunikation hat wahrscheinlich jeder, der mit dem Handy telefoniert, Folgendes schon mal erlebt: Man ruft jemanden an, und auf einmal taucht der Gesprächspartner einfach ab. Die Verbindung ist weg. Sie – oder Ihr mobiler Gesprächspartner – befinden sich dann im sogenannten Funkloch, also in einer toten Zone, die von keinem Handymast erfasst wird.

Das mag ab und zu bei der Mobiltelefonie vorkommen, aber bestimmt nicht beim Gebet, oder? Schließlich sollen Christen über einen „guten Draht“ zum Himmel verfügen, um eine Analogie aus der Festnetztelefonie zu verwenden. Im Sommer sollte man Christen an den Schwielen an ihren Knien erkennen können, so viel Zeit verbringen sie im Gebet mit Gott.

Die Wirklichkeit im Leben mancher Christen weicht jedoch vom humorvollen Ideal ab. Viele, die sich Christen nennen, beten überhaupt nicht – es sei denn auf dem Sterbebett. So ergeht es übrigens auch solchen Menschen, die überhaupt nicht religiös sind. Das Sterbebett oder eine ernsthafte Erkrankung lässt einen schon an Gott denken.

Andere Christen beten nur halbherzig, der Form halber, ohne jedoch das Empfinden zu haben, dass Gott sie beim Beten wirklich hört. Sie finden das Gebet manchmal langweilig und lästig. Irgendwie kommt keine „Verbindung“ zu Gott zustande. Sie meinen, er hört ihre Gebete nicht.

Warum scheint das Gebet manchmal keinen Erfolg zu haben? Warum machen einige vom Gebet so wenig Gebrauch? Ist Gott etwa in einem Funkloch abgetaucht? In diesem Beitrag widmen wir uns dem Thema Gebet. Als Erstes gehen wir der Frage nach, was das Gebet überhaupt ist.

Was ist das Gebet bzw. was nicht?

Was ist das Gebet? Es ist ein persönliches, vertrauliches Gespräch mit Gott. Es ist eine Unterhaltung zwischen einem Kind – einem Sohn bzw. einer Tochter – und dem Vater. Es ist eine Verbindung zum Himmel in guten und schlechten Zeiten und ein Mittel, Gemeinschaft zwischen Mensch und seinem Schöpfer zu pflegen. Beten ist sinnvoll und nützlich – es hilft wirklich!

Beten ist hingegen kein Kommunikationsversuch in veralteter Sprache oder in Worten, die, weil man sie vor so vielen Jahren auswendig gelernt hatte, praktisch bedeutungslos geworden sind. Ein Beispiel aus dem Alltag dient zur Veranschaulichung: Sie sitzen mit der Familie beim Essen und möchten, dass jemand Ihnen das Brot reicht. Was sagen Sie dann? Sagen Sie nicht einfach: „Gib mir bitte das Brot“ oder so ähnlich?

Wie würden Ihre Angehörigen darauf reagieren, wenn Sie Ihre Bitte um das Brot genauso formulieren würden, wie viele „fromme“ Leute ihren himmlischen Vater um das tägliche Brot bitten? Stellen wir uns vor, alle Gespräche, die man so im Alltag mit seinen Mitmenschen führt, würden in dem Deutsch geführt, das manche Menschen (vielleicht auch Sie?) im Gebet verwenden. Wie hörte sich das an?

Manche würden nicht mit eigenen natürlichen Worten um das Brot bitten, sondern stattdessen Standardformeln, die sie schon als Kind auswendig gelernt haben, aufsagen. Ihre Bitte wäre vielleicht folgendermaßen formuliert:

„Mein lieber Verwandter, der du mit mir am Tisch sitzest, gegrüßt seiest du. Während ich mich vor dir symbolisch verneige, würdest du bitte die Güte haben und mir das Brot reichen. Sei dafür herzlich bedankt.“ Tag für Tag würden Sie jedes Mal, wenn es darum ginge, eine Scheibe Brot zu bekommen, dieselben Worte ohne Variation im gemurmelten „Gebetston“, durchsetzt mit Luther- oder „Kirchendeutsch“, wiederholen. Nicht nur das: Sie würden Ihre Bitte manchmal mehrmals wiederholen, in der Annahme, Quantität schlägt Qualität. Hätten Ihre Wiederholungen in etwa nicht die gleiche Beziehungsqualität wie die eines Kopiergeräts?

Dabei würden Sie mit Ihrem Gebetsstil zu den Ruhigen gehören. Andere würden zu Gefühlsausbrüchen tendieren. Jedes Mal, wenn sie Brot wollten, würden sie lieber aufstehen, Lieder anstimmen, in Zungen reden, in Ekstase bzw. in religiöse Raserei fallen.

So stellen sich manche Christen das Gebet vor. Doch das ist nicht das Gebet, wie Jesus Christus es lehrte und selbst praktizierte.

Keine Verbindung – warum?

Warum kommen manche Christen mit Gott nicht in Verbindung, wenn sie ihn brauchen? Warum scheint er für einige im Funkloch zu sein – unerreichbar? Ein Grund könnte die Art ihres Betens sein, wie gerade beschrieben. Denn so spricht heute kein Mensch – jedenfalls nicht normalerweise.

Doch manche meinen eben, der „normale“ Weg, mit Gott zu sprechen, verlange, dass man von Wortschatz und Stimmlage her einen gänzlich anderen „Gang einschalte“. Ihrer Meinung nach müssen wir, statt sich mit einfachen, direkten Worten an Gott zu wenden, Formeln und Rituale verwenden, sonst werden wir weder gehört noch erhört. Wenn manche hier auf Erden mit ihren Freunden ebenso redeten, wie sie es mit ihrem himmlischen Vater tun, würden sie schnell merken, warum sie nicht erhört werden – ihre Freunde hätten wohl das Gefühl, man würde nicht wirklich mit ihnen reden!

Die schlechte Verbindung zu Gott könnte aber auch mit der Qualität der Beziehung zu ihm zu tun haben. In diesem Fall spiegelt die Erwartung beim Gebet die merkwürdige, recht einseitige Vorstellung der Beziehung zu Gott wider. Gott ist da, um zu geben, und wir sind da, um von ihm zu nehmen.

Wer in der heutigen Zeit des Anspruchsdenkens dieser Denkweise verfallen ist, neigt dazu, das, was Gott für uns tut und in Zukunft tun wird (und das ist schon sehr viel!), sehr stark zu betonen. Das aber, was Gott von uns erwartet, wird heruntergespielt oder gar ignoriert. Die Beziehung zu Gott läuft auf die eigene „geringstmögliche Gegenleistung“ hinaus: Wie wenig müssen wir tun, um Gott „zufriedenzustellen“, damit er uns dennoch in diesem Leben segnet und später das ewige Leben schenkt?

So betreiben manche Christen anstelle einer lebendigen wechselseitigen Beziehung zu Gott ein schlechtes Tauschgeschäft. Der liebe Gott wird zum guten Kumpel, dem man „Leistungen“ gegen fromme Freundschaftsbekenntnisse abluchst. Man erwartet von ihm, dass er die Rolle eines übernatürlichen Füllhorns übernimmt, das alle Bitten um Hilfe und Vergebung prompt erfüllt, möglichst unverbindlich und ohne Erwartungen, die an uns gestellt werden.

Diese Denkweise kommt oft bei Naturkatastrophen oder schlimmen Verbrechen zum Ausdruck, bei denen Unschuldige sterben müssen. Menschen, die sonst keinen Gedanken an Gott erübrigen, fragen dann voller Entrüstung, wo denn der liebe Gott geblieben sei, als die Unschuldigen leiden mussten.

Dann fragt man voller Bestürzung, ob Gott unsere Gebete hört oder ob es ihn überhaupt gibt. Ja, es gibt ihn sehr wohl. Und er bleibt ein Gott der Liebe, der Barmherzigkeit und Vergebung. Er weiß aber, dass eine einseitige Beziehung, bei der wir immer nehmen und er immer gibt, keine wahre Beziehung ist. Das kann jeder Ehepartner bestätigen, dem der Eindruck vermittelt wurde, er sei nur dafür da, um die Wünsche des Partners zu erfüllen.

Gott wünscht sich keine solche Beziehung zu uns. Stattdessen will er uns helfen und uns überreichlich von allem Guten geben, aber er möchte eine wechselseitige Beziehung zu uns haben. Er ist bereit, uns alles zu geben, und dafür ließ er seinen eigenen Sohn einen schrecklichen Tod für uns erleiden.

Von uns erwartet er diese Grundeinstellung: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und größte Gebot” (Matthäus 22,37-38). Diese Haltung ist das Gegenstück zur aufopfernden Liebe, die Gott uns entgegenbringt.

Christ sein ist kein 400-Euro-Job

In dieser Aufforderung Jesu kommt Gottes Erwartung an uns klar zum Ausdruck: Gott erwartet das Engagement des ganzen Menschen. Gott will nicht, dass wir ihn mit vollen Kirchen und frommen Sprüchen, aber leerem Herzen anbeten. Christ sein ist kein Teilzeitjob, bei dem wir mit ungenügender, halbherziger Umsetzung der Lehren Jesu aufwarten, und zwar dann, wenn wir Zeit haben. Christ sein ist keine doktrinäre Liebhaberei, bei der wir andere Menschen mit unserem Bibelwissen sozusagen übertrumpfen wollen, unsere Lebensausrichtung aber an den Aussagen der Bibel nicht orientieren. Mit solchen Dingen gibt sich Gott nicht zufrieden. Er war bereit, seinen Sohn für uns sterben zu lassen. Im Gegenzug verlangt er den ganzen Menschen, das totale Engagement. „Wandle vor mir, und zwar mit allem, was du bist“, lautete sinngemäß seine Aufforderung an Abraham (vgl. dazu 1. Mose 17,1).

Wer seine Beziehung zu Gott auf diese Weise gestaltet, wird einen Gott finden, der uns bei der Überwindung der Probleme und Prüfungen dieses Lebens nur zu gerne hilft: „Denn die Augen des Herrn überschauen die ganze Erde, damit er seine Macht zum Heil für die erweise, deren Herz ungeteilt auf ihn gerichtet ist“ (2. Chronik 16,9; Menge-Übersetzung, alle Hervorhebungen durch uns).

Die wahre Beziehung zu Gott ist eine liebevolle wechselseitige Beziehung zwischen einem Vater und seinen Kindern. Das Gebet ist dynamischer Bestandteil dieser Beziehung, bei der beide Seiten geben und nehmen. Beten ist kein Patentrezept, mit dessen Hilfe wir dieses oder jenes von Gott bekommen können, sondern ein Hilfsmittel, das uns dem Ziel, das Gott für uns vorgesehen hat, näherzubringen – das Erlangen des ewigen Lebens bzw. das Eintreten in das Reich Gottes als seine Familienangehörige in Ewigkeit.

Von vielen Christen übersehen, spiegelt sich diese Zielsetzung für unser Leben in dem Mustergebet wider, mit dem Jesus uns das Beten lehrt. Wenn wir verstehen, warum wir leben – warum sich Gott überhaupt mit uns befasst und uns Gehör schenkt –, dann wird uns auch klar werden, wie wir effektiver beten können. Die Frage „Warum scheint Gott im Funkloch zu sein?“ werden wir nicht zu stellen brauchen.

„Dein Reich komme“

Nach Jesu Mustergebet, das allgemein das Vaterunser genannt wird, sollen wir beten: „Dein Reich komme“ und „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“ (Matthäus 6,10). Das Reich Gottes scheint den meisten Menschen nicht sonderlich zu liegen. In der Tat wissen die meisten Christen gar nicht, dass das Reich Gottes das Thema war, über das Jesus mehr predigte als über irgendein anderes Thema.

Fragen Sie den durchschnittlichen Konfessionschristen unserer Zeit, was im Mittelpunkt der Botschaft Jesu stand. Wahrscheinlich lautet die Antwort „Liebe“. Ja, Jesus predigte über die Liebe, das stimmt. Er predigte aber häufiger über das Reich Gottes! Ist es denn wirklich eine große Überraschung, dass Gott solchen Christen, die nicht einmal wissen, welches Thema Jesus am wichtigsten war, beim Gebet manchmal wie in einem Funkloch vorkommt?

In Verbindung mit dem Reich Gottes erwähnte Jesus den Willen Gottes. Beides – das Reich Gottes und der Wille Gottes – sind miteinander verknüpft. Vom Willen Gottes haben jedoch viele Christen kaum eine Vorstellung, abgesehen von bestimmten frommen Sprüchen, etwa dass Gott „alle Sünder retten“ will. Solchen Christen können die nächsten Aspekte des Mustergebets viel interessanter sein, denn sie können sie auf sich selbst beziehen: „Unser tägliches Brot gib uns heute“ und „Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“. Das geht sie an, davon sind sie selbst betroffen, und so neigen sie dazu, den Willen Gottes schnell zu überfliegen bzw. zu überspringen.

Was also ist so wichtig am Reich Gottes? Worin besteht Gottes Wille? Und was haben sie konkret mit uns und unseren Problemen zu tun?

Beim Reich Gottes denken Jesu wahre Nachfolger wahrscheinlich vor allem an die Wiederkehr Jesu Christi und das Etablieren des Reiches Gottes auf Erden. Die Assoziation ist richtig, aber das Reich Gottes ist mehr als Gottes Herrschaftsordnung, die jetzt im Himmel regiert und bei Jesu Wiederkehr auf Erden regieren wird.

Das Reich Gottes ist auch eine Familie – die Familie Gottes. Gottes „Wille auf Erden“ besteht darin, dass jeder Mensch einmal ins Reich Gottes hineingeboren werden soll. Wir sollen Glieder der Gottfamilie werden – buchstäbliche, geistgeborene Kinder Gottes.

Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes

Kinder in seine Familie zu bringen – ihnen das ewige Leben zu schenken –, ist Gottes vorrangiges Ziel. Diese Zielsetzung beeinflusst seine Haltung uns gegenüber bei unseren Gebeten. Diesem geistlichen Ziel sind weltliche Überlegungen untergeordnet, wobei wir kein Missverständnis aufkommen lassen wollen: Unsere materiellen, leiblichen Bedürfnisse sind Gott keineswegs gleichgültig. Er weiß, dass wir Arbeitsplätze brauchen, Nahrung, Heilung von körperlichen Gebrechen usw. Er kennt unsere Sorgen sogar besser als wir selbst!

Wie brüchig unsere Existenz ist, weiß er nur zu gut. „Denn er weiß, was für ein Gebilde wir sind; er gedenkt daran, dass wir Staub sind“ (Psalm 103,14). Daher ist die Bitte um unser tägliches Brot ein wichtiger Bestandteil von Jesu Mustergebet. Wir sollen aber darauf achten, dass diese Bitte in der Reihenfolge hinter der Bitte um das Kommen vom Reich Gottes steht!

In diesem Sinne sagt uns Jesus: „Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft. Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen“ (Matthäus 6,31-33).

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein (vgl. Matthäus 4,4 und Lukas 4,4). Er soll sich deshalb nicht hauptsächlich um sein tägliches Brot sorgen. Wir sind nicht deshalb auf dieser Welt, um zu sehen, wie viele irdische Güter wir anhäufen können. Davor warnt uns Christus: „Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat“ (Lukas 12,15).

In unserer konsumfreudigen Gesellschaft von heute kann das ein schwer zu lernender und noch schwerer zu verwirklichender Grundsatz sein! Was kann die Folge sein? Wir stehen mit leeren Händen da. „Ihr bittet und empfangt nichts, weil ihr in übler Absicht bittet, nämlich damit ihr’s für eure Gelüste vergeuden könnt“ (Jakobus 4,3).

Trachtet nach seiner Gerechtigkeit

Nicht nur nach dem Reich Gottes, sondern auch nach seiner Gerechtigkeit sollen wir trachten. Gottes Gerechtigkeit drückt sich in seinen Gesetzen aus (Psalm 119,172). Diese wiederum sind zusammengefasst in den Zehn Geboten. Gott erließ sie, damit wir eine Richtschnur für unser Handeln haben. Diese Richtschnur zeigt uns eigentlich, wie Gottes Handlungsweise wäre, würde er in Menschengestalt erscheinen.

Dies ist ein wichtiger Hinweis auf einen Aspekt des göttlichen Willens, bei dem viele mit Gott in Gegensatz statt in Übereinstimmung stehen. Hier finden wir eine Ursache, warum Gott bei unserem Gebet im Funkloch zu sein scheint. Der Prophet Jesaja ermahnt uns: „Siehe, des Herrn Arm ist nicht zu kurz, dass er nicht helfen könnte, und seine Ohren sind nicht hart geworden, sodass er nicht hören könnte, sondern eure Verschuldungen scheiden euch von eurem Gott, und eure Sünden verbergen sein Angesicht vor euch, dass ihr nicht gehört werdet“ (Jesaja 59,1-2).

Die Barriere, die durch unsere Sünden entstanden ist und verhindert, dass Gott unsere Gebete erhört, wird durch unsere Inanspruchnahme des Opfers Jesu niedergerissen. Damit sie niedergerissen bleibt – damit Gott uns nicht wie in einem Funkloch vorkommt –, sollen wir nun dem Willen Gottes gemäß leben. Wie bereits gesagt, drückt sich dieser Wille durch das Gesetz aus. „Was wir bitten, werden wir von ihm empfangen; denn wir halten seine Gebote und tun, was vor ihm wohlgefällig ist“ (1. Johannes 3,22).

Natürlich dürfen wir nicht der legalistischen Sichtweise verfallen, man könne sich durch das Halten der Gesetze die Sündenvergebung oder das ewige Leben „verdienen“ bzw. es sich gewissermaßen erarbeiten. Das ist unmöglich, und darin liegt auch nicht der Sinn des Gesetzes. Gottes Gesetz soll uns als Orientierungshilfe dienen, damit wir wissen, wie Gott denkt und wie er, wäre er Mensch, handeln würde – wie Christus es tat, der fleischgewordene Gott hier auf Erden (1. Petrus 2,21-24). Jesus sagt uns: „Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist“ (Matthäus 5,48).

Durch sein Gesetz lernt man also Gott kennen und lieben. „Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht. Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, dass wir in ihm sind“ (1. Johannes 2,4-5).

Je größer unsere Gotterkenntnis und -liebe, desto wirksamer auch unser Gebet, denn dann zeigen wir Gott jenes Engagement, das er sucht. Außerdem verstehen wir besser, worum wir bitten dürfen und sollen. Dann können wir mit Johannes sagen: „Und das ist die Zuversicht, die wir haben zu Gott: Wenn wir um etwas bitten nach seinem Willen, so hört er uns. Und wenn wir wissen, dass er uns hört, worum wir auch bitten, so wissen wir, dass wir erhalten, was wir von ihm erbeten haben“ (1. Johannes 5,14-15).

Gott ist gebefreudig

Wie bereits erwähnt, haben viele Menschen eine einseitige Beziehung zu Gott. Sie selbst sind immer die Nehmenden, Gott immer der Gebende. Fußt unsere Gottbeziehung aber auf einem ganzheitlichen Engagement in Gottes Lebensweise – also darin, dass wir ihm nachleben, um seine Kinder zu werden, so ist es nur recht und billig, dass wir gegenüber Gott und unseren Mitmenschen ebenso freizügig sind, so wie Gott uns gerne beschenkt.

Dieser Gedanke ist sehr wichtig: Gott gibt uns in dem Maße, wie wir selbst geben. Der Gemeinde in Korinth gegenüber betont Paulus dieses Prinzip, das Schenken von Gott und das Weiterschenken an die Mitmenschen: „Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk [d. h. weitergeben könnt an andere] . . . So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Einfalt“ (2. Korinther 9,8. 11).

Geben ist ein entscheidender Prüfstein für echtes Christentum. Es scheidet die Schafe von den Böcken, die Heiligen von den Scheinheiligen. Es zeigt die Prioritäten eines Menschen. Es zeigt, wo unser „Herz“ ist: „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden . . . Sammelt euch aber Schätze im Himmel . . . Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz“ (Matthäus 6,19-21).

Es scheint eine Art Faustregel zu sein: Je mehr Schätze der Mensch hat, desto „erdverbundener“ verfährt er mit ihnen. Je reicher, desto weniger freigebig ist er – jedenfalls Gott gegenüber. „Und Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber und sah zu, wie das Volk Geld einlegte in den Gotteskasten. Und viele Reiche legten viel ein. Und es kam eine arme Witwe und legte zwei Scherflein ein; das macht zusammen einen Pfennig. Und er rief seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben. Denn sie haben alle etwas von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte“ (Markus 12,41-44).

An Jesu Beobachtung hat sich in den letzten 2000 Jahren nicht viel geändert. Witwen, Rentner und arme Leute zeigen sich, was die Gebefreudigkeit Gott gegenüber betrifft, oft viel großzügiger als die Bessergestellten. Sie steuern zur Finanzierung des Werkes Gottes einen beachtlichen Anteil bei. Arm an Geld mögen sie sein – aber nicht arm an Eifer für Gottes Werk!

In Bezug auf das Geben erinnert uns Paulus daran, dass Gott so mit uns umgeht, wie wir mit ihm und unseren Mitmenschen umgehen. „Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen. Ein jeder, wie er’s sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb“ (2. Korinther 9,6-7). Unsere wechselseitige Beziehung zu Gott soll auch die Bereitschaft zum Geben mit einschließen.

Warten auf das Handeln Gottes

Keine Abhandlung zum Thema Gebet wäre vollständig, ohne den Glauben zu erwähnen. Wenn der Christ an Glauben denkt, mag er das sprichwörtliche „Berge versetzen“ im Sinn haben. Spektakuläre Taten und machtvolle Wunder fallen ihm ein. Vielleicht sieht er solche Handlungen als Beweis für den „richtigen“ Glauben.

Vom Christen wird aber auch noch eine andere Art Glauben verlangt. Sie ist weniger dramatisch und heldenhaft – aber genauso notwendig. Es handelt sich nicht um einen Glauben, der sich demonstrativ zeigt, sondern um einen Glauben, der harrt bzw. auf das Handeln Gottes wartet. Glauben unter Beweis stellen kann manchmal bedeuten: Geduld und Beharrlichkeit zeigen.

Dies gilt ganz besonders in Sachen Gebet. Oftmals vertrauen wir Gott Probleme an, die nur er allein lösen kann. Dann kann es sein, dass er schnell hilft. Es kann aber auch sein, dass er wartet. Wenn Gott wartet, müssen wir mit ihm warten. Wir müssen glauben, dass Gott guten Grund für sein Warten hat. Wir müssen auf seine Liebe und Weisheit vertrauen, in der Gewissheit, dass er die Angelegenheit mit den besten Mitteln zum richtigen Zeitpunkt regeln wird.

Jesus selbst predigte Ausdauer beim Gebet. „Wie wichtig es ist, Gott unermüdlich um alles zu bitten, machte Jesus durch ein Gleichnis deutlich: In einer Stadt lebte ein Richter, dem Gott und die Menschen gleichgültig waren. Tag für Tag bestürmte ihn eine Witwe mit ihrer Not: Verhilf mir doch endlich zu meinem Recht! Immer wieder stieß sie bei ihm auf taube Ohren, aber schließlich sagte er sich: Mir sind zwar Gott und die Menschen gleichgültig, aber diese Frau lässt mir einfach keine Ruhe. Ich muss ihr zu ihrem Recht verhelfen, sonst wird sie am Ende noch handgreiflich. Und Jesus, der Herr, fügte hinzu: Ihr habt gehört, was dieser ungerechte Richter gesagt hat. Meint ihr, Gott wird seinen Auserwählten nicht zum Recht verhelfen, wenn sie ihn Tag und Nacht darum bitten? Wird er sie etwa lange warten lassen? Nein! Ich versichere euch: Er wird ihnen schnellstens helfen. Die Frage ist: Wird der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde überhaupt noch Menschen finden, die diesen Glauben haben?“ (Lukas 18,1-8; „Hoffnung für alle“-Übersetzung).

Wird Christus bei uns den wahren Glauben vorfinden? Wenn nur Gott ein bestimmtes Problem lösen kann, wenn nur er „Recht schaffen“ kann: Können wir dann beten, ohne müde zu werden, können wir uns in Geduld fassen und warten, bis er eingreift – auch bis zum Ende dieses Zeitalters, wenn es sein muss?

Auf Gott zu warten ist niemals leicht. „Wer aber beharret bis ans Ende, der wird selig werden“, sagt uns Jesus in Matthäus 24, Vers 13. Er sagt uns auch: „Seid standhaft und ihr werdet euer Leben gewinnen“ (Lukas 21,19). So hieß der Aufruf für Christen von Anfang an. Aus dem Zusammenhang der beiden Bibelstellen wird aber deutlich, dass diese Ermahnung Jesu ganz besonders für die Endzeit gilt, die Zeit unmittelbar vor seiner Wiederkehr.

Wir stellen uns das Wirken von Christen in der Endzeit vielleicht so vor, dass sie mit großen Glaubenstaten und Wundern die Welt erschüttern werden. Einige – beispielsweise die zwei Zeugen Gottes (Offenbarung 11) – werden das auch tun. Will Christus uns aber sagen, dass die Mehrheit der Christen – also auch Sie und ich – ihren Glauben nicht durch Heldentaten, sondern durch Ausharren unter Beweis stellen wird? Das bedeutet, dass wir unseren Glauben durch „unspektakuläre“ Treue zu Gott in Gebet und guten Werken zeigen werden.

Die Zukunft wird uns die Antwort zeigen. Auf jeden Fall ist der Glaube, der ausharrt, der durchhält und der niemals die Waffen streckt, eine der unentbehrlichsten Voraussetzungen für den Umgang mit Gott.

Die Krankheit der Pharisäer

Im Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner [wobei wir verstehen sollen, dass Zöllner damals verachtetet wurden] gab Christus ein Beispiel geistlicher Hoffart im Gebet.

„Er sagte aber zu einigen, die sich anmaßten, fromm zu sein, und verachteten die andern, dies Gleichnis: Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand für sich und betete so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme. Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig! Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden“ (Lukas 18,9-14).

Haben unsere Gespräche, Gedanken, Gebete damit auch nur entfernte Ähnlichkeit, so kann es sein, dass wir uns diese Krankheit der Pharisäer zugezogen haben.

Was wir dann brauchen, ist eine gute Dosis Demut, bei der unsere menschlichen Schwächen, verbunden mit Geduld und Nachsicht für die Unzulänglichkeiten anderer, bewusst werden. „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist“ (Lukas 6,36). Vergleichen wir uns nicht mit anderen, beurteilen wir andere nicht nach dem äußeren Schein.

„So spricht der Herr: Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel meiner Füße! Was ist denn das für ein Haus, das ihr mir bauen könntet, oder welches ist die Stätte, da ich ruhen sollte? Meine Hand hat alles gemacht, was da ist, spricht der Herr. Ich sehe aber auf den Elenden und auf den, der zerbrochenen Geistes ist und der erzittert vor meinem Wort“ (Jesaja 66,1-2).

In moderner Sprache ausgedrückt: Gott sieht auf den Demütigen, der ihm gebührende Ehrfurcht erweist. Demut gilt bei Gott sehr viel. Im Gegensatz dazu verurteilte Christus die geistliche Eitelkeit und Selbstgerechtigkeit der religiösen Führungsschicht seiner Zeit.

Leider, so scheint es, ist kein Christ vollständig immun gegen ein wenig Anmaßung, ein wenig Hochmut. Einer Kinderkrankheit gleich, gehört dies zu den Dingen, von denen die Berufenen im Laufe ihres Reifeprozesses angesteckt werden können – manche mehr, manche weniger. Für den, der die Krankheit nie wieder loswird, verläuft sie tödlich!

Solcher religiöse Hochmut fällt meistens allen auf, nur nicht dem, der sie hat. Glücklich der Christ, der in solcher Lage einen taktvollen, mutigen Freund besitzt, der ihn auf die „Ansteckung“ aufmerksam macht (mag er auch zuerst über die Zurechtweisung empört sein).

Praktische Vorschläge

Gott will, dass wir von Herzen beten – nichts auswendig Gelerntes oder aus einem Buch Vorgelesenes. „Schüttet euer Herz vor ihm aus“, schreibt König David in Psalm 62, Vers 9. Gott liegt nicht viel an einem Volk, das „sich mir immer nur mit seinem Munde naht und mich nur mit seinen Lippen ehrt, während es sein Herz fern von mir hält und ihre Furcht vor mir nur in angelernten [auswendig gelernten] Menschengeboten besteht“ (Jesaja 29,13; Menge-Übersetzung).

Die folgenden Vorschläge sollen eine praktische Anleitung sein, mit deren Hilfe wir klar und einfach mit Gott sprechen können.

Einfach und direkt beten. Christus selbst wandte sich scharf gegen das Phrasendreschen beim Gebet. „Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet“ (Matthäus 6,7-8).

Das „Vaterunser“, das dann folgt (Verse 9-13), ist – um ein verbreitetes Missverständnis auszuräumen – kein Gebet zum Nachbeten, sondern eher eine allgemeine Anleitung, ein Mustergebet, das Christus seinen Jüngern gab: ein Muster an Einfachheit, Bündigkeit, Kürze. Das heißt nicht unbedingt wörtlich „so“, sondern auf diese Art und Weise, über diese Probleme, sollen wir mit unserem Vater im Himmel sprechen.

Nicht zu viel „gib mir dies“ und „erfülle mir das“. Nicht nur „wie“, sondern auch „was“ man beten soll, wird in diesem Gebet Christi beispielhaft dargelegt. Manche tragen im Gebet nahezu ausschließlich eigene Wünsche vor: Gib mir dies, erfülle mir das. Christus zeigt aber, dass wir unseren Horizont bzw. den Inhalt unseres Gebets über uns selbst und die eigenen Bedürfnisse hinaus ausdehnen sollen.

Wir sollen lernen, Gott auch zu geben: Preis und Ehre, Anerkennung seiner Macht, seiner Güte, des Segens, den er uns zuteil werden lässt. Wir sollten um die Erfüllung seines Vorhabens bitten – um das Gelingen des Auftrags der Kirche, nämlich das Evangelium der Welt zu verkünden und Jünger zu machen (Matthäus 28,19-20).

Vergessen wir auch nicht die Bedürfnisse anderer. Unser täglich Brot, sagte Christus, das schließt den Mitmenschen ein, nicht nur das eigene Ich. Was wir aber vergeben und vergessen sollen, sind die Probleme und Schwierigkeiten, die uns unsere Mitmenschen machen, wie wir ja auch erwarten, dass Gott uns selbst vergibt.

Keine äußere Zurschaustellung. „Habt Acht auf eure Frömmigkeit, dass ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden; ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel . . . Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, damit sie von den Leuten gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten“ (Matthäus 6,1. 5-6).

Christus verurteilte damit nicht das öffentliche Beten schlechthin. Gegen Bitt- und Dankgebete bei bestimmten Anlässen, zum Beispiel beim Gottesdienst, ist gewiss nichts einzuwenden. Er verurteilte lediglich das scheinheilige Beten zum „Gesehenwerden“, die öffentliche Zurschaustellung von Frömmigkeit. Seien Sie kein „religiöser Exhibitionist“! Vorrangig sollte unser Gebet ein persönliches, privates Gespräch zwischen uns und Gott sein.

Gefühl nicht mit Glauben verwechseln. Manche rechnen als Erfolgsmaßstab beim Beten den Grad emotioneller Stärkung, den sie dabei erleben. Das heißt, wenn sie sich hinterher wohl fühlen, meinen sie, ihr Glaube sei stark genug gewesen und die Verbindung zu Gott sei zustande gekommen. Erreichen sie aber keinen gefühlsmäßigen Gipfel, betrachten sie das Gebet als fehlgeschlagen – Gott war eben wieder mal im Funkloch.

Aber: Glaube ist kein Gefühl! Man kann sich nicht nach Belieben „hineinsteigern“, wenn die Zeit zum Beten kommt. Glaube ist eine Gabe Gottes (Epheser 2,8), eine wichtige Voraussetzung zum Gespräch mit Gott, aber man kann ihn nicht an seinen Gefühlen messen. Das heißt natürlich nicht, dass man sich beim Beten nie freuen soll oder dass man jede Gefühlsregung ausschalten muss. Man soll zu Gott intensiv beten – das schließt die gefühlsmäßige Seite ein. Erlebt man Befriedigung, Freude, Enthusiasmus dabei, so ist das ganz in Ordnung. Trotzdem dürfen wir nicht Gefühl mit Glauben verwechseln.

Außerdem: Auch der Christ hat seine schlechten Tage. In den meisten Fällen wird man Erleichterung verspüren, wenn man sich die Dinge vom Herzen geredet hat. Manchmal aber wird man nicht gerade in bester Stimmung aufhören – besonders in Stress- und Notzeiten. Daraus darf man aber nicht schließen, dass das Gebet ungehört verhallt ist. Kein Hochgefühl, sondern Kommunikation, das Zustandebringen einer Verbindung soll man anstreben. Darin liegt der Lohn des Gebets.

Das Gebet zu einer festen Gewohnheit machen. Manchmal taucht die Frage auf: „Wie oft am Tag muss ich beten?“ Dazu gibt es kein ausdrückliches „So-spricht-der-Herr“-Gebot in der Bibel.

Allerdings kann sich die Frage an einem falschen Ziel orientieren und am wahren Sinn des Gebetes vorbeigehen. Man sollte eher fragen: Gibt es überhaupt eine Zeit, zu der wir als Christen nicht beten sollten?

„Mit Gott wandeln“, das schließt ein: das beständige Gespräch mit ihm. Es bedeutet, ihm so nahe sein zu wollen, dass man sich zu jeder Tages- und Nachtzeit, an jedem Ort, unter jedem Umstand, in jeder Lage an ihn wenden kann. Man kann ihm an Ort und Stelle für einen erwiesenen Segen danken, man kann in Notsituationen in ein paar Sekunden seine Hilfe anrufen, ohne das Knie zu beugen, ja ohne ein Wort zu sagen. Das meinte wohl Paulus mit seiner Aufforderung „Betet ohne Unterlass“ (1. Thessalonicher 5,17).

Hauptstütze unserer Beziehung zu Gott sollte aber eine andere Art Gebet sein. Man könnte es die „Arbeitssitzungen“ nennen: das private Gebet auf den Knien. Es ist das wichtigste, oft genug auch das produktivste Gebet. Gewöhnlich wird es den Hauptteil unseres Kontakts mit Gott bilden. Wie lange diese „Sitzungen“ währen und wie oft man sie abhält, wird unterschiedlich sein, je nachdem, wie viele Probleme und Fragen man mit Gott zu besprechen hat.

Beispiele, wie oft oder wie lange biblische Gestalten beteten, finden sich in der Schrift relativ selten. David flehte Gott in einer Zeit besonderer Not dreimal am Tage an (Psalm 55,18). Auch Daniel machte es sich zur Gewohnheit, dreimal täglich auf den Knien zu beten – besonders dann, als es verboten war (Daniel 6,11)! Der Prophet Samuel betete einmal bis tief in die Nacht hinein, als König Saul dem Befehl Gottes nicht Folge geleistet hatte. Christus betete eine ganze Nacht, bevor er seine zwölf Apostel auswählte (Lukas 6,12).

Unsere Empfehlung lautet: Machen Sie die „Arbeitssitzungen“ – Gebet auf den Knien – am besten gleich am Morgen zum selbstverständlichen Bestandteil Ihres Lebens. „Seid . . . beharrlich im Gebet“ (Römer 12,12; Menge-Übersetzung). Halten Sie den ganzen Tag die Verbindung zu Gott aufrecht, und sei es nur hier und da ein paar Sekunden oder Minuten. Leider betet man eher zu wenig als zu viel, dieses allzu menschlichen Hanges sollten Sie sich stets bewusst sein.

Zum Thema Gebet ließe sich natürlich noch weit mehr sagen. Doch wie beim Schwimmen- oder Malenlernen, macht auch beim Beten „Übung den Meister“. Man lernt die Anfangsgründe durch Erfahrung, durch Praxis. Machen Sie den Anfang, und denken Sie daran, dass auch hier, wie in allen geistlichen Dingen, „der Geist willig“ sein kann, „aber das Fleisch schwach“.

Zum Schluss komme ich nochmals auf das Funkloch zurück, in dem Gott nach der Erfahrung mancher Christen zu stecken scheint. Wenn wir meinen, keine rechte Verbindung zu Gott zu bekommen, so liegt die Störung auf Erden bei uns und nicht im Himmel bei Gott.

Hat Gott uns einmal berufen, hat er dadurch die Verbindung zu uns hergestellt, so bleibt sie von seiner Warte aus immer bestehen. Jemand „gerät“ in ein Funkloch, indem er sich bewegt. Wenn Gott fern zu sein scheint, wer hat sich da bewegt? Nicht er, sondern wir! Das Problem, warum Gebete nicht erhört werden, beginnt sich zu lösen, wenn man die Frage richtig stellt und sie nicht auf Gott, sondern auf sich selbst bezieht. Nicht „Warum erhört Gott mich nicht?“, sondern „Warum sollte er auf mich hören?“ Nun wollen wir wirklich beten!