In einem Beitrag für Die Zeit lehnte Altbundeskanzler Helmut Schmidt Mitte Dezember 2002 eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU ab. Eine EU-Mitgliedschaft, so Schmidt, „würde Freizügigkeit für alle türkischen Staatsbürger bedeuten“ und damit die Integration der in Deutschland lebenden Türken aussichtslos machen. In seinen weiteren Ausführungen meinte Schmidt, der EU-Beitritt der Türkei als muslimisches Land würde „die Tür öffnen für eine ähnlich plausible Vollmitgliedschaft anderer muslimischer Staaten in Afrika und in Nahost“.
Mit seinen klaren Worten zur Frage einer EU-Mitgliedschaft für die Türkei ist Helmut Schmidt der gleichen Überzeugung wie die bayerische CSU. Als erste im Bundestag vertretene Partei hatte sich die CSU auf ihrem Parteitag in München bereits klar gegen eine EU-Mitgliedschaft für die Türkei ausgesprochen. Das Land passe nicht zur Werte- und Kulturgemeinschaft der EU, meinte CSU-Chef Edmund Stoiber. Auch die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, Gast auf dem CSU-Parteitag, lehnte die Aufnahme der Türkei in die Europäische Union ab. Merkel meinte, man wolle und brauche gute Beziehungen zur Türkei, diese müssten aber „außerhalb der EU“ stattfinden.
Anscheinend will die Union diese Frage zu einem innenpolitischen Streitthema machen und damit „punkten“, wie Bundeskanzler Gerhard Schröder es während des Wahlkampfs mit dem Thema Irak getan hat. Damit stellt sich die Union in dieser Frage gegen die USA und die Bundesregierung. Die amerikanische Regierung dringt seit langem auf eine Aufnahme der Türkei in die EU und bedrängt die Bundesregierung, den Weg dafür zu ebnen.
Auch Valéry Giscard d'Estaing lehnt Türkei als EU-Mitglied ab
Die Absage der Unionsparteien an eine EU-Mitgliedschaft für die Türkei folgte nur eine Woche nach einer ähnlichen Ablehnung von dem ehemaligen französischen Präsident Valéry Giscard d'Estaing. In einem am 15. November veröffentlichten Interview mit der Tageszeitung „Le Monde“ sagte der französische Ex-Präsident, ein Beitritt der Türkei wäre „das Ende der Europäischen Union“.
Nach Giscard sei die Türkei „Europa nahe und ein wichtiges Land mit einer wahrhaften Elite, aber kein europäisches Land“. „Die türkische Hauptstadt liegt nicht in Europa, 95 Prozent der Bevölkerung lebt außerhalb Europas – es ist kein europäisches Land“, fügte Giscard hinzu. Die Türkei habe „eine andere Kultur, einen anderen Ansatz, eine andere Lebensart“.
Als EU-Mitglied wäre die Türkei bevölkerungsmäßig vor Deutschland und flächenmäßig vor Frankreich der größte Mitgliedstaat mit der größten Abgeordnetengruppe im Europa-Parlament, betonte Giscard. Sobald die EU in Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eintrete, werde auch Marokko eine entsprechende Anfrage stellen.
EU als „Club der Christen“?
Die klaren Worte der Unionsparteien scheinen geeignet zu sein, einen alten Vorwurf der Türkei gegen Deutschland wieder aufflammen zu lassen. Ende 1997 hatte der frühere türkische Ministerpräsident Mesut Yilmaz der Regierung von Helmut Kohl vorgeworfen, die EU in einen „Club der Christen“ umwandeln zu wollen. Anläßlich eines Besuchs in Washington hatte Yilmaz seinerzeit gesagt, Kohl habe erklärt, daß die EU auf christlichen Prinzipien gründe. Nach Yilmaz seien Kohls Worte auf die überwiegend islamische Türkei gemünzt gewesen.
Kann es sein, daß die kulturelle Kluft zwischen zwei großen Weltreligionen – Christentum und Islam – die Trennungslinie zwischen Europa und dem Mittleren Osten sein wird?
Der kommende Nord-Süd-Kampf um den Mittleren Osten
In der Antike träumten die Könige zweier großer Zivilisationen – Mesopotamien und Ägypten – von der Herrschaft über den ganzen Mittleren Osten. Die Verwirklichung ihres Traums führte unweigerlich zu Eroberungszügen, die das Heilige Land als enge Landbrücke zwischen Asien und Afrika in Mitleidenschaft zogen. Ob es babylonische, assyrische, persische Kaiser aus dem Norden oder ägyptische Pharaonen aus dem Süden waren, die Bedrohung für die Bewohner dieses kritischen Landstreifens war jahrhundertelang fast konstant.
Gegen 536 v. Chr., im dritten Jahr des persischen Kaisers Kyrus des Großen, überbrachte ein Engel dem jüdischen Propheten Daniel eine Vorhersage über die Zukunft der Region (Daniel 10,1. 14). Zu dieser Zeit war das von Kyrus geführte Persien die vorherrschende Macht im Nahen Osten.
Daniel wurde der Aufstieg von drei weiteren Herrschern Persiens vorausgesagt (Daniel 11,2). Danach sollte der Herrscher eines großen Reiches auf den Plan treten, dessen Reich in vier Teile aufgeteilt werden sollte (Verse 3-4). Ein Vergleich dieser Vorhersage mit einer weiteren Prophezeiung Daniels in Kapitel 8 ergibt, daß damit der Aufstieg von Alexander dem Großen gemeint war – 200 Jahre vor seiner Geburt! Tatsächlich wurde Alexanders Reich nach seinem Tode in vier Königreiche aufgeteilt, über die vier seiner Generäle herrschten. Von diesen Königreichen waren die zwei bedeutendsten in bezug auf die Prophezeiungen der Bibel: Ägypten im Süden unter Ptolemäus und Groß-Syrien im Norden unter Seleukus.
Die restliche Prophezeiung in Daniel 11 beschreibt Ereignisse bei den nachfolgenden Herrschern der Seleukiden und Ptolemäer. Diese Herrscher werden der „König des Nordens“ bzw. „König des Südens“ genannt. Zwischen ihnen lag das Heilige Land, das unter ihren militärischen Auseinandersetzungen zu leiden hatte. Am ausführlichsten wird die Herrschaft eines Herrschers der Seleukiden mit Namen Antiochus Epiphanes geschildert, der erst 350 Jahre nach der Niederschrift der Prophezeiung durch Daniel lebte!
Antiochus war ein „tyrannischer Unterdrücker, der alles dran setzte, die jüdische Religion vollständig zu zerstören“ (Gleason Archer, The Expositor's Bible Commentary, 1985, Band 7, Seite 136). Er erließ Gesetze, die die Todesstrafe für die Ausübung der jüdischen Religion vorsahen. Wie von Daniel vorhergesagt, entweihte er den Tempel, indem er darin ein großes Standbild des heidnischen Götzen Zeus aufstellte und das Blut von Schweinen auf dem Altar opferte (Daniel 11,31). Danach befaßt sich Daniels Prophezeiung mit der neutestamentlichen Ära. 65 v. Chr. besetzten die Römer Syrien, womit das römische Reich zum „König des Nordens“ wurde.
Verse 36-39 scheinen auf die frühen römischen Kaiser und ihren Göttlichkeitsanspruch hinzuweisen. Angefangen mit Konstantin dem Großen im 4. Jahrhundert n. Chr. bekannten sich römische Kaiser zu einer vorher unbekannten Religion und erweiterten die Macht des Vertreters dieser Religion in seinem hohen Amt. Die Ehrung dieser falschen Religion sollte sich bis in die Endzeit hinein fortsetzen.
Als nächstes lesen wir: „Und zur Zeit des Endes wird sich der König des Südens mit ihm messen ...“ (Vers 40, Hervorhebung durch uns). Wer sind aber die Mächte des Nordens und des Südens zu dieser Zeit? Der westliche Teil des römischen Reiches ist in Europa mehrfach wiederbelebt worden – von Justinian, Karl dem Großen, Otto dem Großen, Karl V., Napoleon und der Achse Hitler-Mussolini. Die Unterzeichner der Römischen Verträge, mit denen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1957 gegründet wurde, „erschufen bewußt das römische Reich wieder“, so der ehemalige NATO-Generalsekretär Henri Spaak.
Die heutige Europäische Union, die aus der EWG hervorgegangen ist, scheint den Weg für die letzte Wiederbelebung des römischen Reiches zu ebnen, die in den Prophezeiungen der Bibel vorausgesagt wurde. Diese letzte Wiederbelebung wird von einem Diktator angeführt werden, dessen Vorläufer Antiochus Epiphanes war.
Wie sieht es beim südlichen Herrscher aus? Obwohl der Ostteil des römischen Reiches, das byzantinische Reich, bis 1453 andauerte, wurde Ägypten durch die arabischen Eroberungsfeldzüge 639 bis 642 n. Chr. von dieser nördlichen Macht abgetrennt und der muslimischen Welt eingegliedert. So wurde der Kaliph des Islam zum König des Südens und herrschte später von Bagdad aus über ein riesiges Reich, das sich vom Südwesten Asiens bis nach Nordafrika erstreckte.
Mit Unterbrechungen setzte sich der Nord-Süd-Konflikt fort. 732 n. Chr. verhinderte der Großvater von Karl dem Großen die Vorherrschaft der Muslime in Europa. Vom 11. bis zum 13. Jahrhundert bemühte sich das römische Christentum um die Eroberung des Heiligen Landes von den Muslimen.
Ab etwa 1250 wurde Ägypten von Mamluk Sultanen regiert, bis die Osmanen es 1517 besetzten. 400 Jahre lang blieb es Teil des Osmanischen Reiches. Mit dem Versuch Napoleons, Ägypten, Palästina und Syrien den Türken abzuringen, zeigte sich der Nord-Süd-Konflikt wieder. (Die Briten unterstützten die Türken bei der erfolgreichen Abwehr Frankreichs.)
Mit dem Niedergang des Osmanischen Reiches 1917 wurde Ägypten zum britischen Protektorat und 20 Jahre später unabhängig. Im Zweiten Weltkrieg entflammte der Nord-Süd-Konflikt erneut, als die Achsenmächte in Nordafrika einmarschierten.
Nach dem Krieg wurde Ägypten zum Schlüsselmitglied der 1945 gegründeten Arabischen Liga. In einem ersten Versuch zur Vereinigung schlossen sich Ägypten und Syrien 1958 zur Vereinigten Arabischen Republik zusammen. Mit Jemen gründeten sie die Föderation der Vereinigten Arabischen Staaten. Nach einem Militärputsch 1961 verließ Syrien den Staatenbund mit Ägypten, und Jemen zog sich später ebenfalls zurück.
Dieser gescheiterte Versuch mag den Anfang einer in Psalm 83 prophezeiten arabischen Allianz darstellen. Der Vernichtung Israels verschworen, umfaßt sie diejenigen, „die in den Zelten von Edom [dazu gehören Palästinenser und einige der Türken] und Ismael [die Araber im allgemeinen] wohnen, Moab [Mitteljordanien] und die Hagariter [Araber im Norden], Gebal [eine Gebirgsregion Jordaniens], Ammon [die Umgebung von Amman, Jordanien] und Amalek [palästinensische Nachkommen Edoms], die Philister [der Gazastreifen] mit denen von Tyrus [Südlibanon] ...“ (Verse 5-7).
Der endgültige „König des Südens“ wird anscheinend der Führer einer muslimischen Allianz mehrerer arabischer Nationen sein. Bei der endzeitlichen Invasion des Heiligen Landes durch den König des Nordens werden Ägypten, Libyen und Äthiopien besetzt, aber „Edom, Moab und der Hauptteil der Ammoniter“ – alte Namen für das heutige Jordanien – entgehen der Besetzung (Verse 40-43).
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– "Unsere Meinung" vom 15. Dezember 2002