In der Bergpredigt sagte Jesus: „Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.“ Hat er später seine Meinung zur Gewalt geändert?
Von der Redaktion
Jesu Worte in Matthäus 11, Vers 12 haben manche Christen fragen lassen, ob Jesus in bestimmten Fällen die Anwendung von Gewalt gutheißt: „Von den Tagen Johannes des Täufers bis heute leidet das Himmelreich Gewalt, und die Gewalttätigen reißen es an sich“ (alle Hervorhebungen durch uns). Was meinte Jesus damit?
Könnte die Bedeutung seiner Worte durch das Drehbuch eines Actionfilms aus Hollywood illustriert werden? Zum Beispiel ein Spielfilm, der von der tollkühnen Befreiung von Geiseln handelt, die in einem Linienflugzeug, das über der amerikanischen Hauptstadt kreist, von Terroristen festgehalten werden. In einem solchem Film wird eine militärische Elite-Einheit mit dem scheinbar unmöglichen Auftrag betraut, die unschuldigen Passagiere im Flugzeug zu befreien und das Leben von Tausenden auf der Erde zu retten. Der Held solcher Filme ist meistens ein gut trainierter Mensch, ein Mann der puren Kraft. Ist das ein gutes Beispiel für die Bedeutung der Worte Christi?
Oder können wir die Bedeutung seiner Worte an einem Beispiel aus dem echten Leben finden? In der Nacht zum 18. Oktober 1977 befreite die Antiterroreinheit der deutschen Bundespolizei „GSG 9“ die Geiseln der von palästinensischen Terroristen entführten Lufthansa-Maschine „Landshut“ in Mogadischu. Die Erstürmung von Flugzeugen gilt als das schwierigste der möglichen Einsatzszenarien von Elitesoldaten, doch beim Einsatz der „GSG 9“ in Somalia konnten alle Geiseln befreit werden.
Die „GSG 9“ verfügt heute über ca. 240 aktive Einsatzkräfte mit verschiedenen Spezialisierungen, unter anderem Fallschirmspringer, Präzisionsschützen und Taucher. Wenn ihr Einsatz es erfordert, sind sie Männer der Gewalt bzw. der Kraft.
Veranschaulichen diese Bilder die Bedeutung der rätselhaften Aussage Christi über die Männer und Frauen des Himmelreichs? Wenn dies der Fall wäre, dann könnten wir vielleicht ein Loblied auf die Jünger Christi anstimmen, in deren Weg sich niemand zu stellen wagt! Vielleicht kennen Sie die an Lästerung grenzende Umschreibung von Psalm 23, Vers 4: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn ich bin der gemeinste Kerl im ganzen Tal!“
In 2. Könige 1 lesen wir einen Bericht über einen Vorfall mit König Ahasja und Elia. Es ist eine Gegenüberstellung der Machtvorstellungen eines typischen menschlichen Herrschers und der Gewalt, mit der das Himmelreich eingenommen wird (Verse 2 und 7-15). Elia ruft echtes Feuer vom Himmel herunter. Meinen Sie, dass diese phänomenale Kraft die Art Gewalt ist, mit der das Himmelreich eingenommen wird?
Ob Sie es glauben oder nicht, die beste Veranschaulichung der gewaltsamen Einnahme des Himmelreiches in diesem Bericht ist der Hauptmann mit der dritten Abordnung von Soldaten – der Hauptmann, der seine Knie vor Elia beugte und ihn anflehte.
Jesu Jünger meinten, dass die tollkühne, eindrucksvolle Tat des Elia – Feuer vom Himmel herunterzuholen, um diejenigen zu vernichten, die Gott ablehnten – ein Muster für ihr Verhalten sein sollte (Lukas 9,51-54). „Jesus aber wandte sich um und wies sie zurecht. Wisst ihr nicht, welches Geistes Kinder ihr seid? Der Menschensohn ist nicht gekommen, das Leben der Menschen zu vernichten, sondern zu erhalten“ (Verse 55-56).
Für die Jünger muss Jesu Antwort ein wenig verwirrend gewesen sein. Schließlich hatte Jesus selbst bei einer anderen Gelegenheit Johannes den Täufer, das Himmelreich und Elia im Zusammenhang mit Gewalt erwähnt: „Wahrlich, ich sage euch: Unter allen, die von einer Frau geboren sind, ist keiner aufgetreten, der größer ist als Johannes der Täufer; der aber der Kleinste ist im Himmelreich, ist größer als er. Aber von den Tagen Johannes des Täufers bis heute leidet das Himmelreich Gewalt, und die Gewalttätigen reißen es an sich. Denn alle Propheten und das Gesetz haben geweissagt bis hin zu Johannes; und wenn ihr’s annehmen wollt: er ist Elia, der da kommen soll“ (Matthäus 11,12-14).
Eine nähere Untersuchung von Matthäus 11, Vers 12
Wie sollen wir Jesu Worte in Matthäus 11, Vers 12 verstehen? Eine nähere Untersuchung der Bibelstelle ist der Ausgangspunkt zum richtigen Verständnis.
In der Fußnote zu diesem Vers in der Life Application Bible heißt es: „Es gibt drei gewöhnliche Sichtweisen zu der Bedeutung dieses Verses: 1. Jesus mag eine große Bewegung auf Gott hin gemeint haben, die mit dem Predigen des Johannes begonnen hatte; 2. er mag die Erwartung der jüdischen Aktivisten gemeint haben, wonach Gottes Reich durch eine gewaltsame Niederwerfung Roms eingeführt würde; 3. oder er mag gemeint haben, dass das Eintreten in Gottes Reich Mut, unerschütterlichen Glauben, Zielstrebigkeit und Ausdauer aufgrund des zunehmenden Widerstandes, der gegen Jesu Nachfolger gerichtet wurde, erforderte.“
Wie benutzen Menschen die Gewalt, um sich durchzusetzen? Die offensichtliche Weise ist der Einsatz großer Schlagkraft! Wir haben jedoch bereits in Lukas 9, Verse 55-56 Jesu klare Warnung gelesen, dass er einen solchen Einsatz von Gewalt durch Christen nicht erwartet.
Durch Geld, Einfluss und Worte setzen sich die Menschen auch durch. Obwohl sich die Menschen von solchen „Gewalten“ beeinflussen lassen, ist es bei Gott anders. Daher wird sein Reich durch solche Mittel nicht „eingenommen“, ganz gleich wie typisch, natürlich oder gewöhnlich sie sind.
Wie bewegt man Gott? Menschen meinen, dass sie aufgrund der Höhe des Betrags, den sie spenden, Einfluss haben. In der Bergpredigt sprach Jesus dieses Thema an: „Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, damit dein Almosen verborgen bleibe; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten“ (Matthäus 6,1-2).
Im Gegensatz dazu ist die „Gewalt“, die Gott bewegt, das Herz oder die Gesinnung des Spenders. In ähnlicher Weise mögen wir andere durch unser sichtbares Verhalten oder unsere Worte zu beeinflussen versuchen. Im Gegensatz dazu wird Gott durch das unsichtbare Verhalten beeinflusst. Das innere Verhalten ist ihm wichtig, also durch die Bedeutung der Worte und nicht durch die Vielzahl der Worte oder eine eindrucksvolle Vortragsweise.
Ein „königliches“ Verhalten
In 2. Könige 1, Verse 3-4 wird Gottes Herrschaft betont. König Ahasja starb, weil er Gottes Herrschaft nicht anerkannte: „Aber der Engel des Herrn redete mit Elia, dem Tischbiter: Auf und geh den Boten des Königs von Samaria entgegen und sprich zu ihnen: Ist denn nun kein Gott in Israel, dass ihr hingeht, zu befragen Baal-Sebub, den Gott von Ekron? Darum spricht der Herr: Du sollst nicht mehr von dem Bett herunterkommen, auf das du dich gelegt hast, sondern sollst des Todes sterben. Und Elia ging.“
Gottes Herrschaft ist eine grundlegende Wahrheit des Christentums, die von denen verstanden wird, die das Himmelreich durch Gewalt an sich zu reißen wissen. Indem sie Gott als Herrscher betrachten, sehen Christen sich selbst nicht als Könige. Sie sind Menschen, die in Demut um das bitten, was sie brauchen. Sie erkennen ihre eigene Verwundbarkeit und sind in akuter Weise bereit, für die Fehler anderer Menschen Verständnis zu haben.
Könige verhalten sich, wie es Ahasja in dem Bericht von 2. Könige 1 tat. Sie senden ihre Armeen aus, um Streit gewaltsam zu beenden. Auf der anderen Seite sind Christen keine Männer und Frauen des Streites. Sie schätzen und suchen Wege, um Streit zu meiden oder davor zu fliehen, wenn er sich in ihren Weg stellt. Wie können sie denn „gewaltsam“ sein und das Himmelreich mit Gewalt an sich reißen?
Das Beispiel der Gemeinde zu Korinth sagt viel aus. In der dortigen Gemeinde verhielten sich manche Christen wie Könige: „Dies aber, liebe Brüder, habe ich im Blick auf mich selbst und Apollos gesagt um euretwillen, damit ihr an uns lernt, was das heißt: Nicht über das hinaus, was geschrieben steht!, damit sich keiner für den einen gegen den andern aufblase“ (1. Korinther 4,6). In welcher Weise verhielten sie sich wie Könige? Einige waren arrogant und hielten sich für sehr weise, allmächtig und etwas Besonderes. Sie forderten sich gegenseitig ohne Hemmungen heraus und verklagten sich sogar vor weltlichen Gerichten (1. Korinther 6,1).
Das Wort eines menschlichen Königs kann nicht herausgefordert werden. In seinem eigenen Reich sieht er sich im Recht, ganz gleich, wie die Situation ist. Aber was passiert, wenn sich viele Menschen wie Könige verhalten? Kinder spielen ein Spiel, das man „König des Hügels“ nennt, bei dem das stärkste Kind alle Herausforderer von der Spitze des Hügels wegschubst. Dieses Spiel veranschaulicht das Resultat unter Menschen jeden Alters, wenn sich alle wie Könige verhalten.
Im Gegensatz zu ihrer Einstellung erklärte Paulus den Korinthern, dass er sich, obwohl er etwas Autorität besaß, nicht wie ein Herrscher verhielt. „Was wollt ihr? Soll ich mit dem Stock zu euch kommen oder mit Liebe und sanftmütigem Geist?“ (1. Korinther 4,21). Er appellierte an sie, seinem Beispiel zu folgen. Es ist nicht immer einfach zu verstehen, dass etwas Autorität nicht gleichbedeutend ist mit aller Autorität.
Nur Gott ist der Herrscher
Im Epheserbrief behandelt Paulus zwei gewöhnliche Fälle von Autorität im Leben – Eltern und Arbeitgeber. Wenn wir diese Verse lesen, lernen wir, dass Christen den Unterschied zwischen etwas und aller Autorität wissen müssen. Außerdem lernen wir, dass es ein natürliches Fehlverhalten ist, sich in der Rolle eines Königs zu wähnen.
Über Väter schrieb Paulus: „Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern erzieht sie in der Zucht und Ermahnung des Herrn“ (Epheser 6,4). In Vers 9 ermahnt er die Arbeitgeber: „Ihr Herren, . . . lasst das Drohen; denn ihr wisst, dass euer und ihr Herr im Himmel ist, und bei ihm gilt kein Ansehen der Person.“
Um mit den Menschen, denen man vorsteht, richtig auszukommen, ihnen zuzuhören und Vorschläge von ihnen anzunehmen, ist Demut erforderlich, die eine geistliche Kraft ist. Dieselbe Demut ist erforderlich, um zu erkennen, dass etwas Autorität zu haben kein Freipass ist, sich so zu verhalten, als hätte man alle Autorität.
Jesus warnte seine Jünger vor der gewöhnlichen Haltung weltlicher Herrscher, die mittels Gewalt ihre Position verteidigen, anstatt ihren Untertanen zu dienen: „Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht, so wie der Menschensohn nicht gekommen ist, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele“ (Matthäus 20,25-28).
Die geistliche Kraft, die solchen Methoden des Sich-Durchsetzens zuwiderläuft, äußert sich in Demut und Dienstbereitschaft. So sollten sich christliche
Älteste und Christen im Allgemeinen verhalten: „Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund; nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder der Herde“ (1. Petrus 5,2-3).
Nur Gott ist der wahre Herrscher. Wenn wir uns wie ein König verhalten, machen wir uns unbewusst zum Herrscher an Gottes statt.
Wie können wir wissen, ob wir menschliche Gewalt oder die Gewalt, die Jesus als notwendig für die Einnahme des Himmelreiches beschrieb, anwenden? Christliche Eltern und christliche Arbeitgeber sind Menschen der Mitmenschlichkeit und der Prinzipien. Gleichzeitig sollen sie keine streitsüchtigen Menschen sein.
In gleicher Weise sollen christliche Jugendliche und christliche Arbeitnehmer Menschen der Mitmenschlichkeit und der Prinzipien sein. Gleichzeitig sind auch sie keine Menschen des Streites. Um mit denen, denen man unterstellt ist, richtig auszukommen, ist Demut erforderlich. Wenn Sie sie herausfordern, wie ein König einen anderen herausfordert, wenden Sie menschliche Gewalt an im Gegensatz zu der Gewalt, mit der man das Himmelreich an sich reißt.
Eine andere Gewalt
Im Alten Testament lesen wir die Geschichte von Naaman, einem mächtigen Mann, der meinte, er könnte das Himmelreich in gewaltsamer Weise an sich reißen, indem er Gottes Heilung für seine Lepra-Krankheit auf kraftvolle Weise erlangte. Stattdessen musste er seinen Zorn loswerden, den Rat seiner Diener annehmen und mit dem Propheten Gottes bereitwillig zusammenarbeiten, um den Willen Gottes zu suchen: „Wenn dir der Prophet etwas Großes geboten hätte, hättest du es nicht getan? Wie viel mehr, wenn er zu dir sagt: Wasche dich, so wirst du rein! Da stieg er [Naaman] ab und tauchte unter im Jordan siebenmal, wie der Mann Gottes geboten hatte. Und sein Fleisch wurde wieder heil wie das Fleisch eines jungen Knaben und er wurde rein“ (2. Könige 5,13-14). Er musste Gott als Herrscher anerkennen und lernen, dass er sich als menschlicher Feldherr nicht so verhalten sollte, als wäre er allmächtig.
Er war wie der Hauptmann der dritten Abordnung von Soldaten in 2. Könige 1, Vers 13: „Als der [Hauptmann] zu ihm [Elia] hinaufkam, beugte er seine Knie vor Elia und flehte ihn an und sprach zu ihm: Du Mann Gottes, lass mein Leben und das Leben deiner Knechte, dieser fünfzig, vor dir etwas gelten!“ Man kann ein großer menschlicher Führer sein und immer noch „bitte“ sagen. Ja, er war immer noch Hauptmann, aber er riss das Himmelreich an sich – oder in diesem Fall den Propheten Elia – mit einer Gewalt, die ganz anders war als die des Namens und der Autorität des Königs.
Seit den Tagen von Johannes dem Täufer ist das Himmelreich auf dem Vormarsch, und Männer und Frauen der Gewalt reißen es an sich. Sie reißen es an sich durch eine geistliche Kraft, die eine Kombination von Mitmenschlichkeit, Prinzipien und Demut ist. Gehören Sie zu den „Gewalttätigen“, die ins Reich Gottes eingehen werden?