Wie können wir zerbrochene Beziehungen heilen und den Schmerz überwinden? Wie können wir lernen, Vergebung zu praktizieren?
Von der Redaktion
Viele von uns haben das schon einmal erlebt: Ablehnung gegenüber denen, die uns verletzt bzw. Leid zugefügt haben, und die Versuchung, sie zu beschuldigen und zu verurteilen. Wir alle kennen diese Gefühle und haben ihnen nachgegeben: Wir haben die Liebe zur Seite geschoben und sind diesen Gedanken und Emotionen, die uns gefangen hielten, nachgegangen.
Wenn wir schwer beleidigt werden – ja, wenn wir zu unrecht beschuldigt werden –, ist der erste Gedanke oft zurückzuschlagen bzw. Rache zu üben. Erinnern wir uns in diesem Augenblick an Jesu Mahnung? Er sagt uns nämlich: „Ihr habt gehört, daß gesagt ist: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich aber sage euch ... wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar“ (Matthäus 5,38-39).
Jesu Anweisung geht noch weiter: „Ihr habt gehört, daß gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel“ (Verse 43-45; alle Hervorhebungen durch uns). Wie können wir die Worte Jesu, die uns nicht immer gefallen, in die Tat umsetzen? Jeder Heilungsprozeß beginnt damit, daß man anfängt, die Worte Jesu Christi auszuführen.
„Und wenn ihr steht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemanden habt“ (Markus 11,25). Die Meßlatte könnte nicht höher sein. Jesus ging so weit, zu sagen, daß wir anderen vergeben müssen, „damit auch euer Vater im Himmel euch vergebe eure Übertretungen“. Er fügt hinzu: „Wenn ihr aber nicht vergebt, so wird euer Vater, der im Himmel ist, eure Übertretungen auch nicht vergeben“ (Verse 25-26).
Wie oft haben wir ganz frustriert diese Schriftstellen gelesen und darüber gerätselt? Trotzdem müssen wir Vergebung als einen großen allumfassenden Segen betrachten, der uns von Schuld befreien und unsere Wunden heilen kann. Die Vergebung ist nicht nur Jesu Forderung an uns, sondern auch eine Bedingung dafür, daß Gott unsere eigenen Sünden vergibt. Vergebung ist ein Schlüssel, der die Tür zum Abbau der Ablehnung und des Hasses aufschließt. Sie bricht die Kette der Bitterkeit und des Egoismus.
Zu diesem Thema hält die Geschichte für uns ein Beispiel aus der Zeit, als George Washington Oberbefehlshaber der amerikanischen Kolonialstreitkräfte war, bereit. Der Prediger Peter Miller wurde von seinen Gemeindemitgliedern sehr geliebt, bis auf einen Mann, der alle Religion verhöhnte und der Kirche in allen Dingen widersprach. Dieser Mann wurde wegen Verrats des Vaterlandes verhaftet und zum Tode verurteilt.
Peter Miller ging 60 Meilen zu Fuß, um bei General Washington Fürbitte für den Verurteilten einzulegen. Der General schüttelte bedauernd seinen Kopf. „Es tut mir sehr leid. Doch ich kann Ihrer Bitte, Ihren Freund zu verschonen, nicht stattgeben“, sagte er. Pastor Miller erklärte leise: „Mein Freund? Er ist mein schlimmster Feind!“
Völlig erstaunt antwortete Washington. „Was? Sie sind den ganzen Weg gegangen, um einen Feind zu retten? Wie könnte ich dann etwas anderes tun, als ihn zu begnadigen!“
Reaktion auf ungerechte Behandlung
Es ist sehr leicht, nur auf Gefühle, Gedanken und den zerstörerischen Einfluß Satans zu reagieren. Der Teufel möchte, daß wir uns entfremden und untereinander verfeindet sind.
Wir reagieren auf unterschiedliche Weise auf eine falsche Behandlung. Manchmal wollen wir uns der Situation nicht stellen und ignorieren die Verletzung, die man uns angetan hat. Indem wir flüchten, überzeugen wir uns, daß wir vergeben haben. Aber dann fragen wir uns, warum der Schmerz nicht weggeht. Eine wahre Vergebung hat in Wirklichkeit nie stattgefunden.
Manchmal weigern wir uns aus Stolz, jemandem zu vergeben. Haben Sie je gemeint, daß die Untat, die man ihnen angetan hat, einfach zu groß war, um vergeben werden zu können? Wir sagen zu uns selbst, daß wir ja vergeben würden. Doch zuerst muß die andere Person eine Lektion lernen. Oder vielleicht sind wir zu sehr verletzt, um vergeben zu können. Wenn wir uns so fühlen, steht uns unser eigener törichter Stolz im Wege.
Gottes Wort erlaubt dies aber nicht: „Vergeltet niemand Böses mit Bösem“, schrieb der Apostel Paulus. „Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. Ist's möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben: Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr. Vielmehr, wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln. Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem“ (Römer 12,17-21).
Schauen wir uns das Beispiel an, wo Paulus einem Gemeindemitglied, der zu einem früheren Zeitpunkt aufgrund seiner Sünden von der Gemeinde ausgeschlossen worden war, vergibt und die Gemeinde ermahnt, ihm auch zu vergeben: „Es ist aber genug, daß derselbe von den meisten gestraft ist,“ schrieb Paulus. „so daß ihr nun ihm desto mehr vergeben und ihn trösten sollt, damit er nicht in allzu große Traurigkeit versinkt. Darum ermahne ich euch, daß ihr ihm Liebe erweist“ (2. Korinther 2,6-8).
Wir sollten versuchen, uns eine vergebende Einstellung zu erhalten. Der stille Frieden, der mit ihr eingeht, ist viel besser als der schwächende Ärger und Haß.
Schritte zur Vergebung
Aus dem Herzen und vom Verstand her, in Wort und Tat sollten wir sagen können: „Ich vergebe jedem, der mich verletzt hat oder der mir Unrecht getan hat.“ Wir sollten vergeben und dann die Taten der anderen sofort vergessen –und uns nur an die Lektion erinnern, die wir daraus lernen können. Wir dürfen nicht vergessen, warum Christus sein Blut vergossen hat, nämlich „zur Vergebung der Sünden“ (Matthäus 26,28), denn „ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung“ (Hebräer 9,22).
Unser Gewissen, Verstand und Herz können sich ändern. Das Blut Christi kann unseren Verstand wirklich von toten Werken reinigen (Hebräer 9,14). Manchmal müssen wir vielleicht Gott um Hilfe bei dem Entschluß bitten, anderen zu vergeben.
Genauso wie Glaube ohne Werke tot ist (Jakobus 2,26), sind auch halbherzige Versuche, die nur eine oberflächliche Vergebung zur Folge haben, tot. Solche Versuche sind zum Scheitern verurteilt. So wird man sich nicht aus der Gefangenschaft der Schuld befreien können. Der Heilungsprozeß kann nicht einsetzen, bevor man nicht bereit ist, vollständig zu vergeben.
Gott gibt uns Vergebung als Weg des Entkommens. Er steht uns zur Verfügung, wenn wir ihn wählen und danach handeln. Wir können uns aber auch dafür entscheiden, in unseren Gefühlen gefangen zu bleiben. Bitten wir Gott manchmal um Trost und Heilung, während wir gleichzeitig die Mittel ablehnen, die er uns gibt, um die Heilung zu erlangen? Vergessen wir ab und zu, daß emotionale und geistige Heilung eine aktive Vergebung erfordert, Glaube mit Werken?
Früchte der Vergebung
Eines sollten wir aber nicht falsch verstehen. Vergeben bedeutet nicht, etwas Falsches gut zu heißen. Es bedeutet auch nicht, daß der Täter ungeschoren davon kommen wird. Vergebung erfordert ein Verständnis für die Gründe der Tat und eine Bereitschaft, dem Schuldigen zu helfen.
Es kann damit anfangen, daß Sie sich selbst sagen: „Ich vergebe.“ Vielleicht sprechen Sie auch den Namen der Person aus. Vielleicht denken Sie sich den Namen zuerst und sprechen ihn dann laut aus. Dann sagen Sie es zu Gott. Danach, wenn es eine passende Gelegenheit gibt, sagen Sie es der Person, die Ihnen Unrecht getan hat.
Während wir darin wachsen, Vergebung zu üben, werden wir von der Schuld und dem Schmerz befreit, der tief in uns sitzt. Sobald wir anfangen, zu vergeben, beginnt der Heilungsprozeß. Die Heilung hängt nicht davon ab, ob der Täter bereut oder sagt, daß es ihm leid täte. Heilung beginnt mit „Ich vergebe dir“.
Wir schütteln nicht nur unsere eigene Trauer und unser Leiden ab, sondern uns wird Vergebung für unsere Sünden garantiert, wann immer wir bereuen. Wenn wir Gott um Vergebung bitten, sollten wir akzeptieren, daß seine Vergebung uns von der Schuld und Qual befreit, die die Sünde verursacht hat.
„Wenn wir aber unsre Sünden bekennen“, schreibt Johannes, „so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit“ (1. Johannes 1,9). Diese Vergebung ist vollständig. Gott sagt durch König David: „Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, läßt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten. So fern der Morgen ist vom Abend, läßt er unsre Übertretungen von uns sein. Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten“ (Psalm 103,11-13).
Jesu Versprechen, daß Gott uns vergeben wird, wenn wir anderen vergeben, sollte uns ermutigen. Christus versichert uns: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt“ (Markus 9,23). Wir sollten nach diesem Versprechen handeln und die Kraft der Vergebung umsetzen.
Jesu Gebet lehrt Vergebung
Erinnern wir uns an die Bedeutung der Vergebung, wie sie uns im Mustergebet Jesu gezeigt wurde. „Unser Vater im Himmel! ... Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“ (Matthäus 6,9-12). Vergeben bedeutet hier buchstäblich „wegschicken“ (Vine’s Complete Expository Dictionary of Old and New Testament Words, 1985, Stichwort „Forgive“).
„Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben“ (Verse 14-15).
In der Praxis ist es leichter, jemandem zu verzeihen, wenn man nicht ständig darüber nachdenkt, was diese Person gemacht hat. Fangen Sie sich selbst, bevor Sie anfangen, in die Probleme zu versinken, die durch Bitterkeit, ein hartes Herz oder Stolz verursacht werden. Wenn Sie nicht vergeben und vergessen können, können Sie sehr verbittert und einsam werden. Bitten Sie Gott auch darum, der anderen Person ihre Sünden zu vergeben und ihn oder sie zu segnen und mit Gnade und Geduld zur Reue zu führen.
Wir sollten nicht vergessen, daß Jesus Christus viel größere Ungerechtigkeit erlitten hat als wir es je erleben werden. Obwohl er von seinen Feinden und Freunden sehr verletzt wurde, hat er sich nicht um seine eigenen Gefühle gekümmert. Er ließ es nie zu, daß ihn Stolz und Selbstmitleid überfielen. Seine Sorge richtete sich auf andere. Er wollte sie vor ihren eigenen Fehlern und Sünden retten. Er hat nie aufgehört, die zu lieben, die ihn schäbig behandelt haben. Bei allem, was er erduldete, wartete er geduldig auf Gottes Versöhnung mit der Menschheit. Er erwartet das gleiche von uns.
Täglich vergeben
Jeden Tag sollten wir uns darin üben, jeglicher Versuchung, unversöhnlich zu sein, zu widerstehen, damit wir zu einem Sieger Gottes geformt werden können. Wir sollten den Wunsch haben, ein Sieger sein zu wollen, nicht damit wir einen irdischen Titel oder Lohn bekommen, sondern damit wir einen ewigen Preis gewinnen.
Sind Sie bereit, jeden Tag aus ganzem Herzen zu vergeben, auch „sieben mal siebenzig“ (Matthäus 18,22)? Gott ist immer bereit, zu vergeben: „Denn du, Herr, bist gut und zum Vergeben bereit“ (Psalm 86,5; Elberfelder Bibel).
Manchmal ist es schwierig zu vergeben. Verletzungen können sehr weh tun. Und was ist, wenn es dem Täter nicht leid tut? Aber mit Christus in uns (Galater 2,20) und Gott mit uns können wir vergeben. Erinnern wir uns daran, daß Christus für uns gestorben ist, „als wir noch Sünder waren“ (Römer 5,8).
Wenn wir uns täglich in der Vergebung üben, wird es für uns zur Gewohnheit. Es befreit uns aus der Gefangenschaft unserer Verletzungen und verherrlicht Gott. Als Jesus Christus gekreuzigt wurde, war eine seiner letzten Handlungen, Liebe und Gnade gegenüber anderen auszudrücken: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lukas 23,34).
Jesus vergab seinen reuelosen Peinigern und Mördern. Damit setzte er ein perfektes Beispiel der Vergebung. Wir, die wir gesündigt haben, müssen den Menschen, die uns Unrecht tun, vergeben. Wenn wir verzeihen und wenn wir unsere Sünden bereuen, garantiert uns Gott vollständige Vergebung. Das Blut Christi bezahlt für unsere Sünden. Die Heilung unserer Qual, Trauer und Schuld wird folgen. Die Freiheit von der Gefangenschaft ist uns sicher.
Mit Gottes bereitwilliger Hilfe, können Sie vergeben: „Vergebt, so wird euch vergeben!“