Im Laufe ihrer ganzen Geschichte hat die Menschheit nie eine solche Flut von Veränderungen erlebt wie heute. Nichts scheint mehr stabil und von Dauer.
Von Paul Kieffer
Der Tod und die Steuern sollen das einzige Sichere im Leben sein, so der amerikanische Staatsmann und Wissenschaftlicher Benjamin Franklin. Demnach ist alles andere unsicher und unterliegt der Veränderung. Benjamin Franklins Liste war also zu kurz: Die Veränderung gehört auch zu den sicheren Dingen im Leben.
Das Wort Veränderung hat für die Menschen unterschiedliche Bedeutung. Für manche bedeutet es Ansporn, Begeisterung, neue Aufgaben, Fortschritt. Für andere verbindet sich damit die Vorstellung von Unsicherheit, Bedrohung, Desorientierung und Angst. Wieder andere scheinen davon völlig unberührt zu bleiben.
Unsere Welt verändert sich ständig. Allein seit dem Zweiten Weltkrieg haben wir mehrere bedeutende „Epochen“ erlebt. In seinem Buch Der Zukunftsschock stellte der amerikanische Futurologe Alvin Toffler fest: „Ohne Wandel würde die Zeit stillstehen.“
Wir leben heute nicht mehr in der Zeit, über die der Wissenschaftler und Schriftsteller C. P. Snow schrieb: „Bis zu diesem Jahrhundert vollzogen sich soziale Veränderungen so langsam, dass sie in einem Lebensalter überhaupt nicht bemerkt wurden.“ Im Gegensatz dazu brechen Veränderungen über uns herein gleich einer Flutwelle, die bereits eine Art neue Erkrankung ausgelöst hat, nämlich den Zukunftsschock.
In unserem Raumfahrtzeitalter ist die Veränderung zum wichtigen Bestandteil der menschlichen Erfahrung geworden. Experten haben ihre Mühe damit, ihr Wissen stets auf dem neuesten Stand zu halten – selbst auf ihrem speziellen Fachgebiet.
Veränderung bringt freilich auch Ungewissheit mit sich. Staatsmänner, Parlamentarier, Militärs und Erzieher geben bereitwillig zu, dass sie die Zukunft für ungewiss und daher unberechenbar halten. Die führenden Männer in der Welt wissen nicht, wie sich die Menschen auf diese ungewisse Zukunft vorbereiten könnten. Sie sind nicht imstande, die Dynamik des ständigen Wandels in unserer Zeit fest in den Griff zu bekommen. Dazu meinte Alvin Toffler: „Eine Sturzflut von Veränderungen bricht über uns herein, doch die meisten Menschen haben keine Ahnung, wie sie damit fertig werden können.“
Die positive Seite des Wandels
Freilich verursachen Veränderungen häufig Unruhe, denn sie stören das bekannte Gleichgewicht im Leben, woran man sich gern gewöhnt. Ein Störungsfaktor im gewohnten Lebensablauf verursacht leicht Orientierungslosigkeit. Die Veränderung muss aber nicht negativ sein. Für Christen kann – und soll – sie die positivste Sache der Welt sein.
Das Leben selbst – geboren werden, heranwachsen, erwachsen und alt werden – ist eigentlich ein ständiger Wandel. Auch Reue ist Wandel. Vergessen wir nicht, dass unser christliches Leben mit dem beginnt, was zweifellos die radikalste Veränderung überhaupt ist – Bekehrung! Das Wort Bekehrung bedeutet nichts anderes als Änderung.
Wenn die Bekehrung eines Menschen begonnen hat, muss tagtäglich ein wenig mehr von seinem alten Wesen absterben, damit immer ein wenig mehr von Christus in ihn eindringen kann – von Christi Geist und Wesensart (vgl. dazu Galater 2,20; Philipper 2,5; 2. Petrus 3,18). Das Leben in Christus ist ein andauernder Prozess. Es beginnt mit einer totalen Umkehr und setzt sich das ganze Leben hindurch fort.
Unvollkommene Erkenntnis
Das Leben als Christ bedeutet auch die Bereitschaft, die Unvollständigkeit unserer Erkenntnis zu erkennen und zur Revision derselben bereit zu sein. Der Apostel Paulus sagte: „Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk“ (1. Korinther 13,9).
Durch seinen Geist offenbart Gott uns neue Erkenntnisse aus der unerschöpflichen Quelle seines Wortes. Jesus hatte diese Funktion des heiligen Geistes vorausgesagt: „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen“ (Johannes 16,13; alle Hervorhebungen durch uns).
Deshalb wandeln sich unsere Erkenntnisse in dem Maße, wie Gott uns seine Pläne und Absichten immer vollkommener offenbart. Daher besteht für uns kein Grund zur Beunruhigung, wenn Gott uns mehr von seiner Wahrheit erkennen lässt oder wenn er uns wissen lässt, dass wir uns in dem einen oder anderen Punkt geirrt haben.
Wenn Christus den Gliedern seines Leibes immer mehr von seiner Wahrheit offenbart und wir das Wort Gottes immer besser verstehen, dann ist es nur selbstverständlich, dass wir die neugewonnenen Erkenntnisse und Einsichten mit dem Fundament der unantastbaren biblischen Wahrheiten verbinden, auf dem die Kirche Gottes schon immer gestanden hat (1. Timotheus 3,15).
Ein wahrer Jünger Jesu lässt sich also unter anderem auch daran erkennen, dass er sich von Gottes Wort belehren lässt. Wir sollten neue biblische Erkenntnisse also furchtlos und ohne zu zögern prüfen und uns entsprechend umstellen. Dieser Prozess hat sich durch die Jahrhunderte in der Kirche fortgesetzt. In den Wirren vergangener Epochen ging die wahre biblische Erkenntnis manchmal verloren; sogar die Kirche selbst verschwand zeitweilig fast gänzlich aus dem Blickfeld. Aber über kurz oder lang kam die Wahrheit wieder ans Licht – kristallklar und makellos.
Hin und wieder müssen wir eine „Kurskorrektur“ – wie bei einem Flugzeug – vornehmen. Wenn Sie Autofahrer sind, dann wissen Sie, dass Sie ständig das Steuerrad bewegen müssen, um den Kurs zu halten. Genauso lenkt Gott uns auf unserem Weg zum besseren und vollständigeren Verständnis der biblischen Wahrheit.
Das bringt gelegentlich Belastungen mit sich. Aber genau wie der Rumpf eines Flugzeugs, der so konstruiert ist, dass er gewisse Druckbelastungen auszugleichen vermag, so ist auch Christi Leib mit der Hilfe des heiligen Geistes elastisch genug, um solchen zwangsläufig vorkommenden Änderungen und Korrekturbelastungen standzuhalten. Wenn unser Blick auf Christus gerichtet bleibt, können wir mit Veränderungen fertig werden und gehen am Ende daraus gestärkt hervor.
Wenn wir unseren Blick auf die Zukunft richten, die Gott für uns vorbereitet hat – auf die von Gott geplante transzendentale Bestimmung des Menschen – und wenn uns die Unwandelbarkeit unseres großen Gottes sowie seiner Verheißungen Gewissheit ist, dann können wir trotz nötiger Korrekturen in unserem Verständnis immer inneren Frieden haben.
Als Christen mag unsere persönliche Erkenntnis dem Wandel ausgesetzt sein, aber nur deshalb, weil wir ständig besser informiert sind über die absoluten, kostbaren Wahrheiten der Bibel, die keinem Wandel unterliegen. Gottes Geist führt uns kontinuierlich in diese Wahrheiten hinein. Schließlich ist die Bibel ein inhaltschweres Buch. Im Laufe der Jahre wachsen wir in Gnade und Erkenntnis. Immer vollständiger wird die wahre biblische Erkenntnis an die Stelle alter Irrtümer und Missverständnisse treten.
Liebe und Wandel
Jeder Christ soll ständig bereit sein, seine Lebensführung zu ändern bzw. neue Erkenntnisse zu akzeptieren, wenn er anhand der Heiligen Schrift sieht, dass sein Verhalten bzw. sein Wissen nicht bibelkonform ist. Aufgrund dieses Wandels im Leben aller Christen ist der Leib Christi als Ganzes gewissermaßen kontinuierlich im Zustand des Wandels begriffen.
Zunächst mag man durch diesen Zustand ein wenig verwirrt sein (oder auch außergewöhnlich verwirrt, je nach persönlicher Herkunft und Einstellung). Aber „denen, die Gott lieben, dienen alle Dinge zum Besten“ (Römer 8,28). Der Wandel im Leben eines Christen stärkt ihn, und aus dem Wandel aller Christen geht auch die Gemeinde insgesamt gestärkt hervor.
Die Kirche soll in der Liebe wachsen und auf Liebe gegründet sein. Und die Liebe, so lehrt uns der Apostel Paulus, hört niemals auf (1. Korinther 13,8). Was immer auch sich an Wandel innerhalb und außerhalb der Kirche vollzieht – die Liebe überdauert alles. Der Leib Christi kann alle Belastungen überstehen, weil ihn der Mantel der göttlichen Liebe einhüllt. Und diese Liebe hilft uns alles ertragen (1. Korinther 13,7).
In seinem Brief an die Gemeinde zu Ephesus ermahnte Paulus die dortigen Christen zur Einigkeit: „Ertragt einer den andern in Liebe und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens“ (Epheser 4,2-3). Gottes Liebe hilft uns zu verstehen, dass er mit unseren Mitchristen arbeitet und ihnen bei ihrer Überwindung hilft, genauso wie er es auch mit uns tut. Jeder schreitet auf seinem Weg mit Gott voran, und wir üben Geduld miteinander, denn wir „wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus“ (Vers 15).
Dieses gegenseitige Ertragen ist auch bei den unterschiedlichen Erkenntnisständen notwendig, die es in der Kirche Jesu Christi gibt. Wir verurteilen diejenigen in der Gemeinde nicht, denen vielleicht einiges an biblischer Erkenntnis fehlt. Stattdessen verstehen wir, dass Gott mit ihnen arbeitet und sein Geist sie in die Wahrheit führen wird, wie Jesus es uns allen versprochen hat.
Das Beständigste im Leben eines Christen ist die Veränderung, die ein unerlässlicher Teil der Beziehung zu Gott ist. Ohne Veränderung werden wir Jesu Aufforderung nicht in die Tat umsetzen können: „Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist“ (Matthäus 5,48).