Was ist die Kirche Gottes?
Fernlehrgang zur Bibel, Lektion 10
„Ich [werde] meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ (Matthäus 16,18; Einheitsübersetzung).
Jesus Christus gründete seine Kirche und gab ihr einen Auftrag. Die Heilige Schrift zeigt uns, dass Jesus seine Kirche als herzliche und liebevolle Gemeinschaft seiner treuen Jünger vorsah, eine Quelle der Kraft und des Lebensinhaltes für die Gläubigen.
In ihrem täglichen Leben spielt für die meisten Menschen die Kirche heute keine bedeutende Rolle mehr. Vielen kommt das Konzept Kirche altmodisch vor; für manche hat das Wort Kirche sogar einen schlechten Beigeschmack. Bei diesem Wort denken andere an einen großartigen Bau auf einem bekannten Platz mitten in der Stadt, wie z. B. der Dom in Köln oder die Frauenkirche in München. Für sie bedeutet Kirche ein Gebäude, in dem man sich zum Gottesdienst versammelt.
Ein weiteres Beispiel dieser Art ist die Kathedrale Notre-Dame de Paris. Mit dem Bau dieser Kirche begann man 1163, abgeschlossen wurde er 1345, 182 Jahre später. Das Lexikon Encyclopedia Britannica führt dazu aus, dass der Standort der Kathedrale „an einer Stelle ist, die die Pariser schon immer der Ausübung religiöser Riten vorbehalten haben“, und dass die Kathedrale „auf den Ruinen zweier früherer Kirchen aufgebaut wurde, deren Vorläufer ein gallisch-römischer Tempel gewesen ist, der dem Jupiter geweiht war“ (Stichwort „Paris“ bzw. „Notre-Dame de Paris“).
Dieser Bericht ist nicht ungewöhnlich, denn in der Geschichte des Menschen schrieb man Plätzen und Gebäuden, wo man Götter anbetete und sich deshalb diesen Göttern dort besonders nahe wähnte, eine heilige Bedeutung zu. Kirchengebäude, Kathedralen, Tempel und Altäre standen von alters her im Mittelpunkt der religiösen Anbetung.
Wie die Konfession, die sie vertritt, hat die Kathedrale Notre-Dame in den vergangenen Jahrhunderten Rückschläge erlitten. Dazu die Encyclopedia Britannica: „Während der Französischen Revolution beschädigt, wurde die Kirche anschließend an einen Kaufmann versteigert, der mit Baumaterialien handelte. Napoleon kam noch rechtzeitig an die Macht, um den Verkauf zu annullieren, und er ordnete an, den stattlichen Bau für seine Krönung zum Kaiser 1804 zu renovieren“ (Stichwort „Notre-Dame de Paris“).
Der zunehmende Unglaube der Neuzeit ist ein weiteres Beispiel für den Schaden, den Kirchengebäude in Europa „erlitten“ haben. Schrumpfende Besucherzahlen bei Gottesdiensten haben in einigen Fällen sogar zur Schließung von Kirchengebäuden geführt. Was macht man mit einer Kirche, die von so wenig Menschen aufgesucht wird, dass sich die Wartungskosten nicht mehr rechtfertigen lassen?
Ist eine Kirche, die nicht mehr für die Anbetung Gottes benutzt wird, immer noch eine Kirche? Wichtiger noch: Was bedeutet das Wort Kirche im biblischen Sprachgebrauch?
Die Kirche ist kein Gebäude
Im Neuen Testament ist die Kirche eine Versammlung von Menschen. Das zugrundeliegende griechische Wort ist ekklesia mit der Bedeutung „herausberufen“ bzw. „die Herausberufenen“. (Lesen Sie bitte dazu den Beitrag unten, „Gottes ekklesia: die ,Herausberufenen‘ “.)
Mit ekklesia ist niemals ein Gebäude gemeint, sondern Menschen – diejenigen, die Gott aus der weltlichen Gesellschaft zu seinem Dienst „herausberuft“. Die Kirche in der Bibel ist kein kaltes, steinernes Gebäude, sondern eine Gruppe herzlicher und liebevoller Menschen, die Gott durch seine Berufung zusammengeführt hat.
Ekklesia kann sich auf die Gläubigen als Gruppe in einer Stadt oder Region beziehen. Im übergeordneten Sinne können damit auch alle Gläubigen gemeint sein, die Gott berufen hat. Nach dem neutestamentlichen Gebrauch ist also ein Gebäude, in dem sich keine Gläubigen aufhalten, keine Kirche – die Kirche ist kein Gebäude im biblischen Sinne.
Statt dessen betont die Bibel die Gemeinschaft der Gläubigen, in die sie durch Gottes Berufung hineingelangen. Daher spielt es eigentlich keine Rolle, wo sich diese Gläubigen versammeln – sie sind Gottes Gemeinde. Paulus grüßte z. B. die Gemeinde (= ekklesia), die sich in dem Haus von Priska und Aquila in Rom traf (Römer 16,3-5).
Was zeichnet die Menschen aus, die Gott beruft? Wie setzt Gott die Kirche ein, um sein Vorhaben zu verfolgen? Welche Verantwortung haben diejenigen, die Teil der Kirche sind? Wie wird man zum Teil der Kirche?
Als Jesus sagte, er wolle seine Gemeinde bauen und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen (Matthäus 16,18), meinte er damit, dass die Kirche niemals aussterben wird. Wie kann man heute bei den vielen Konfessionen und Glaubensgemeinschaften die Gemeinde, die Jesus gründete, erkennen bzw. finden?
In dieser Lektion befassen wir uns mit der Lehre der Bibel über die Kirche und ihrer Bedeutung für uns heute.
Gottes ekklesia: die „Herausberufenen“
Das griechische Wort ekklesia, das im Neuen Testament die von Gott Berufenen kennzeichnet, wird in deutschen Bibelübersetzungen entweder mit „Kirche“ oder „Gemeinde“ wiedergegeben (Matthäus 16,18; vgl. dazu die Lutherbibel, die Einheitsübersetzung, die Zürcher Bibel und die Gute Nachricht Bibel).
Bereits vor der Entstehung der christlichen Gemeinde war der Begriff ekklesia geläufig, und seine vorchristliche Verwendung vermittelt Einsichten in seine Bedeutung in bezug auf die Kirche des Neuen Testamentes.
Ekklesia mit seiner Bedeutung „die Herausberufenen“ bzw. „die Zusammenberufenen“ wurde gewöhnlich benutzt, um eine einberufene Bürgerversammlung einer griechischen Stadt zu kennzeichnen. In diesem Sinne kommt ekklesia in Apostelgeschichte 19, Vers 32 bzw. 39 vor. Solchen Bürgern war ihr Sonderstatus gegenüber Sklaven und anderen, die kein Bürgerrecht besaßen, sehr wohl bewußt. Ihre Versammlungen dienten der Klärung von Angelegenheiten des allgemeinen Interesses und wurden gewöhnlich durch einen Herold angekündigt. Mit der Bezeichnung ekklesia verstanden sich die ersten Christen als die von Gott „Herausberufenen“, die in Jesus Christus einen besonderen Status genossen und zu einem besonderen Zweck berufen waren (Epheser 2,19).
Darüber hinaus kommt das Wort ekklesia in der griechischen Übersetzung des Alten Testamentes mehr als 100mal vor. Die ersten Christen waren in der Mehrheit Juden, die diese griechische Übersetzung kannten. Ihre Selbstbezeichnung mit einem Wort, mit dem das Volk Gottes im griechischen Alten Testament gemeint war, zeugt von ihrem Verständnis der Kontinuität zwischen dem Alten und Neuen Testament.
Die ersten Christen sahen sich also als das Volk des Gottes, der sich im Alten Testament offenbart hatte (Hebräer 1,1-2). Sie sahen sich auch als die wahren Kinder Israels (Römer 2,28-29) mit Abraham als ihrem Vater (Römer 4,1-25) und als das Volk des Neuen Bundes, das die Propheten des Alten Testamentes vorausgesagt hatten (Hebräer 8,1-13).
Vor dem Hintergrund seiner gewöhnlichen Bedeutung in der griechischen Welt des 1. Jahrhunderts wird das Wort ekklesia im Neuen Testament in bezug auf eine Ortsgemeinde herausberufener Christen benutzt: „die Gemeinde [ekklesia] Gottes in Korinth“ bzw. „die Gemeinde [ekklesia] in Thessalonich“ (1. Korinther 1,2 bzw. 1. Thessalonicher 1,1). Darüber hinaus kann mit ekklesia das gesamte Volk Gottes gemeint sein, dessen Haupt Jesus Christus ist: „Christus [ist] das Haupt der Gemeinde [ekklesia], die er als seinen Leib erlöst hat“ (Epheser 5,23).