Manche Beobachter schätzen die Gefahr eines atomaren Krieges heute höher ein als in den 1950er und 1960er Jahren. Damals wurden die sowjetischen Streitkräfte wenigstens streng kontrolliert und gut bezahlt.
Von Mario Seiglie
„Mit großen Augen starrten russische Militäroffiziere auf den leuchtenden Punkt auf ihren Radarschirmen: eine heranfliegende Rakete mit nur noch 15 Minuten Flugzeit bis zum Zielort Moskau ... Eine Alarmmeldung wurde an die drei mit Nuklearcodes gerüsteten Aktenkoffern des russischen Präsidenten Boris Jeltsin und seiner beiden höchsten Militärberater gefunkt. Der Offizier, der Jeltsins Aktenkoffer trug, eilte zum Präsidenten und öffnete ihn. Auf einer elektronischen Landkarte sahen sie einen hellen Punkt, der sich über die Norwegensee hinweg bewegte. Unterhalb der Karte gab es eine Reihe Druckknöpfe, die diverse Angriffsziele in den USA anboten. Auf Militärbasen in Rußland alarmierten blinkende Rotlichter und heulende Sirenen die für die Kernwaffen des Landes verantwortlichen Truppen, sich einsatzbereit zu halten.“
Hört sich das wie das Drehbuch eines neuen Hollywood-Films an? Vielleicht, aber in diesem Fall fand der Alarm wirklich statt: am 25. Januar 1995. Warum kam es dann nicht zum Schlagabtausch?
„In einer Konferenzschaltung warteten Jeltsin und seine Kommandeure auf eine Bestätigung des Angriffs. Ungefähr zwölf Minuten nachdem die geheimnisvolle Rakete auf den Radarschirmen erschienen war, konnten Militäranalytiker feststellen, daß sie nicht auf russisches Hoheitsgebiet zielte. Später stellte sich heraus, daß die Rakete ein norwegisches Wissenschaftsexperiment war, mit dem man das Nordlicht beobachten wollte. Die Norweger hatten die russische Botschaft in Oslo informiert, aber die Meldung war nicht ans Militär weitergeleitet worden. ,Vorübergehend stand die Welt am Rande eines Atomkriegs‘, meinte Sergei Jushenkov, Mitglied des Verteidigungsausschusses in der russischen Duma“ (Newsweek, „Nuclear Disarray“, 19. Mai 1997).
Keine Seltenheit: Unfälle
Die amerikanische Zeitschrift U.S. News & World Report fragte: „Sie wähnen sich in Sicherheit: Könnte ein falscher Alarm einen Atomkrieg auslösen?“ (Ausgabe vom 10. Februar 1997). In dem Beitrag wurde auf die Zunahme von Unfällen hingewiesen. Der bereits zitierte Newsweek-Artikel berichtet bezüglich der nachlässigen Wartung des russischen Atomarsenals: „Die Russen könnten den falschen Schluß ziehen und auf einen vermeintlichen Angriff des Westens mit einem ,Gegenangriff‘ losschlagen. Diese Gefahr hat beträchtlich zugenommen, weil das russische Frühwarnsystem nicht mehr das ist, was es einst war. Es hat bedeutende Radarstationen in neuen Ländern wie der Ukraine und Lettland verloren, und einige seiner Satellitenüberwachungsanlagen wurden der Ukraine, Georgien und Kasachstan überlassen. Die oberste russische Militärführung ist jetzt teilweise blind, wodurch Ängste geschürt, Fehlalarme produziert und gute Entscheidungen erschwert werden.“
Der Bericht in U.S. News & World Report beschreibt menschliches Versagen, das mehrfach fast zum nuklearen Desaster geführt hat: „Menschliches Versagen ist mehr als nur eine theoretische Überlegung. Im Fall der norwegischen Rakete war Moskau von dem Testflug informiert worden, aber keiner dachte daran, die Voranmeldung auch an die hohen Militärs weiterzuleiten. In mehr als einem Fall wurden echte Startbefehle als Reaktion auf amerikanische Manöver herausgegeben. 1979 täuschte die versehentliche Einspeisung von Übungsdaten in das NORAD [das nordamerikanische Frühwarnsystem] einen sowjetischen Großangriff vor. 1983 erlebte die sowjetische Führung das gleiche, als solare Unruhen sowjetische Frühwarnsatelliten einen amerikanischen Großangriff melden ließen.“
In dem Newsweek-Artikel setzt der russische Verteidigungsminister Igor Rodinov noch eins drauf: „Letztes Jahr [1996] erhielten die strategischen Atomstreitkräfte nur 10,5 Prozent der benötigten Gelder für die Wartung. Seine Voraussage ist ,ein möglicher Verlust des gesamten Systems‘. Die Verbindungen zwischen Radar- und Leitstellen, die Steuerung der Raketen per Computer und die physische Zusammensetzung der Sprengköpfe könnten alle versagen.“
Als zusätzliche Belastung gelten die Gehälter der russischen Atomstreitkräfte: zwischen 200 und 400 DM pro Monat, wenn die Gehälter überhaupt ausgezahlt werden. Dazu der Artikel: „Ein Major, der seit 24 Jahren bei den atomaren Streitkräften dient und in sechs Monaten pensioniert wird, bekam vier Monate lang kein Gehalt.“ Ein anderer Offizier resümierte: „Wir leben in Armut. Mehr brauchen Sie nicht zu wissen.“
Newsweek faßte folgendermaßen zusammen: „Das Potential für nuklearen Diebstahl existiert, die Entwendung von Waffen als Erpressung oder zum Verkauf an Verbrecherstaaten bzw. Terroristen oder zum Einsatz durch abtrünnige Soldaten der eigenen Armee. Es gibt sogar Russen, die sich vor einem atomaren Bürgerkrieg fürchten. Über die möglichen Folgen einer sibirischen Unabhängigkeitserklärung spekulierte ein pensionierter hoher Militäroffizier: ,Die gesamte Nuklearstreitmacht in der Region könnte sich von der Befehlsstruktur trennen und ihre Kernwaffen neu programmieren, um sie nach eigenem Gutdünken einzusetzen.‘ “
Trügerische Sicherheit
Seit dem Ende des „kalten Krieges“ herrscht der Glaube an die gebannte Gefahr eines neuen Weltkrieges. Ein weiterer Newsweek-Artikel vom 2. Juni 1997 beschrieb die Stimmung in den USA: „Nur selten in ihrer Geschichte fühlte sich die Nation so sicher vor der Kriegsgefahr. Die atomaren Raketensilos des mittleren Westens entwickeln sich langsam zu seltsamen Museen; heutigen Kindern mag das dreieckige Symbol für einen Atomschutzbunker wie eine seltsame Form von Teenager-Graffiti erscheinen“ (Seite 4).
Wir sind heute jedoch einem möglichen Einsatz von Kernwaffen näher als vor 40 Jahren. Damals unterlagen die sowjetischen Streitmächte einer strengen Kontrolle, und sie waren verhältnismäßig gut bezahlt. Nur zwei nukleare Supermächte standen sich gegenüber. Heute besitzen mehrere Nationen die Atombombe. Die Zahl der russischen Sprengköpfe wird auf 22 000 geschätzt; die USA sollen 12 000 besitzen. 1998 strauchelte die russische Wirtschaft schwer; darunter litten freilich auch die russischen Streitkräfte.
Die Pannen im russischen Nukleararsenal waren so zahlreich, daß die Amerikaner Rußland 1997 zu Verbesserungen in der Wartung und in der Überwachung ihrer Kernwaffensysteme drängten. Letztes Jahr kam die Bitte russischer Militärs an amerikanische Experten hinzu, ihnen bei der Bewältigung ihres „Jahr 2000-Problems“ zu helfen, um so den ungewollten Start einer Rakete zum Jahrtausendwechsel zu verhindern.
Auf der anderen Seite „sind nicht alle Meldungen aus Moskau schlecht“, so Newsweek. „Rußland hat die Sicherheit an mehr als 30 Stützpunkten, auf denen nukleares Material gelagert ist, bedeutend verbessert“ (Ausgabe vom 25. Mai 1998). Trotzdem gibt es viele potentielle Probleme. Werden die schlecht bezahlten russischen Soldaten der Versuchung widerstehen, das „große Geschäft“ mit einem atomaren Sprengkopf zu machen? Wie sieht es mit den wartungsbedürftigen Radaranlagen aus? Werden sie weiter verfallen, weil die notwendigen Finanzmittel für deren Instandhaltung fehlen? Keiner weiß die Antworten auf diese und andere Fragen dieser Art. Die Existenz solcher Möglichkeiten zu verneinen, obwohl sicher bequem, ist genauso gefährlich wie die Probleme selbst.
Nukleare Bedrohung ungebannt
Darüber hinaus meinen manche Menschen, die Gefahr eines Atomkrieges sei sowieso nicht mehr so groß. Schließlich seien russische Sprengköpfe nicht mehr auf westliche Ziele ausgerichtet. Diese vermeintliche Sicherheit ist jedoch trügerisch. Innerhalb von nur wenigen Minuten können Raketen wieder für den Westen programmiert werden; die notwendigen Daten liegen vor und lassen sich schnell wieder in das computergesteuerte Lenksystem einspeisen. Die Größe des russischen Arsenals und die brüchige wirtschaftliche und politische Lage lassen kein vollständiges Aufatmen zu.
Die Gefahr geht aber nicht allein von Rußland aus. Wie in der letzten Ausgabe berichtet, besitzen die nicht gerade friedlich gesinnten Nachbarn Indien und Pakistan Kernwaffen, und andere Länder wie Libyen, Irak und Iran wollen dem atomaren Club beitreten. Die Gefahr terroristischer Erpressung oder Anschläge mit spaltbarem Material bereitet westlichen Sicherheitsexperten nach eigenem Geständnis Kopfzerbrechen. Rußland ist also ein, aber keineswegs das einzige Problemfeld auf diesem Gebiet.
Trotz der Zerbröckelung des Sowjetimperiums vor zehn Jahren steuert unsere Welt einen Zustand im neuen Jahrhundert an, der das Überleben der Menschheit in Frage stellen wird. Als Antwort auf die Frage, wann er zur Erde zurückkehren wird, beschrieb Jesus Christus diese Möglichkeit. Deutlich wies er darauf hin, daß, wenn Gott nicht in das Weltgeschehen eingreifen würde, kein Mensch am Leben bleiben würde (Matthäus 24,21-22).
In der Zeitschrift Gute Nachrichten zeigen wir auf, daß Jesu Worte wirklich wahr sind. Einigen mag unsere Berichterstattung zu pessimistisch vorkommen, aber sie basiert auf den unmißverständlich eindeutigen Voraussagen Jesu, die den meisten Christen heute völlig unbekannt sind. Jesus zeigt uns aber auch die positive Zukunft, eine wirklich gute Nachricht! Sie ist die Gewißheit seiner Rückkehr, um eine neue Welt aufzubauen, die im neuen Jahrtausend Wirklichkeit werden wird. Sie können sich über diese positive Botschaft der Bibel – die heute fast unbekannte Hoffnung der ersten Christen – durch unsere kostenlose Broschüre Das Reich Gottes – eine gute Nachricht ausführlich informieren lassen. Leseprobe ...