Wie konnte es zu dem Massaker an der Columbine High-School in Colorado kommen?
Von Scott Ashley
„Mach’ den Fernseher an“, hörte ich meine Frau am Telefon sagen, „an einer der Oberschulen in der Nähe hat es eine Schießerei gegeben!“ Die Angst in ihrer Stimme war unverkennbar.
Alle Sender in Denver strahlten Live-Berichte aus der Nähe der Columbine High-School in einem Vorort Denvers aus. In den nachfolgenden Stunden kristallisierte sich eine Schreckensgeschichte heraus: Zwei Schüler, 17 und 18 Jahre alt, brachten in der Mittagspause des 20. April 1999 vier Gewehre und Dutzende von selbstgebastelten Bomben zur Schule, um dann scheinbar wahllos ihre Mitschüler und Lehrer, die ihnen über den Weg liefen, mit Schüssen niederzustrecken.
Die endgültige Zahl der Getöteten stand erst am nächsten Tag fest. Die jungen Schützen hatten zwölf Mitschüler und einen Lehrer getötet, bevor sie Selbstmord begingen. 23 weitere Personen wurden verwundet. Bei den kriegsähnlichen Szenen in der Schule war es den Behörden erst nach Stunden gelungen, die genaue Zahl der Toten und Verletzten zu ermitteln. In sechs verschiedenen Krankenhäusern der Stadt Denver wurden die Verwundeten behandelt.
In einem Anfall von Wahnsinn hatten die jungen Schützen die Bomben in der ganzen Schule und zwischen die Körper verteilt, einige Bomben wären erst Stunden nach dem Massaker durch ihre Zeitschalter gezündet worden. Einige verzweifelte Familien mußten mehr als einen Tag auf die Übergabe der Leichen ihrer getöteten Kinder warten, während Beamte sorgfältig nach Bomben suchten und sie entschärften.
Unter den Toten befand sich auch der Kapitän der Volleyballmannschaft, eine Abiturientin, die bei der Abschlußfeier nur wenige Wochen später die Abschiedsrede halten sollte. Auf den getöteten Lehrer war zweimal geschossen worden, während er anderen half, in Sicherheit zu gelangen.
Medien und Gedenkstätten
Als ich am nächsten Tag wieder zur Columbine High-School ging, hielten schwarz uniformierte Spezialeinheiten der Polizei und andere Beamte die Besucher und die Presse einige hundert Meter von der Schule entfernt. Ein Beamter erzählte mir, es würde mindestens einige Tage dauern, um die Untersuchungen durchzuführen und das Gebäude zu räumen, bevor die Besucher hineingehen konnten. Die Polizisten befürchteten nämlich, daß noch andere Bomben dort und in den Autos der Schüler auf dem Parkplatz versteckt sein könnten. (Am nächsten Tag fanden die Beamten tatsächlich eine gewaltige Bombe in der Küche der Schule; anscheinend hatten die beiden Jugendlichen geplant, die Cafeteria zur Mittagszeit in die Luft zu sprengen und die gesamte 2000 Schüler umfassende Schule niederzubrennen.)
Journalisten, die die Schule nicht betreten durften, schwärmten über den großen angrenzenden öffentlichen Park aus. Die Tragödie hatte die Welt in ihren Bann versetzt. Ein Wald von Satellitenschüsseln und Antennen wuchs aus einer wachsenden Dichte von Übertragungswagen. Techniker zogen Kabel und Telefonleitungen. Einige Zimmerleute hämmerten eine kleine Tonbühne für einen der großen Nachrichtensender zusammen. Um mich herum hörte ich die Reporter Spanisch, Deutsch, Französisch und andere Sprachen sprechen.
Überall waren Schüler – einige weinten, einige schluchzten, einige starrten einfach nur vor sich hin. Hunderte brachten Blumen, Karten und manchmal Stofftiere zu den Gedenkstätten, die im Park entstanden. Schüler von den Nachbarschulen drückten ihre Anteilnahme durch Karten und Poster aus, die sie auf die Blumenberge legten.
Von Baseball zu Bomben
Die Jungen, beide Abiturienten, wurden als aufgeweckt und intelligent beschrieben. Einer hatte Baseball in der Little League gespielt. Der andere war Pfadfinder.
Doch irgendwann muß etwas geschehen sein. Ihre Interessen wechselten von Baseball und Pfadfindern zu selbstgebastelten Bomben und Adolf Hitler. Sie wurden Mitglieder einer Schulclique, bekannt als die „Trenchcoat-Mafia“, deren Mitglieder lange, schwarze Mäntel trugen, sich mit Militärsaluts begrüßten und ihre Kleider mit Nazisymbolen dekorierten.
Einige Mitglieder der Gruppe berichteten, daß sie stolz darauf waren, soziale Außenseiter zu sein. In dem 1998er Jahrbuch kann man unter dem Photo der Gruppe lesen: „Wer sagt, daß wir anders sind? Wahnsinn ist gesund!“
Andere Warnsignale waren offensichtlich. Das Paar entwickelte eine Leidenschaft für gewaltverherrlichende Video- und Computerspiele. Wie verlautet entwickelte einer von ihnen seine eigene Webseite, auf der er die Zusammensetzung von Napalm bzw. Rohrbomben und die richtige Lagerung von Sprengstoff beschrieb. Die Seite zeigte eine handgezeichnete, Gewehr und Schwert schwingende Figur auf einem Berg von brennenden Totenköpfen und eine andere Figur, die auf ein blutendes Opfer schoß.
Das Duo war dem Jugendkriminalamt schon wegen verschiedener Straftaten aufgefallen. Sie waren z. B. in einen Lastwagen eingebrochen und hatten elektronisches Gerät und Werkzeuge gestohlen. Wie verlautet wurde einer von ihnen von der Schule suspendiert, weil er sich als Hacker Zugang zu einem der Computer der Schulbehörde verschafft hatte. Einer wurde der Behörde gemeldet, weil er gedroht hatte, einen anderen Schüler zu töten. Ein Mitschüler aus einer Videoproduktionsklasse berichtete, daß die beiden ein Video gedreht hatten, in dem sie darüber phantasierten, wie sie durch die Schulgänge gehen und Waffen auf andere Schüler abfeuern würden.
Am Morgen vor dem Massaker hörte ein Nachbar, wie das Paar Glas in der Garage vom Haus des einen Jungen zerbrach. „Ich nahm an, daß es sich um ein verrücktes Kunstprojekt handelte“, sagte er. Die Polizei klärte ihn später darüber auf, daß es sich wahrscheinlich um tödliche Glassplitter für ihre Bomben gehandelt hatte.
Ursache und Wirkung
Nach einer Greueltat wie der von Littleton stellen Eltern, Erzieher und Politiker die Frage: Wie konnte so etwas passieren? Eine der möglichen Antworten auf diese Frage wird oft übersehen oder ignoriert, weil sie eine zu einfache Erklärung zu sein scheint: Ursache und Wirkung in Verbindung mit der Entscheidungsfreiheit, die allen Menschen gewährt ist. Es ist eine Gesetzmäßigkeit, daß alles, was im Leben passiert, verursacht wird: ohne Ursache, keine Wirkung. Eric Harris und Dylan Klebold wurde viel Bewegungsraum gewährt, um ihre Entscheidungen frei treffen zu können.
Wie sieht die Gesellschaft aus, die Jugendliche in unseren westlichen Industrieländern erleben? Heutige Teenager und Kinder haben leichten Zugang zu verherrlichenden Darstellungen von Gewalt und Mord. Die Unterhaltungsindustrie liefert Gewalt frei Haus, und es gehört zu der „Freiheit“ unserer Kultur, jeden entscheiden zu lassen, von welchen Einflüssen er sich berieseln lassen will.
In Deutschland wird z. B. geschätzt, daß ein durchschnittliches Kind bis zu seinem 13. Lebensjahr bis zu 10 000 „Fernsehmorde“ gesehen haben wird. Hinzu kommen Spielfilme, in denen Gewaltszenen geboten werden wie im Film Basketball Diaries [„Basketball-Tagebücher“], in dem ein mit einem schwarzem Mantel gekleideter Teenager seine Mitschüler im Klassenzimmer mit einer Schrotflinte auf brutale Weise niedermäht.
Mord und Totschlag gehören bekanntlich ebenfalls zu den beliebtesten Motiven bei Computer- und Videospielen. Auch Rollenspiele, bei vielen Jugendlichen zunehmend beliebt, bedienen sich der Vorstellungswelt von Gewaltphantasien, um den Spielverlauf interessanter zu gestalten.
Die jungen Todesschützen von Littleton in Colorado sollen z. B. von dem Computerspiel „Doom“ [„Untergang“ bzw. „Verderben“] begeistert gewesen sein. Der Hersteller des Spiels preist seine Ware auf einer eigenen Webseite im Internet wie folgt an: „Die suchtgefährdende und erschreckend realistische Welt von Doom ist wieder da. Sie ist blutiger und tödlicher als je zuvor ... Du bist ein Weltraum-Marineinfantrist, bewaffnet nur mit einer Pistole. Dein Auftrag besteht darin, schlagkräftigere Waffen zu finden und deinen Weg gegen Angriffe der von den Toten wiedererweckten Marineinfantristen und auch Dämonen aus der Hölle freizukämpfen.“
Ursache und Wirkung: Wenn unsere freiheitsliebende Gesellschaft ihren Jugendlichen solche „Unterhaltung“ als regelmäßige Kost anbietet, ist es da überhaupt verwunderlich, daß Gewaltphantasien dann auch wirklich ausgelebt werden?
Bei diesem Thema darf man in der heutigen Zeit die Schule selbst als Austragungsort der Gewalt nicht außer acht lassen. Die Gewaltbereitschaft unter Schülern in Amerika ließ die Zeitung New York Times fragen: „Was ist nur mit der Jugend los?“
Auch in Deutschland zeigen Untersuchungen und Umfragen, daß rohe Gewalt zum Alltag an vielen Schulen gehört. Schätzungsweise ein Drittel deutscher Schüler hat diesen Alltag bereits kennengelernt; Tritte und Schläge sind die häufigsten Gewaltaktionen unter Schülern. Außerdem stellt man eine Zunahme der Brutalität bei Schülerkonflikten fest.
Zu den Ursachen gehören neben dem Einfluß der Medien auch Defizite bei der familiären Erziehung. Kinder, deren Eltern beide berufstätig sind oder die einen berufstätigen, alleinerziehenden Elternteil haben, bleiben oft mit ihren Problemen und Ängsten allein. Dazu Hartmut Balser, Lehrer und Schulpsychologe des Lahn-Dill-Kreises: „Manche Schüler kompensieren ihr mangelndes Selbstwertgefühl mit einem Verhalten, das den Rechtsrahmen von Schulen, Klassen und Gesetzen sprengt.“
Schüler, deren Selbstwertgefühl in der Familie nicht in gesunder Weise gefördert wird, suchen ihre Identität in der Clique. Unter den Schulbanden dient Gewalt vielfach als Kitt, der die Mitglieder zusammenhält. In den USA setzen sich die Gruppen an den High-Schools, deren Schüler mehrheitlich aus Familien der gehobenen Mittelklasse stammen, nach bestimmten Mustern zusammen: Es gibt die Gruppe der „Athleten“, die in Schulmannschaften vertreten sind; die „Intelligenten“, die für ihre akademische Leistung bekannt sind; die „schweren Jungs“, die sich offen zu einem Bandenverhalten bekennen, und die Gruppe der „ferner liefen“, die zu keiner Gruppe gehören. Hänseleien und Demütigungen gegenüber den Angehörigen anderer Gruppen gehören zum Alltag.
Ursache und Wirkung: Wie wehrt sich ein Schüler gegen diesen Alltag? Viele „schlucken“ ihn einfach; für andere kann die Reaktion Gegengewalt bedeuten. Ob dies im Falle von Eric Harris und Dylan Klebold der Fall war, ist nicht bekannt. Auffallend war, daß die Mehrheit ihrer Opfer zu den schulischen Sportmannschaften gehörten, die – wie bereits erwähnt – in vielen amerkikanischen High-Schools eine eigene Gruppe bilden.
Wo war Gott?
In einer Nation wie Amerika, die sich ihres christlichen Glaubens vor aller Welt rühmt, wird die Frage gestellt: Wie konnte Gott diese Tragödie mit dem Verlust unschuldigen Lebens zulassen? Schließlich soll der Gott der Bibel ein gütiger, liebevoller Gott sein.
Für gläubige Christen kann diese Frage beunruhigend sein. Sie glauben nämlich, daß Gott allmächtig ist und daher die Möglichkeit hat, solches Unheil zu verhindern. Der Prophet Jesaja stellte dazu fest: „Siehe, des Herrn Arm ist nicht zu kurz, daß er nicht helfen könnte, und seine Ohren sind nicht hart geworden, so daß er nicht hören könnte“ (Jesaja 59,1).
Ja, Gott hätte eingreifen können. Aber er tat es nicht. Gerade in diesem Fall ist die Frage erlaubt: Warum sollte er es auch? Gott und die Bibel sind aus Amerikas Schulen verbannt worden; es ist sogar vorgekommen, daß ein Lehrer entlassen wurde, nur weil er eine Bibel auf seinem Tisch im Klassenzimmer liegen hatte.
Es gibt eine Mauer zwischen der heutigen Menschheit und ihrem Schöpfer, und wir haben sie errichtet, wie Jesaja gleich im nächsten Vers festhielt: „Eure Verschuldungen scheiden euch von eurem Gott, und eure Sünden verbergen sein Angesicht vor euch, daß ihr nicht gehört werdet“ (Vers 2). Jahrein, jahraus setzen wir mit unseren Entscheidungen neue Steine in diese Mauer.
Sehen Sie, Gott gibt allen Menschen Entscheidungsfreiheit. Von Anfang an läßt er uns entscheiden, welchen Weg wir gehen wollen. Unsere Ureltern mußten eine für uns alle verbindliche Grundsatzentscheidung treffen, als sie zwischen den beiden Bäumen im Garten Eden wählten. Sie entschieden sich für den Weg der Selbstbestimmung über Gut und Böse und verwarfen damit Gottes offenbarte Maßstäbe.
Gegründet auf das Prinzip Ursache und Wirkung erntet der Mensch die Früchte seiner Entscheidungen. Wer in unserer materialistisch orientierten Welt „Erfolg“ haben will, legt sich berufsmäßig ins Zeug und läuft Gefahr, die eigene Familie zu vernachlässigen. Wer sich keine absoluten moralischen Vorschriften machen lassen will, erlebt eine Unterhaltungsindustrie, die Gewalt verherrlicht und sie als Mittel der Konfliktlösung darstellt.
Gottes Vorhaben mit den Menschen hörte zum Glück nicht im Garten Eden auf. Nachdem wir Menschen genügend Zeit gehabt haben, die Früchte unserer eigenen Wege zu erleben, wird Gott uns helfen, einen neuen Weg zu gehen. Jesus Christus kehrt nämlich zu dieser Erde zurück, um eine neue Weltordnung zu bringen, deren Mittelpunkt der Weg der Liebe zu Gott und zum Nächsten sein wird.
Die Verantwortung von Eltern für die Gesellschaft
Im Verhalten von Eric Harris und Dylan Klebold gab es viele Warnzeichen – einschließlich der Besessenheit mit gewaltverherrlichenden Videospielen, seltsamer Musik, schwarzen Kleidern, Adolf Hitler, Gewehren und Sprengstoff. Trotzdem bereiteten die beiden Jungen ungehindert ihr eigenes Harmagedon vor.
Sie sammelten sich ein kleines Waffenarsenal, Munition und Materialien zusammen, um mehr als 60 Bomben zu konstruieren. Einige der von ihnen gebastelten Bomben waren äußerst hochentwickelt. Das alles geschah anscheinend ohne das Eingreifen oder Wissen ihrer Familien. 15 Menschen verloren ihr Leben und 23 andere wurden verletzt, weil keiner einschritt, um die Vorbereitungen für diese Tragödie zu verhindern.
Was sagt dies über den Zustand unserer modernen Familien aus? Dave DeForest-Stalls, Direktor eines Denver Jugendzentrums, drückte das Problem so aus: „Der Punkt ist: Wer hört diesen Kindern zu? Wer verbringt genügend Zeit mit ihnen? Wer kennt sie wirklich?“
Untersuchungen haben die Verbindung zwischen zerrütteten Familien und der erhöhten Wahrscheinlichkeit von kriminellem Verhalten gezeigt. Die Katastrophe an der Columbine High-School ist aber ein dramatischer Aufruf an alle Familien aufzuwachen. Diese zwei Schüler kamen anscheinend aus stabilen, mittelständischen und wohlhabenden Familien. Aber in einer Gesellschaft, wo es normal ist, daß beide Eltern eine oder zwei Arbeitsstellen haben – was hier der Fall war –, bleibt wenig Zeit, um Kindern genügend Aufmerksamkeit zu widmen.
Wenn wir unsere Gesellschaft als Ganzes analysieren, wird das Bild deutlich. „Wir verbringen nicht genug Zeit mit unseren Kindern, und damit haben wir ihnen vermittelt, daß sie nicht geschätzt werden“, sagte Herr DeForest-Stalls. „Wir geben ihnen ein großzügiges Taschengeld, eine Kreditkarte oder gar ein Auto, bevor wir ihnen unsere Zeit schenken.“
Materielle Besitztümer – Autos, Computer, Geräte oder ein großzügiges Taschengeld – sind kein Ersatz für das Wertvollste, was wir unseren Kindern schenken können: unsere Zeit.
„Wir müssen uns auf unser eigenes Verhalten und Unterlassungen konzentrieren, statt darauf, was falsch an den heutigen Jugendlichen ist“, fuhr er fort. „Wir müssen ihnen klarmachen, wie wertvoll ihr Leben ist ...“
In der Gesellschaft der biblischen Nation Israel wurde die Vorbildfunktion von Eltern gegenüber ihren Kindern betont. Die Familie ist schließlich der Grundbaustein der Gesellschaft: „Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist , wenn du dich niederlegst oder aufstehst“ (5. Mose 6,6-7).
Der Wortlaut dieser Ermahnung macht klar, daß ein wichtiger Aspekt der erzieherischen Aufgabe, die Eltern gegenüber ihren Kindern haben, mit der Zeit zu tun hat, die Eltern jeden Tag mit ihren Kindern verbringen sollen. Durch viele Gespräche („davon reden“) mit ihren Kindern vermitteln Eltern ihren Kindern das Empfinden des Respektiert- und Geliebtwerdens, was für die Entstehung eines gesunden Selbstwertempfindens bei heranwachsenden Menschen von außerordentlicher Wichtigkeit ist.
Zu versuchen, dieses Ideal in der eigenen Familie umzusetzen, schützt vor unentdeckten Fehlentwicklungen im Leben eines Kindes. Viel Zeit mit den eigenen Kindern zu verbringen bedeutet, sie wirklich zu kennen.
Gewalt in der Schule:
Warnzeichen für Eltern
Im Verhalten eines Kindes kann es Veränderungen geben, die für Eltern ein Hinweis auf ein mögliches Gewalterlebnis sein können.
Am offensichtlichsten sind freilich Verletzungen oder beschädigte Kleider, mit denen ein Kind von der Schule nach Hause kommt. Auch ein gestörtes Benehmen – in sich gekehrt, launisch oder aber aggressiv bzw. streitlustig – kann das Resultat einer Androhung oder eines Gewaltkonfliktes sein. Selbst asoziales Verhalten wie Stehlen kann ein Indiz sein. Vielleicht wird das Kind erpreßt und muß dafür Geld haben!
Bei ungewöhnlichem Verhalten dieser Art ist ein verständnisvolles, einfühlsames Gespräch mit dem Kind anzuraten. Bestätigt sich der Verdacht, so sollten Eltern mit dem Klassenlehrer Rücksprache aufnehmen und bereit sein, auch höhere Instanzen einzuschalten.
Ist allein Hollywood schuld?
„Ich wuchs mit gewalttätigen Fernsehreihen, Spielfilmen und Computerspielen auf. Im Kindesalter besaß ich Spielzeuggewehre. Als ich 13 Jahre alt war, ließen sich meine Eltern scheiden. In meiner Schulklasse war ich das kleinste Kind und wurde fast kontinuierlich gehänselt. Mir kam der Gedanke mehr als einmal in den Sinn, ich sollte einige meiner Mitschüler umlegen, doch tat ich es nie. Ich habe nie einen Menschen getötet.
Um James Carville zu paraphrasieren: Es sind nicht die Spielfilme, es sind die Eltern und die Lehrer, Blödmann! Und es sind nicht nur die Eltern der Killer, es sind auch die Eltern – und die Lehrer – der ,starken Jungs‘, Sportler und Cliquen.
Meine Eltern lehrten mich den Unterschied zwischen richtigem und falschem Verhalten. Sie lehrten mich, andere Menschen zu respektieren. Der Gedanke, daß ich einem anderen Menschen wirklich weh tun würde, kam mir daher absurd vor. Gleichzeitig lernte ich, nicht auf andere herabzuschauen oder sie in irgendeiner Weise als ungleichwertig zu betrachten.
Eltern und Lehrer sollten wissen, ob ihre Kinder bzw. Schüler mit Gewehren spielen. Genauso wichtig ist es aber zu wissen, ob sie ihre Mitschüler mobben oder aber mit Respekt behandeln. Eltern und Lehrer müssen Kinder lehren, jedes andere Kind zu respektieren. Wenn sie dies nicht tun, tun sie nicht ihre Arbeit.
Die Regierung, Jerry Falwell und Pat Buchanan [Anmerkung: Letztere gehören zu den sogenannten ,religiösen Rechten‘ in den USA] wollen der Unterhaltungsindustrie Vorschriften machen, aber den Waffenbesitz wollen sie nicht einschränken. Die Nachrichtensender reden über Hollywoods Einfluß auf unsere Kinder, beliefern uns jedoch 24 Stunden am Tag mit Gewaltszenen aus dem Kosovo. Ohne es zu wissen, leisten Eltern und Lehrer jeden Tag Haß, Rassismus und ungesundem Wettbewerb Vorschub.
Die Geschichte ist voller Beispiele von Erwachsenen, die andere Erwachsene wegen ihrer Rasse, Nationalität oder Religionszugehörigkeit umbrachten. Heute sind Gewehre und Bomben viel zu leicht zu beschaffen, und selbstmörderische Kinder reißen andere Opfer mit in den Tod.
Verbietet Gewehre, Spielfilme, ja verbietet sogar Howard Stern. Aber wenn Erwachsene nicht miteinander in Frieden leben können, wie können sie dann erwarten, daß ihre Kinder dies schaffen?“
– Bruce Tenenbaum, USA TODAY vom 6. Mai 1999