Von Mario Seiglie
In dieser Artikelreihe haben wir archäologische Funde untersucht, die Licht in die Zeit des Wirkens Jesu Christi am Anfang des ersten Jahrhunderts in Judäa bringen.
Keine Zeitspanne wird in den vier Evangelien detaillierter beschrieben als die letzten Tage im Leben Jesu Christi, in denen er gefangengenommen, vor Gericht gestellt und wie ein gewöhnlicher Krimineller gekreuzigt wurde. Welche archäologischen Entdeckungen bestätigen und erhellen die vielen Einzelheiten der letzten Tage Jesu auf Erden?
Nachweis von Kaiphas’ Grab
Die Ereignisse erreichten ihren Höhepunkt, als Jesus und seine Jünger zum letzten Passafest nach Jerusalem kamen. Die Hohenpriester gerieten in Panik, nachdem sie hörten, daß Jesus seinen Freund Lazarus im nahegelegenen Bethanien von den Toten auferweckt hatte (Johannes 11).
Wie reagierten sie auf die Nachricht dieses Wunders? „Da versammelten die Hohenpriester und die Pharisäer den Hohen Rat und sprachen: Was tun wir? Dieser Mensch tut viele Zeichen. Lassen wir ihn so, dann werden sie alle an ihn glauben ... Einer aber von ihnen, Kaiphas, der in dem Jahr Hoherpriester war, sprach zu ihnen: Ihr wißt nichts; ihr bedenkt auch nicht: Es ist besser für euch, ein Mensch sterbe für das Volk, als daß das ganze Volk verderbe... Von dem Tage an war es für sie beschlossen, daß sie ihn töteten“ (Johannes 11,47-53).
Erstaunlicherweise wurde das Grab dieses Hohenpriesters 1990 entdeckt. Der israelische Archäologe Zvi Greenhut, der den Fund bezeugte, beschreibt dieses Ereignis: „An einem kalten Tag Ende November teilte mir das Amt für Antiquitäten mit, daß man eine alte Höhle gefunden hätte ... Als ich ankam, sah ich, daß die Decke der Höhle eingestürzt war. Doch selbst von außen konnte ich vier Beinhäuser bzw. Knochenkästen im Mittelraum der Höhle erkennen. Für einen Archäologen ist dies ein klarer Hinweis darauf, daß es sich um eine jüdische Grabstätte handelt ... So entdeckten wir die letzte Ruhestätte der Familie des Kaiphas, deren priesterliche Mitglieder den Prozeß gegen Jesus Christus geleitet hatten“ (Biblical Archaeological Review, September-Oktober 1992, Seite 29-30).
Zwei der zwölf ausgegrabenen Steinkästen hatten auf der Seite den Namen Kaiphas geschrieben, einer davon sogar den vollständigen Namen „Josef, Sohn des Kaiphas“. In dem Kasten lagen die Überreste eines etwa 60jährigen Mannes, zusammen mit den Gebeinen einer Frau und vier jüngeren Leuten, wahrscheinlich Angehörige seiner Familie.
Der Archäologe Ronny Reich hat weitere Einzelheiten über diesen Fund: „Das am meisten verzierte Beinhaus, das in dieser Höhle gefunden wurde, enthält zwei Inschriften, die sich auf Kaiphas beziehen ... Der ältere Mann, der in diesem reich dekorierten Knochenkasten begraben war, war anscheinend Josef. Es war wahrscheinlich einer seiner Vorfahren, der diesen Spitznamen (Beinamen) bekommen hatte [Kaiphas war ein Spitzname bzw. Beiname und bedeutet ,Korb‘, wahrscheinlich von ,Korbmacher‘].
Eine Person namens Josef mit dem Beinamen Kaiphas war von 18 bis 36 n. Chr. Hoherpriester in Jerusalem. Das Neue Testament gibt nur seinen Beinamen in der griechischen Form wieder (vgl. Matthäus 26,3. 57; Lukas 3,2; Johannes 11,49; 18,13-14; 24,28; Apostelgeschichte 4,6). Auch Josephus [ein jüdischer Historiker des ersten Jahrhunderts] erwähnt seinen ganzen Namen: ,Josef Kaiphas‘ oder: ,Josef, der Kaiphas, der Hohepriester‘. Josephus erklärt deutlich, daß Kaiphas tatsächlich ein Spitzname (Beiname) war“ (ebenda, Seite 42).
Archäologen haben somit die Wirklichkeit dieser wichtigen neutestamentlichen Persönlichkeit belegt. Damit wurde die Existenz einer führenden Person, die maßgeblich an der Gefangennahme Jesu, seines Gerichtsprozesses und seiner Hinrichtung beteiligt war, belegt.
Die Pilatus-Inschrift
Nach der Gefangennahme Jesu auf die Anordnung Kaiphas’ hin, wurde er diesem vorgeführt und später zum römischen Statthalter Pontius Pilatus geschickt. Das neutestamentliche Porträt von Pilatus stimmt mit anderen historischen Berichten überein. „Philo und Josephus bescheinigen Pilatus einen dunklen Charakter und bringen ihn mit schrecklichen und skrupellosen Praktiken in Zusammenhang“ (The Interpreter’s Dictionary of the Bible, 1989, Band 3, Seite 813).
Philo, ein jüdischer Philosoph aus Alexandria (20 v. Chr. - 50 n. Chr.), beschrieb Pilatus als „einen sehr unnachgiebigen, gnadenlosen und eigensinnigen Mann“. Er sagt, daß sich die Herrschaft von Pilatus durch „Korruption, ... Überheblichkeit, ... Grausamkeit ... und ständige Ermordungen von Menschen, denen kein Prozeß gemacht wurde, sowie einer nie endenden, grundlosen und sehr schlimmen Unmenschlichkeit auszeichnete“ (The Works of Philo, übersetzt von C. D. Yonge, Seite 301-302). Jahre nach der Kreuzigung Christi wurde Pilatus nach Rom bestellt, wo er sich einem demütigenden Prozeß wegen der Tötung einiger samaritischer Pilger unterziehen mußte. Eusebius, ein Historiker des 4. Jahrhunderts, berichtet, daß Pilatus schuldig erklärt und ins Exil geschickt wurde.
Mehrere Jahrhunderte lang war Pilatus nur durch vereinzelte historische Erwähnungen und die Evangelien bekannt. Kein anderer direkter Beweis war vorhanden. Dann wurde 1961 in Cäsarea, zur Zeit Christi ein römischer Hafen und die Hauptstadt Judäas, eine Steinplakette mit dem Namen und Titel des Pilatus entdeckt. „Die ca. 60 cm x 90 cm große Tafel, bekannt als die ,Pilatus-Inschrift‘, war anscheinend dem Bau eines ,Tiberiums‘ durch Pilatus gewidmet, einem Tempel zur Anbetung des in der Regierungszeit von Pilatus über Judäa herrschenden römischen Kaisers Tiberias Cäsar.
Die vierzeilige lateinische Inschrift gibt seine Anrede mit ,Pontius Pilatus, Präfekt von Judäa‘ wieder, ein Titel, der dem aus den Evangelien ähnelt (siehe Lukas 3,1). Dies war der erste archäologische Fund, der Pilatus erwähnte, und durch den wieder einmal die Genauigkeit der Evangelisten bestätigt wurde. Ihre Kenntnis über solche offiziellen Titel weist darauf hin, daß sie in der Zeit lebten, als diese auch gebraucht wurden, und nicht ein oder zwei Jahrhunderte später, nachdem sie in Vergessenheit geraten wären“ (Randall Price, The Stones Cry Out, 1997, Seite 307-308).
Grausiger Nachweis der Kreuzigung
Bis vor kurzem hielten einige Gelehrte die Beschreibung von Christi Kreuzigung für falsch. Sie hielten es für unmöglich, daß ein menschlicher Körper nur durch in die Hände und Füße geschlagene Nägel gehalten werden konnte, weil das Fleisch irgendwann reißen würde. Sie meinten, daß die Opfer statt dessen mit Seilen angebunden worden wären. 1968 fand man aber den Körper eines in Jerusalem gekreuzigten Mannes aus dem ersten Jahrhundert. Die wahre Methode der Kreuzigung wurde entdeckt: Nicht seine Füße, sondern seine Fußgelenke waren genagelt worden und konnten sein Gewicht leicht tragen.
Der Archäologe Randall Price erklärt: „Dieser seltene Fund hat sich als eines der wichtigsten archäologischen Zeugnisse der Kreuzigung Jesu erwiesen, wie sie in den Evangelien beschrieben wird. Zuallererst wird das Grauen dieser römischen Strafe erneut offenbart ... Diese Methode der Exekution läßt das Körpergewicht auf den Nägeln liegen, was schreckliche Muskelkrämpfe und am Ende den Tod durch den unerträglichen Prozeß der Erstickung verursacht ... Zweitens wurde einmal behauptet, daß die Beschreibung der Evangelien von der Kreuzigungsmethode historisch ungenau sei ... Die Entdeckung des von Nägeln durchbohrten Knöchels widerspricht denjenigen, die behaupten, daß Nägel nicht hätten benutzt werden können“ (Price, Seite 309-310).
Das römische Gesetz der damaligen Zeit sah die Kreuzigung als Strafe für die schlimmsten Gesetzesübertretungen vor, wie z. B. Rebellion, Betrug oder Raub. Ein berühmtes Beispiel einer Massenkreuzigung fand im Jahr 71 v. Chr. statt, als Spartakus im Sklavenaufstand gegen Rom unterlag und 6000 gefangene Sklaven gekreuzigt wurden.
Den Juden waren Kreuzigungen schon vor der römischen Herrschaft bekannt, denn 87 v. Chr. ließ der jüdische König Alexander Janneus 800 rebellische Pharisäer kreuzigen. Josephus, der die Kreuzigung von Juden während der Belagerung Jerusalems (66-70 n. Chr.) beobachtete, nannte dies „den schlimmsten Tod von allen“. Diese Strafe für schlimme Vergehen wurde bis zur Zeit des Kaisers Konstantin (306-337 n. Chr.) eingesetzt und erst dann endlich abgeschafft.
Wurde Jesus ans Kreuz genagelt?
Die genaue Form des Pfahls oder Kreuzes, an dem Jesus gekreuzigt wurde, ist nicht bekannt, denn die Römer benutzten verschiedene Formen.
Das griechische Wort für Kreuz ist stauros. Das Nachschlagewerk Vine’s Expository Dictionary of Old and New Testament Words gibt weitere Hintergrundinformationen zu diesem Wort: „Stauros ... bedeutet hauptsächlich ,ein aufrechter Pfahl oder Pfosten‘. An solche wurden Übeltäter zur Hinrichtung genagelt. Sowohl das Substantiv als auch das Verb staroo (,an einen Pfahl oder Pfosten binden‘) wurden ursprünglich von der kirchlichen Form des ,Kreuzes‘ mit zwei Balken unterschieden. Die Form des ,Kreuzes‘ stammt aus dem antiken Chaldäa [Babylon] und wurde in diesem Land und in benachbarten Ländern, einschließlich Ägypten, als das Symbol des Gottes Tammuz benutzt.
Bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. waren die Kirchen entweder von bestimmten Lehren des christlichen Glaubens abgewichen oder hatten sie abgeändert. Um das Ansehen des abtrünnigen kirchlichen Systems zu fördern, wurden Heiden in die Kirchen eingelassen und diese durften zum großen Teil ihre heidnischen Zeichen und Symbole beibehalten. So wurde das Tau oder T in seiner häufigsten Form mit dem niedrigeren Querbalken als das ,Kreuz‘ Christi angenommen. Das Chi oder X, welches Kaiser Konstantin in einer Vision gesehen hatte, in der er den christlichen Glauben zum Sieg führte, war der Anfangsbuchstabe des Wortes ,Christus‘ und hatte nichts mit dem ,Kreuz‘ zu tun (xulon = Holzbalken, Baum).“
Das leere Grab
Die Autoren der Evangelien haben viele Einzelheiten von dem Begräbnis und Grab Jesu festgehalten. „Am Abend aber kam ein reicher Mann aus Arimathäa, der hieß Josef und war auch ein Jünger Jesu. Der ging zu Pilatus und bat um den Leib Jesu. Da befahl Pilatus, man sollte ihm ihn geben. Und Josef nahm den Leib und wickelte ihn in ein reines Leinentuch und legte ihn in sein eigenes neues Grab, das er in einen Felsen hatte hauen lassen, und wälzte einen großen Stein vor die Tür des Grabes und ging davon ... Am nächsten Tag, der auf den Rüsttag folgt, kamen die Hohenpriester mit den Pharisäern zu Pilatus und sprachen: Herr, wir haben daran gedacht, daß dieser Verführer sprach, als er noch lebte: Ich will nach drei Tagen auferstehen. Darum befiehl, daß man das Grab bewache bis zum dritten Tag ... Sie gingen hin und sicherten das Grab mit der Wache und versiegelten den Stein“ (Matthäus 27,57-66).
Inwieweit stimmen die Evangelien mit den archäologischen Entdeckungen über Beerdigungspraktiken des ersten Jahrhunderts überein? In der Gegend von Jerusalem wurden sieben Gräber gefunden, die der Beschreibung aus den Evangelien genau entsprechen. „Zur Zeit der Römer war es üblich, den Eingang durch einen großen, runden Stein zu verschließen. Der Stein stand auf der Kante und wurde in eine Furche vor der Graböffnung gerollt, damit der Eingang dicht verschlossen war. Dieser Stein konnte dann zusätzlich mit einem Band oder durch eine Versiegelung gesichert werden. Pilatus wies deshalb an, das Grab des Josef von Arimathäa, in das der Leichnam Jesu gelegt worden war, sorgfältig zu versiegeln und so unantastbar wie möglich gemacht zu machen“ (The International Standard Bible Encyclopedia, 1979, Band 1, Seite 559).
Zur Sicherung eines Grabes befestigten die Römer ein Seil über den runden Stein. Sie versiegelten das Seil mit Wachs und dem Stempel des römischen Reiches. Die unbefugte Beschädigung des Siegels bedeutete die römische Autorität zu verletzen und die Todesstrafe zu riskieren. Nach der Versiegelung wurden Wachen mit dem Befehl, es mit allen Mitteln zu verteidigen, vor das Grab gestellt. Sollte eine Wache einschlafen, würde sie es mit dem Leben bezahlen. Mit all diesen Maßnahmen galt ein Grab als völlig sicher und unantastbar.
Als Jesus aber auferstand und ein Engel das Grab öffnete, berichtet die Bibel, daß die Wachen „aus Furcht ... [erschraken] und wurden, als wären sie tot“ (Matthäus 28,4). Als die Wachen wieder zu sich kamen und das leere Grab sahen, suchten sie sofort Hilfe bei den Hohenpriestern, weil sie wußten, daß ihnen die Todesstrafe bevorstand: „Als sie aber hingingen, siehe, da kamen einige von der Wache in die Stadt und verkündeten den Hohenpriestern alles, was geschehen war. Und sie kamen mit den Ältesten zusammen, hielten Rat und gaben den Soldaten viel Geld und sprachen: Sagt [der römischen Autorität], seine Jünger sind in der Nacht gekommen und haben ihn gestohlen, während wir schliefen. Und wenn es dem Statthalter zu Ohren kommt, wollen wir ihn beschwichtigen und dafür sorgen, daß ihr sicher seid. Sie nahmen das Geld und taten, wie sie angewiesen waren“ (Verse 11-15).
Zusammenfassung der Evangelien
Die Archäologie hat viele Einzelheiten der Beschreibungen über den Prozeß, die Kreuzigung und die Beerdigung Jesu in den Evangelien bestätigt. Der Archäologe Price schreibt: „Die Archäologie hat uns gezeigt, daß die Tatsachen, die den Glauben [an die Auferstehung Jesu] unterstützen, richtig sind: ein unantastbares Grab, das tatsächlich stattgefundene Ereignisse bezeugt. Glaube an den historischen Christus basiert auf einem historisch leeren Grab. Während die Archäologie nur das Grab offenbaren kann, sind die Personen und Ereignisse (Herodes, Pilatus, Kaiphas, die Kreuzigung usw.), die zu der Auferstehung geführt haben, mit diesen Tatsachen verbunden“ (Price, Seite 315, 318).
Wir fassen den Zweck dieser Serie über die Evangelien mit einem Zitat zusammen: „Fünf Evangelien berichten über das Leben Jesu. Vier finden Sie in den Büchern und eins in dem Land, das heilig genannt wird. Lesen Sie das fünfte Evangelium und die Welt der vier anderen wird sich Ihnen eröffnen“ (Bargil Pixner, With Jesus Through Galilee According to the Fifth Gospel, 1992).