Berichtet uns die Bibel alles, was man über das Leben Jesu Christi wissen kann? Schon lange spekuliert man darüber, ob Jesus wirklich der Mensch war, so wie ihn die Evangelisten darstellen.
Von Paul Kieffer und Darris McNeely
In seinem Musical Jesus Christ Superstar fragt der englische Komponist Andrew Lloyd Webber: „Jesus Christus, Superstar, wer bist du? Bist du der Mann, für den du dich hältst?“ Die Frage, die viele andere gestellt haben, lautet etwas anders: Was wissen wir über diesen Jesus von Nazareth? Das Christentum, „anders als die meisten Kulte der Spätantike“, bezog sich „nicht nur auf zeitlose Mythen und Legenden, sondern auf ein einmaliges historisches Ereignis“: Den Menschen Jesus von Nazareth hat es nämlich vor 2000 Jahren tatsächlich gegeben (Der Spiegel, 2004/16, Seite 168).
Was wissen Sie über diesen Jesus? Mehr noch: Was können Sie über ihn wissen? Liefert uns die Bibel einen vollständigen Bericht über das Leben Jesu? Ist Jesus „der Mann, für den die Bibel ihn hält“?
Vor dem Hintergrund einer allgemeinen Unkenntnis des biblischen Inhalts geht es dem einen darum, den heutigen Menschen den Jesus der Bibel nahezubringen. Durch den Spielfilm des Hollywood-Regisseurs Mel Gibson, Die Passion Christi, kehrte beispielsweise „ein Mann auf die Medienbühne zurück, der auf den ersten Blick wie ein Alien wirkt: Jesus Christus, der Schmerzensmann“ (ebenda, Seite 154).
Das wahre Ausmaß der Leidensgeschichte Jesu ist vielen unbekannt. Mittelalterliche Darstellungen eines kränkelnd wirkenden, schmächtigen Jesus mit langen Haaren am Kreuz (lesen Sie dazu den Artikel Wie sah Jesus Christus aus?), dem man aber außer den Wunden an seinen Händen, Füßen und seiner Seite keine offensichtliche Mißhandlung anmerken kann, leugnen völlig die Grausamkeit, die Jesus in den letzten Stunden seines Lebens erfuhr. Gibson beschrieb seine Darstellung dieses Leidens als „sehr realistisch und der Wahrheit, wie ich sie auffasse, so nahe wie möglich“.
Anscheinend teilen nicht alle in Deutschland Gibsons Auffassung der Wahrheit. „Zwei Stunden dauert Mel Gibsons Film über Leiden und Sterben Jesu“, so Die Zeit in ihrer Ausgabe vom 4. März 2004, „und nur selten zeigt er etwas anderes als die Großaufnahmen langsam und genüßlich zerstörten Menschenfleisches. Er schildert nicht Die Passion Christi, wie der Titel behauptet ... Es handelt sich um ein kalifornisches Splattermovie.“
Die Bibel wird ergänzt
Bei den gegensätzlichen Meinungen zu Gibsons Film geht es um eine Darstellung des biblischen Inhalts. Für andere geht es bei der angeblich vollständigen Lebensgeschichte des Jesus von Nazareth um Dinge, die die Bibel mit keinem Wort erwähnt bzw. die den Aussagen der Bibel komplett widersprechen. Ein Beispiel ist das 1967 erschienene Buch des englischen Geschichtsprofessors Hugh Schonfield Der lange Weg nach Golgotha (Titel des Originals: The Passover Plot), worin eine „logische“ Erklärung für die im Neuen Testament geschilderten Ereignisse geboten wird. Fazit des Buchs: Die Evangelien sind im besten Fall unvollständig und im schlimmsten Fall eine bewußte Fälschung.
Die neueste Offerte in dieser Richtung ist The Da Vinci Code, das Buch des amerikanischen Schriftstellers Dan Brown, das seit Wochen zur US-Bestsellerliste gehört und 2005 als Spielfilm auf die große Leinwand kommen soll. In geschickter Weise verwebt Brown Fakten mit Dichtung, um seinen Lesern eine fesselnde Story zu bieten, der jedoch jegliche biblische Bestätigung mangelt. Nach Browns Schilderung war Jesus in Wirklichkeit mit Maria Magdalena verheiratet und hinterließ sie bei seinem Tode als eine schwangere Frau. Maria Magdalena und ihr Kind fanden in Südfrankreich einen sicheren Unterschlupf, und heute soll es immer noch Nachkommen dieses Kindes geben.
Die von Männern dominierte Kirche unterdrückte diese „Wahrheit“ und sorgte angeblich dafür, daß alle Berichte, die Jesu Ehe mit Maria Magdalena erwähnten, gesäubert wurden. Browns Erzählung zufolge gab es jedoch einige, die die wahre Geschichte kannten und sie in verschlüsselten Botschaften an die nachfolgenden Generationen weitergaben.
Unter ihnen soll auch der italienische Maler Leonardo da Vinci gewesen sein, dessen Name sich in dem Titel des Buches wiederfindet. Da Vincis Weitergabe des Geheimnisses soll durch sein berühmtes Gemälde Das letzte Abendmahl erfolgt sein, auf dem er Maria Magdalena zur Rechten Jesu abbildete. Die Bibel bestätigt diese Darstellung nicht, denn in den Evangelien werden nur die zwölf Apostel als Anwesende genannt.
Der amerikanische Fernsehsender ABC widmete Dan Browns Buch eine ganze Sendung. Dafür wurde auch Brown interviewt. Zum Wandel in seinem Denken meinte er: „Anfangs war ich skeptisch. Als ich mit meinen Recherchen für The Da Vinci Code anfing, meinte ich, ich würde einen Großteil der Theorie über Maria Magdalena, das heilige Blut und alles andere widerlegen. Statt dessen wurde ich bekehrt.“
Das Resümee des Senders zum Schluß des Interviews: „Einige der in diesem Buch enthaltenen Behauptungen sind einfach unglaubwürdig, andere waren schon früher bekannt. Die Geschichte von Jesus, Maria Magdalena und Leonardo da Vinci enthält jedoch einige überraschende Wahrheiten.“
Dichtung als Wahrheit verkleidet
Um welche „Wahrheiten“ handelt es sich? Nachfolgend einige Zitate aus Browns Buch:
„Daraus [dem Konzil zu Nizäa, 325 n. Chr.] resultierte der bedeutendste Augenblick der christlichen Geschichte. Konstantin gab eine neue Bibel in Auftrag und finanzierte sie, in der die Evangelien, die Jesus als göttlich beschrieben, ausgeschmückt und andere, die Jesu menschliche Eigenschaften behandelten, ausgelassen wurden. Diese anderen Evangelien wurden verboten, gesammelt und verbrannt“ (Seite 234).
„Es war die größte Vertuschung der Menschheitsgeschichte. Jesus Christus war nicht nur verheiratet, sondern auch Vater ... Maria Magdalena war das heilige Gefäß. Sie war der Kelch, der die königliche Nachkommenschaft Jesu Christi trug. Sie war die Gebärmutter, die die Abstammungslinie hervorbrachte, der Weinstock, dem die heilige Frucht entsprang“ (Seite 249).
„Zur Zeit der Kreuzigung war Maria Magdalena schwanger ... Mit der Hilfe von Jesu vertrautem Onkel, Josef von Arimathäa, reiste sie im geheimen nach Frankreich, zu jener Zeit als Gallien bekannt. Dort fand sie in der jüdischen Gemeinde eine sichere Zuflucht. Hier in Frankreich brachte sie eine Tochter zur Welt“ (Seite 255).
Dan Brown behauptet, daß geheime Dokumente zusammen mit dem Leichnam der Maria Magdalena beerdigt wurden. Die Entdeckung dieser Dokumente, die angeblich das „wahre“ Evangelium enthalten, würde das Christentum zerstören. Das Erstaunliche an diesem Buch ist, daß Dichtung als Wahrheit verkauft wird. Wer es liest, die Bibel nicht kennt und dazu auch noch mangelhafte Geschichtskenntnisse aufweist, könnte verwirrt werden und die Bibel in Frage stellen.
Interessanterweise war es Jesus selbst, der eine deutliche Warnung über diejenigen aussprach, deren Taten solche Reaktionen auslösen: „Es wäre besser für ihn, daß man einen Mühlstein an seinen Hals hängte und würfe ihn ins Meer, als daß er einen dieser Kleinen zum Abfall verführt“ (Lukas 17,2).
Maria Magdalena als Beweis
Die Bibel bestätigt Dan Browns Thesen nicht. Nach der Heiligen Schrift war Jesus nicht verheiratet, und sie enthält überhaupt keine Anhaltspunkte für eine Ehe Jesu mit Maria Magdalena. Aus diesem Grund muß Brown argumentieren, daß es zusätzlich zur Bibel auch andere glaubwürdige Überlieferungen gab.
Die Vorstellung, wonach es andere authentische Berichte und apostolische Briefe gab, die verlorengegangen sind, läßt manche den biblischen Bericht in Frage stellen. Es stimmt, daß diverse Episteln und Bücher nach dem ersten Jahrhundert im Umlauf waren, die als authentisch ausgegeben wurden. Der Apostel Paulus warnte schon zu seinen Lebzeiten vor gefälschten Briefen, die von den Aposteln stammen sollten (2. Thessalonicher 2,2).
Ausgerechnet Maria Magdalena liefert einen schlagenden Beweis für die Glaubwürdigkeit des neutestamentlichen Textes. Daß die vier Evangelien – Matthäus, Markus, Lukas und Johannes – wenige Jahrzehnte nach den in ihnen geschilderten Ereignissen abgefaßt wurden, wird heute allgemein nicht angezweifelt. In einem Punkt hat Dan Brown recht: Die Gesellschaft des ersten Jahrhunderts war eine von Männern dominierte Welt.
Der Status von Frauen war dem Sklaventum nicht weit entfernt. In der Kultur Roms übte ein Ehemann vollständige Kontrolle über seine Frau aus. Ehefrauen aßen nicht gemeinsam mit den von ihren Männern geladenen Gästen. Ohne männliche Begleitung durften sie das Haus nicht verlassen, und Ehebruch seitens der Frau konnte mit dem Tod bestraft werden. Solche Zustände erinnern an den Status von Frauen im strenggläubigen fundamentalistischen Islam.
Angesichts solcher Vorstellungen ist es äußerst bemerkenswert, daß eine Frau – Maria Magdalena – die Kunde von der Auferstehung Jesu seinen männlichen Jüngern überbringt: eigentlich ein radikaler Bruch mit der Kultur jener Zeit. Dem heutigen Leser in der liberalen westlichen Gesellschaft ist die Tragweite dieser Darstellung aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. nicht bewußt. Vier männliche Autoren, die bereits genannten Evangelisten, bezeugen übereinstimmend, daß eine Frau als erste Person dem auferstandenen Jesus begegnet ist und von seiner Auferstehung berichtete.
Die neutestamentlichen Schreiber müssen von der Wahrhaftigkeit der Darstellung überzeugt gewesen sein. Ihre Schilderung, da sie auf den Aussagen einer Frau beruhte, wäre für ihre Zeit allein aus diesem Grund eher unglaubwürdig gewesen. So kann dieser Teil des biblischen Berichts praktisch nur als interner Beweis für dessen Richtigkeit betrachtet werden. Die Notwendigkeit einer Ergänzung durch nichtbiblische Quellen, denen diese interne Beweiskraft fehlt, erübrigt sich.
Die Bibel leugnen: Was war die zentrale Botschaft Jesu?
Für viele bekennende Christen sind solche Theorien, wie man sie in dem Buch The Da Vinci Code und in anderen Publikationen findet, befremdend. Mit der Vorstellung, der biblische Bericht sei unvollständig und damit auch nicht ganz wahrheitsgemäß, können sie sich verständlicherweise nicht anfreunden. Den allermeisten dieser Christen ist jedoch die Tatsache unbekannt, daß Autoren wie Dan Brown, wenn sie es wollten, sich auf eine sehr alte Tradition berufen könnten.
In Dan Browns Schilderung der Auswirkungen der „Ehe“ zwischen dem Christentum und dem römischen Staat unter Kaiser Konstantin bleibt eine bedeutende Entwicklung unerwähnt. Die klaren Aussagen Jesu und seiner Apostel über das kommende Reich Gottes wurden immer mehr aus dem staatlichen Christentum heraus interpretiert zugunsten eines „neuen“ Evangeliums, in dessen Mittelpunkt die Permanenz der Staatskirche als Institution stand.
Das Reich Gottes war gleich zu Beginn seines Predigens der Mittelpunkt der Botschaft Jesu an die Menschen: „Nachdem aber Johannes gefangengesetzt war, kam Jesus nach Galiläa und predigte das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ (Markus 1,14-15; alle Hervorhebungen durch uns).
Das Reich Gottes zieht sich wie ein roter Faden durch die Reden und Gespräche Jesu Christi. Das Bibellexikon Zondervan Pictorial Encyclopedia of the Bible stellt dazu folgendes fest: „Es kann kaum angezweifelt werden, daß der Ausdruck ,Reich Gottes‘ das Hauptthema seiner [Jesu] Lehre darstellt“ (Zondervan Verlag, Band III, 1976, Seite 804). Mit seinem Predigen über das Reich Gottes erweiterte Jesus lediglich das zentrale Thema des Alten Testamentes. In früheren Jahrhunderten hatten die hebräischen Propheten auf die zukünftige Realität dieses Reiches hingewiesen.
Daher meint der Theologe John Bright zur ganzen Bibel: „Müßten wir einen Titel für die Bibel finden, so könnten wir sie mit Berechtigung ,Das Buch des kommenden Reiches Gottes‘ nennen. Das ist in der Tat überall ihr zentrales Thema. So sind das Alte Testament und das Neue Testament die zwei Akte eines einzelnen Bühnendramas“ (The Kingdom of God, 1981, Seite 197).
Die Jünger Jesu verstanden seine Botschaft. In dem Begriff Reich Gottes sahen sie eine zukünftige Weltregierung. Sie verknüpften das Etablieren dieses Reiches mit einer allumfassenden neuen Weltordnung. Ihnen war klar, daß Jesus, als er über das Reich Gottes predigte, eine buchstäbliche Regierung meinte – eine organisatorische Struktur, hinter der die Autorität Gottes steht. Bestimmte Herrscher, die mit Jesu Botschaft in Berührung kamen, erkannten die politische Bedeutung dieser Botschaft und sahen darin eine Bedrohung ihrer eigenen Macht. Solche Überlegungen spielten bei der Kreuzigung Jesu eine Rolle (Lukas 23,2; Johannes 19,12).
Die Staatsreligion Roms setzt sich über die Bibel hinweg
Im Laufe der Zeit fingen Historiker an, dieses zukünftige Königreich als das Millennium zu bezeichnen. Das Wort Millennium setzt sich aus den lateinischen Wörtern mille [= tausend] und annum [= Jahr] zusammen. In der Offenbarung schrieb der Apostel Johannes, daß die Heiligen mit Christus eintausend Jahre herrschen werden: „Und ich sah Throne, und sie setzten sich darauf, und ihnen wurde das Gericht übergeben ... diese wurden lebendig und regierten mit Christus tausend Jahre“ (Offenbarung 20,4).
Manche biblische Nachschlagewerke behandeln das Reich Gottes unter dem Stichwort „Millennium“. Das Millennium und das Reich Gottes sind nicht hundertprozentig synonym, obwohl sie sich überschneiden. Nach der Bibel wird die tausendjährige Herrschaft Christi die göttliche Herrschaftsordnung auf der Erde einleiten, wobei sein Reich als ewiges Reich das Millennium weit überdauern wird (Daniel 7,13-14).
Weniger als ein Jahrhundert nach Kaiser Konstantin verbreitete der Kirchenlehrer Augustinus (354-430 n. Chr.), der ursprünglich an eine buchstäbliche tausendjährige Herrschaft Jesu glaubte, eine allegorische Interpretation, um „die Kirche mit dem Reich Gottes zu identifizieren. Er behauptete, daß das tausendjährige Zeitalter bereits begonnen habe“ (ebenda). Er „befürwortete die Theorie, daß das Millennium eigentlich mit der Geburt Christi angebrochen sei“ (New Catholic Encyclopedia, 1967, Stichwort „Millenarianism“).
Aufgrund der Beschlüsse des von Kaiser Konstantin einberufenen Konzils von Nizäa war zur Zeit Augustinus’ das Christentum eine offizielle Staatsreligion des Römischen Reiches. Augustinus lehrte deshalb, daß die Kirche in dieser gegenwärtigen Welt das Reich Gottes sei und daß „die tausend Jahre alle Jahre der christlichen Ära versinnbildlichen“. Diesen Standpunkt vertrat Augustinus in seinem Werk Der Gottesstaat (20. Buch, 7. Kapitel). Die Kirche übernahm „die augustinische Sichtweise, wonach die biblischen Beschreibungen des Millenniums allegorisch sind“ (Encyclopedia Americana, 1998, Stichwort „Millennium“).
Dazu der Historiker Edward Gibbon: „Als der große, stattliche Bau der [römischen] Kirche fast fertig war, wurde ... die Lehre über die Herrschaft Christi auf der Erde ... als absurde Erfindung der Ketzer und Fanatiker verworfen“ (Verfall und Untergang des Römischen Reiches, Seite 234).
Damit hatte sich die römische Staatsreligion von dem Glauben der ersten Christen, der sich auf klare Aussagen der Heiligen Schrift gründete, verabschiedet: „Ganz gleich, wie die Lehre [vom Reich Gottes] von ihren späteren Verteidigern revidiert worden sein mag, sie beinhaltete nie das Konzept der irdischen Vervollkommnung der Kirche als geistliche Entwicklung; die millennialische Herrschaft ist kein idealer Zustand der Welt, der durch das jetzige Wirken geistlichen Saatguts vor oder unabhängig von dem zweiten Kommen Christi geschaffen wird. Statt dessen ist sie ein übernatürlicher Eingriff in diese Welt hinein, die darauf nicht vorbereitet ist und ihm Widerstand leisten wird“ (The New Schaff-Herzog Encyclopedia of Religious Knowledge, Grand Rapids, Michigan, 1953, Band VII, Seite 374).
Das Leugnen klarer Aussagen der Bibel und ihre „Ergänzung“ durch nichtbiblische Standpunkte, entweder durch theologische Interpretationen oder eigene Theorien, hat also eine lange Tradition.
Jesus: König aller Könige
Zu Beginn dieses Artikels fragten wir, ob die Bibel uns alles berichtet, was man über das Leben und Wirken Jesu Christi wissen kann. Ist es gerechtfertigt, diese Frage überhaupt zu stellen, wenn man nicht bereit ist, sich mit den Aussagen der Bibel über Jesus auseinanderzusetzen?
Nach der Bibel wurde Jesus Christus geboren, um ein König zu sein: „Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben“ (Lukas 1,31-33).
Am Tag seines Todes bestätigte Jesus diese Bestimmung seines Lebens: „Da fragte ihn Pilatus: So bist du dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König“ (Johannes 18,37).
Ca. 60 Jahre nach Jesu Tod bestätigte der Apostel Johannes, daß Jesus als König ein zweites Mal kommen wird: „Und ich sah den Himmel aufgetan; und siehe, ein weißes Pferd. Und der darauf saß, hieß: Treu und Wahrhaftig, und er richtet und kämpft mit Gerechtigkeit ... und trägt einen Namen geschrieben auf seinem Gewand und auf seiner Hüfte: König aller Könige und Herr aller Herren“ (Offenbarung 19,11. 16).
Am überraschendsten für alle, die den biblischen Bericht über das Leben und Wirken Jesu nicht kennen, dürften die Aussagen der Bibel über Jesu zukünftigen Wirkungsbereich sein. Wo wird Jesus sein Amt als König aller Könige antreten? Die meisten Christen meinen, sie würden nach dem Tode in den Himmel fahren. Die Bibel sagt aber nirgends, daß wir in den Himmel fahren. Statt dessen lehrt sie eindeutig, daß Jesus zur Erde zurückkehren wird (Apostelgeschichte 1,9-11).
Jesus wird eine neue Weltordnung hier auf der Erde schaffen, und Jerusalem wird der Mittelpunkt dieser neuen Weltordnung sein: „Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des Herrn Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, laßt uns auf den Berg des Herrn gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, daß er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem“ (Jesaja 2,2-3).
Nach der Bibel sind nichtbiblische Ergänzungen ihres Inhalts nicht der Schlüssel zum besseren Verständnis ihrer Aussagen. Statt dessen werden wir ermahnt, an dem Glauben festzuhalten, der uns mittels der Bibel „ein für allemal“ überliefert wurde (Judas 1,3). Unsere kostenlose Broschüre Das Reich Gottes – eine gute Nachricht behandelt einen wesentlichen Aspekt dieses Glaubens, der im Mittelpunkt der Botschaft Jesu stand. Auf Anfrage senden wir sie Ihnen gerne zu.
Wer trägt die Schuld am Tode Jesu Christi?
Unter den Ideen, die als Werbetexte für den Film Die Passion Christi erörtert wurden, war der provokative Satz: „Die Juden möchten nicht, daß Sie diesen Film sehen.“ Regisseur Mel Gibson, der als gläubiger Katholik während der Dreharbeiten für seinen Film täglich zur Messe ging, ist für seine ablehnende Haltung gegenüber den Beschlüssen des zweiten vatikanischen Konzils bekannt. Schon im Dezember 1990 sagte Gibson als Gast in der Talk-Show des CNN-Moderators Larry King: „Es hört sich in meinem Fall wie bei einem Egotisten an, wenn ich sage, daß die römische Kirche im Irrtum ist. Aber ich glaube daran, und zwar ist sie es seit Vatikanum II.“
Unter der Leitung von Papst Johannes XXIII. wurde auf diesem Konzil eine Klarstellung der Schuldfrage zum Tode Jesu Christi durch die Ablehnung einer Kollektivschuld der Juden beschlossen. Vor diesem Hintergrund, verknüpft mit Gibsons plastischer Darstellung des Leidens und Sterbens Jesu, sahen sich jüdische Organisationen vor der Filmpremiere genötigt, auf die mögliche Gefahr antisemitischer Reaktionen hinzuweisen.
So flammte die alte Frage wieder auf: Wer tötete Jesus Christus? Jesus forderte seine Feinde heraus: „Wer von euch überführt mich einer Sünde?“ (Johannes 8,46; Elberfelder Bibel). Der römische Hauptmann, der die Kreuzigung Jesu leitete, war zum Schluß überzeugt, daß er einen frommen Mann hingerichtet hatte (Lukas 23,47). Einer der Diebe, die mit Jesus gekreuzigt wurden, erkannte, daß Jesus „nichts Unrechtes getan“ und den Tod nicht verdient hatte (Lukas 23,41). Der römische Statthalter Pontius Pilatus, der die Kreuzigung Jesu autorisierte, bekannte zweimal vor den Juden die Unschuld Jesu (Johannes 18,38; 19,4). Trotzdem wurde Jesus hingerichtet.
Der Versuch, die Schuld am Tod Jesu festzulegen, hat grausame Verfolgungen ausgelöst. Meistens waren es die Juden, denen die Verantwortung für Jesu Hinrichtung zugewiesen wurde. Fast 2000 Jahre lang hat das traditionelle Christentum – katholisch wie auch protestantisch – diesen Standpunkt vertreten. Die Bibel jedoch lehrt keine ausschließliche Schuld der Juden. Schuldzuweisungen können – und sind es auch oft – nichts anderes als der Versuch sein, sich von jeglicher Schuld freizusprechen. Die Frage ist daher berechtigt: Wer ist wirklich schuld an dem Tod Jesu?
Jesus hatte viele Feinde. Er bedrohte den Status quo: die Machtpositionen in der jüdischen Gesellschaft Judäas. Viele hatten daher ihre Gründe, ihn mundtot zu machen. Im allgemeinen war es nicht das jüdische Volk, das Jesus töten wollte, sondern die Hohenpriester, die Schriftgelehrten und die Pharisäer. Mehrmals nennt die Heilige Schrift sie als diejenigen, die sich den Tod Jesu wünschten und ihn letztendlich auch beschlossen.
Diesen Unruhestiftern gelang es, das Volk zu manipulieren und so Pilatus zum Einlenken zu bewegen (Markus 15,11). Die Juden, unter denen Jesus lehrte und sogar Wunder wirkte – dieselben Menschen, die nur wenige Tage zuvor die Straßen Jerusalems säumten, um ihn als den prophezeiten Messias, den Sohn Davids, zu empfangen (Matthäus 21,9) – waren von diesen Heuchlern aufgewiegelt worden. Lauthals forderte das Volk seine Hinrichtung.
Die Römer waren auch mitschuldig am Tod Jesu. Obwohl er wußte, daß die Anklage gegen Jesus haltlos war, verurteilte Pilatus ihn zum Tode. Die römischen Soldaten setzten das Urteil in typisch römischer Weise um: Jesus wurde verspottet, geschlagen, auf brutale Weise ausgepeitscht und gekreuzigt. Es war ein römischer Soldat, der Jesus die Nägel durch die Hände und Füße schlug. Wenige Wochen nach dem Tode Jesu identifizierte der Apostel Petrus die Verantwortlichen: „Wahrhaftig, sie haben sich versammelt in dieser Stadt gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, Herodes und Pontius Pilatus mit den Heiden und den Stämmen Israels“ (Apostelgeschichte 4,27). Da scheint niemand unbeteiligt gewesen zu sein!
Es ist sehr einfach, die Schuld am Tode Jesu einer kleinen Gruppe zuzuweisen. Die religiösen Heuchler Judäas, denen Machterhalt vordergründig war, scheinen am meisten darin verwickelt zu sein. Ebenso einfach ist es, ein ganzes Volk für diesen Mord verantwortlich zu machen. Darüber hinaus kann man die Vertreter Roms schuldig sprechen. Die Bestimmung der Schuld ist aber nicht so einfach.
Hätte irgendeine Gesellschaft bzw. Kultur Jesus akzeptiert, deren Heuchelei und Sünden er aufdeckte? Unter diesen Voraussetzungen wäre das Leben Jesu auch in anderen Kulturen bedroht gewesen. Schließlich sagen die Prophezeiungen der Bibel voraus, daß die Menschen – auch solche, die dem Christentum zugerechnet werden – gegen den wiederkehrenden Jesus kämpfen werden! Vor dieser schrecklichen Wahrheit wollen manche Christen die Augen verschließen.
Ja, es stimmt: Die jüdischen Führer haben den Tod Jesu verlangt, und die Römer haben ihn hingerichtet. Jesus mußte sterben, weil wir alle gesündigt haben (Römer 3,23). Wir mögen den Bericht über die Eifersucht und den Haß gegen Jesus lesen und meinen, wir hätten anders gehandelt. Wir irren uns aber: Haben wir niemals Eifersucht, Neid und sogar Haß gegenüber unseren Mitmenschen empfunden? Wie unterscheidet sich das von dem, was Jesus erlebte? Jesus lehrte diesbezüglich: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ (Matthäus 25,40. 45).
Hätten wir anders gehandelt als die Jünger Jesu? Judas, anfangs ein eifriger Nachfolger Jesu, verriet ihn für dreißig Silberlinge. Petrus, der seine Treue zu Jesus lautstark vor allen anderen kundtat, verriet ihn noch in derselben Nacht, sogar mit Kraftausdrücken. Die anderen Jünger, die Petrus in seinem Treueschwur zustimmten (Matthäus 26,35), flohen kurze Zeit später, als Jesus verhaftet wurde. Niemand verteidigte Jesus, als er vor den Hohenpriestern und später vor Pilatus verhört wurde.
Die Botschaft der Apostel Jesu ist klar: Niemand darf sich von der Schuldfrage ausklammern! Alle Menschen tragen die Schuld am Tode Jesu. In diesem Sinne bekannte sich der Apostel Paulus schuldig: „Das ist gewißlich wahr und ein Wort, des Glaubens wert, daß Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen, unter denen ich der erste bin“ (1. Timotheus 1,15).