Chefredakteur Paul Kieffer schreibt an die
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September-Oktober 2005
Vor Jahren hörte ich einen Satz, an den ich in der letzten Augustwoche denken mußte: „Ich beschwerte mich darüber, keine Schuhe zu besitzen, bis ich einen Mann ohne Füße sah.“
Ich verbrachte gerade einige Tage bei Verwandten in Mobile, Alabama (USA), als Hurrikan Katrina die Südstaaten der USA am Golf von Mexiko verwüstete. Es war die denkbar schlechteste Zeit, sich gerade dort aufzuhalten, denn der Wirbelsturm hatte zeitweise die höchste Hurrikan-Kategorie 5 erreicht. Am 29. August ging Katrina um 6.10 Uhr Ortszeit mit einer Windgeschwindigkeit von ca. 240 km/h südöstlich von New Orleans im US-Bundesstaat Louisiana an Land. Der Rest ist Geschichte.
An diesem letzten Montag im August saß ich um 6.10 Uhr Ortszeit im Wohnzimmer meiner Verwandten in Mobile und sah die Berichte des „Wetterkanals“ im Fernsehen bis ca. 7.30 Uhr, als der Strom ausfiel. Draußen tobte schon der Wind, mehrere Bäume in der Nähe des Hauses waren entwurzelt worden und zerstörten die oberirdische Stromleitung in unserer Straße. Vor dem Stromausfall hatten die Meteorologen im Fernsehen vor einer Flutwelle an der nördlichen Spitze von „Mobile Bay“ (Bucht von Mobile) von 5 m gewarnt. Da wir nur ca. 2 km von der „Mobile Bay“ entfernt waren und die Wohnfläche des Hauses 4,5 m über dem mittleren Tidenstand gebaut wurde, warteten wir mit sichtlicher Anspannung auf das Ansteigen des Wassers.
Viel Geduld brauchten wir nicht zu haben, denn bis 10.00 Uhr hatte das Wasser den Eingang zum Keller des Hauses erreicht. Das hatte man in Mobile in der Hurrikan-Saison mehrmals erlebt, aber was danach kam, überraschte uns alle. Innerhalb der nächsten drei Stunden stand unser Haus plötzlich mitten in einem riesigen See und das Wasser spülte bis auf ca. 10 cm an das Erdgeschoß heran. Der Keller war vollgelaufen, wir hörten, wie schwimmende Gegenstände im Keller nur wenige Zentimeter von uns entfernt gegen die hölzerne Decke schlugen. Mittlerweile war auch das Dach des Hauses teilweise abgedeckt.
In diesen bangen Minuten überlegten wir, ob wir uns auf den Dachboden retten sollten. Und wir beteten. Gegen 13.30 Uhr änderte sich dann die Windrichtung, als das „Auge“ von Katrina ca. 160 km weiter westlich auf gleicher Höhe wie die Stadt Mobile war und dann weiter in Richtung Norden zog. Zu unserer großen Erleichterung zogen sich die bedrohlichen Fluten langsam zurück, vor einer Überschwemmung im Haus blieben wir verschont.
Am Abend fragte ich mich, wie es für die Menschen in Mobile weitergehen sollte. Ich muß offen zugeben, daß ich niedergeschlagen war. Die anderen Häuser in unserer Umgebung waren alle überflutet worden, die Nachbarn nebenan hatten alles verloren. Von den Berichten im Rundfunk wußten wir, daß mehrere hunderttausend Menschen am Golf von Mexiko ohne Strom waren. Dann kamen die ersten Meldungen aus Louisiana und Mississippi über Tote und Vermißte. (Die Stadt New Orleans war zu diesem Zeitpunkt noch nicht überflutet – der Dammbruch dort erfolgte erst am nächsten Tag.) Während mir das Ausmaß der Zerstörung langsam bewußt wurde, erkannte ich, daß wir äußerst dankbar sein konnten: meine Verwandten waren alle am Leben, niemand unter unseren Nachbarn war verletzt und trotz der momentanen Umstände ging es uns viel besser als anderen, die Hurrikan Katrina im Wege gestanden hatten – das Prinzip vom Mann ohne Füße also.
Katastrophen zwingen uns, unsere Prioritäten im Leben neu zu überdenken. Im normalen Alltag meinen wir, dafür keine Zeit zu haben. Was sind Ihre Prioritäten? Stehen sie im Einklang mit denen, die Jesus uns nahelegte? In Matthäus 6, Vers 33 lesen wir: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit.“
Wieviel Zeit und Mühe verwenden wir in unserem Alltag darauf, uns ein komfortables und angenehmes Leben zu schaffen? Auf der Suche nach dem vermeintlichen Glück im Leben sind Dinge wie ein schönes Haus, ein großes Auto, ein jährlicher Urlaub irgendwo in der Sonne, schöne Kleider und immer neuere technische Errungenschaften für viele unerläßlich.
Nancy, eine Frau aus New Orleans, hatte ihr ganzes Leben lang von einem Haus am Strand geträumt. Vor eineinhalb Jahren konnten sie und ihr Mann sich diesen Traum endlich erfüllen. In einer der vielen Nachrichtensendungen konnte man sehen, wie sie weinend durch die Trümmer ihres Hauses ging und nichts mehr finden konnte, was noch zu gebrauchen wäre. Es hat mich sehr berührt, wie sie in ihrer Verzweiflung zum Reporter sagte: „Dies war mein Traumhaus. Mein ganzes Leben lang habe ich dafür gearbeitet. Ich konnte es nur eine kurze Zeit genießen. Jetzt wünsche ich mir nur eines: daß ich einen festen Glauben hätte. Mein Mann ist gläubig. Leider kann ich nicht glauben, und ich wünsche es mir jetzt so sehr. Dann hätte ich etwas, an dem ich mich festhalten könnte – etwas, was mir Hoffnung geben könnte.“
Was bleibt uns noch von unserem Leben, wenn wir alles verloren haben, so wie es vielen Tsunami-Opfern und jetzt den Menschen in Alabama, Mississippi und Louisiana ergangen ist? Wenn uns das zerstörte Auto nicht mehr transportieren kann, der Schutt unseres ehemaligen Zuhauses keinen Schutz mehr vor der Hitze des Tages und der Dunkelheit der Nacht bieten kann?
Erlebnisse wie diese rufen unterschiedliche Reaktionen hervor: Entweder werden wir zornig und verbittert – oder wir erkennen unsere eigenen Grenzen und die Notwendigkeit für eine Beziehung zum großen Lebensspender, dem Schöpfergott. Die Beziehung, die sich Gott zu uns wünscht, ist jedoch eine dauerhafte Beziehung und nicht eine nur für den Augenblick. Anders ausgedrückt: Eine Katastrophe ist nicht die ideale Zeit, sich erstmals einfallen zu lassen, daß man Gott wohl gut gebrauchen könnte.
Die Deiche in der Stadt New Orleans sind da ein anschauliches Beispiel. Unmittelbar vor oder gar während des Sturms ist nicht die Zeit, einen Deich auszubessern oder zu erhöhen. Dann ist es zu spät! Man bedenke, daß Experten seit ca. 40 Jahren vor den Auswirkungen eines Hurrikans auf die Stadt New Orleans warnen. Man wußte, daß die Deiche einem Hurrikan der Kategorie 4 oder 5 nicht standhalten konnten. Vor Jahren hätte man mit der Verstärkung der Deiche, sozusagen Backstein für Backstein, beginnen sollen. So über Jahre gefestigt, hätten sie die Feuerprobe durch Katrina bestehen können.
Jeden Tag stellt sich in unserem Leben eine wesentliche Frage: Werden wir zulassen, daß sich Gott an unserem Leben beteiligt? Oder werden wir ihn ignorieren und uns sogar über ihn lustig machen, als gäbe es ihn nicht? Der Glaube, der Nancy beim Verlust ihres Hauses geholfen hätte, fehlte ihr nicht erst an dem Montag, als Katrina in der Nähe von New Orleans an Land ging. Sie hatte es versäumt, ihre Beziehung zu Gott sozusagen „Backstein für Backstein“ zu festigen. Als die Krise kam, war kein „Deich des Glaubens“ an der richtigen Stelle in ihrem Leben, um sie vor Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung zu schützen.
Davor bleibt man bewahrt, wenn man die Ermahnung beherzigt, die uns Jesus in seiner Bergpredigt gibt: „Wer diese meine Worte hört und sich nach ihnen richtet, wird am Ende dastehen wie ein kluger Mann, der sein Haus auf felsigen Grund baute. Als dann die Regenflut kam, die Flüsse über die Ufer traten und der Sturm tobte und an dem Haus rüttelte, stürzte es nicht ein, weil es auf Fels gebaut war“ (Matthäus 7,24-25; Gute Nachricht Bibel). Die Worte Jesu, auf die wir bauen sollen – seine wahre Botschaft vom Reich Gottes – sind weitgehend in Vergessenheit geraten, selbst unter bekennenden Christen. Deshalb ist es uns so wichtig, Sie mit unserer Zeitschrift Gute Nachrichten und unserer Zusatzlektüre immer wieder auf diese Botschaft hinzuweisen.
Für die Arbeit an einem „Deich des Glaubens“ ist es nicht zu spät. Fangen wir damit an – heute noch!