Chefredakteur Paul Kieffer schreibt an die
Abonnenten der Zeitschrift Gute Nachrichten.
März-April 2006
Ist die Zeitschrift Gute Nachrichten eine „Einbahnstraße“? Teilen wir nur mit, ohne zuzuhören?
Freilich geht es uns darum, Ihnen unseren Standpunkt zu diversen Themen mitzuteilen – sonst würden wir diese Zeitschrift nicht herausgeben! Wie die Leserzuschriften auf der gegenüberliegenden Seite zeigen, beschränkt sich unsere Arbeit aber keineswegs nur auf eine „Einbahnstraße“. Wir interessieren uns auch für die Meinung unserer Leser, die oft eine Reaktion auf einen Artikel bzw. eine Veröffentlichung ist.
Solche Rückmeldungen sind wertvoll, da sie uns Einsichten in die Denkweise unserer Leser vermitteln. Außerdem können sie als Gradmesser für die Verständlichkeit unserer Beiträge dienen. So gibt es ab und zu eine Leserzuschrift, die uns fragen läßt, ob wir uns mißverständlich ausgedrückt bzw. unseren Standpunkt unklar dargelegt haben. So erging es uns bei einem Leserbrief, den wir vor einigen Monaten erhielten. Daraus möchte ich die wesentlichen Punkte zitieren:
„Ich lese einige Ihrer Artikel wirklich gerne. Dabei überkommt mich jedoch manchmal das seltsame Gefühl, daß viele Ihrer Artikel geschickt formuliert sind, um die verschiedenen christlichen Konfessionen zu entzweien. Da scheint die römisch-katholische Kirche eine besondere Zielscheibe zu sein. Ihre Artikel über Jakobus, Jesu Halbbruder, Karfreitag und Ostersonntag sowie über das Halten des Sabbats am siebten Tag scheinen dem Katechismus der einen heiligen katholischen und apostolischen Kirche zu widersprechen, die in der Tat, angefangen mit Christus, seinen Aposteln und den Bischöfen Roms, die Grundlage der frühen Kirche bzw. des Christentums gewesen ist.“
Ein anderer Leser brachte es mit seiner knappen Anfrage per E-Mail auf den Punkt: „Sind Sie antikatholisch? Ich bitte um eine Stellungnahme!“
Solche Zuschriften lassen mich fragen, ob wir manchmal den – falschen – Eindruck erwecken, als ginge es uns darum, gegen bestimmte Dinge zu sein. Statt dessen haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, in der Zeitschrift Gute Nachrichten und in unserer Zusatzlektüre immer wieder auf die Sichtweise der ersten Christen hinzuweisen. Wir meinen, daß der Glaube und die Lehren der frühen Kirche heute weitgehend unbekannt sind, selbst unter bekennenden Christen. Wir wollen Ihnen aus diesem Blickwinkel Antworten geben und die Zukunftsperspektive vermitteln, die der ersten Christengeneration zu eigen war und mit der Zeit verloren ging.
Kurzum: Wir sind weder antikatholisch noch antiprotestantisch. Wir sind auch nicht „gegen“ Andersgläubige. Die Bibel soll der Maßstab sein, an dem unsere Publikationen gemessen werden. Die Quelle unserer redaktionellen Arbeit ist nämlich die Bibel, Altes und Neues Testament (Matthäus 4,4; 2. Timotheus 3,15-17). Wir möchten nicht, daß Sie uns blindlings glauben, sondern wir fordern Sie dazu auf, unsere Artikel mit einem kritischen Auge zu lesen und mit der Bibel zu vergleichen. Wenn das, was wir schreiben, mit der Bibel übereinstimmt, sollen Sie „das Gute behalten“ (1. Thessalonicher 5,21).
Wir freuen uns, wenn andere Konfessionen Standpunkte vertreten, die bibelkonform sind! Wir begrüßen es, wenn Kirchenvertreter beispielsweise in Fragen wie der Homosexualität oder der Abtreibung bei einer Linie bleiben, die mit biblischen Prinzipien übereinstimmt.
Die Bibel, nicht die Tradition, bleibt für uns immer die übergeordnete Meßschnur zur Beurteilung von Ansichten. Die zitierten Leserzuschriften zeigen uns, daß unsere sachliche Darstellung biblischer Inhalte bei manchen Lesern so ankommen kann, als wären wir, wenn die Aussagen der Bibel kirchlichen Traditionen oder der herkömmlichen Theologie zuwiderlaufen, gegen Andersgläubige oder andere Glaubensgemeinschaften.
Ich wiederhole: Wir sind nicht gegen andere, sondern wir sind für die Bibel! Unsere Darstellung soll sachlich und ohne Polemik sein. Wir dürfen jedoch nicht vor der Verkündigung biblischer Ansichten zurückscheuen, die christliche Traditionen in Frage stellen, nur weil einige dann meinen, wir würden Andersgläubige angreifen.
Ein Leser meinte, das Halten des Sabbats am siebten Tag – für das wir eintreten – scheine dem Katechismus der katholischen Kirche zu widersprechen. Der Schein trügt nicht. Ein katholischer Pädagoge, der im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert Erzbischof von Baltimore war, Kardinal James Gibbons, sprach dieses Thema sehr direkt und unverblümt an: „Man kann die Bibel von erste Mose bis zur Offenbarung lesen und wird dabei nicht eine einzige Stelle finden, welche die Heiligung des Sonntags autorisiert. Die Schrift gebietet das Halten des Samstags, eines Tages, den wir niemals heiligen. Die katholische Kirche lehrt richtigerweise, daß unser Herr und seine Apostel gewisse wichtige religiöse Pflichten einführten, die von den inspirierten Verfassern nicht aufgezeichnet wurden ... Daraus müssen wir schließen, daß die Schrift allein keine ausreichende Anleitung und Vorschrift für den Glauben sein kann“ (The Faith of Our Fathers, John Murphy Company, Baltimore, 1917, Seite 89).
Was sollen wir tun, wenn, wie in diesem konkreten Fall, die Rechtfertigung für die Ablehnung eines biblischen Standpunkts die Sichtweise ist, daß es auch außerhalb der Bibel Quellen gibt, die geistliche Wahrheiten definieren? Sollen wir schweigen, nur weil ein neutraler Hinweis auf den wahren Sachverhalt als „anti“-Verhalten verstanden werden könnte?
Meine Antwort auf diese Frage ist mit einem persönlichen Beispiel aus meinem eigenen Leben verknüpft. Als Sohn einer katholischen Mutter und eines protestantischen Vaters wurde ich nicht katholisch erzogen. Trotzdem erzählte mir meine Mutter, die in diesem Jahr 93 Jahre alt wird, viele Geschichten aus ihrer Kindheit. Die Kirche hat sie in ihren Ansichten stark geprägt. Sie berichtete uns von „Übersetzungen“ der lateinischen Formulierungen aus der Messe, die sie und ihre Freundinnen erfanden, um auf kindliche Weise den Klang einer fremden Sprache verständlich zu machen.
An eine Sache aus meiner Kindheit kann ich mich ziemlich genau erinnern. Gegen Ende der 1950er Jahre starb der Onkel meiner Mutter. Er war alleinstehend und vermögend, und in seinem Testament hatte er einen Teil seines Nachlasses einer kirchlichen Einrichtung überlassen. Nach den gelegentlichen Äußerungen meiner Mutter damals zu urteilen, war dieser Nachlaß so geregelt, daß jährlich ein bestimmter Betrag ausbezahlt wurde. Den zweifelnden Blick meiner Mutter habe ich immer noch vor Augen, als sie mehr als einmal sagte: „Jedes Jahr, wenn das Geld von Onkel Frank überwiesen wird, betet man ihm einige Jahre seiner Verweildauer im Fegefeuer herunter. Wer wird das für mich tun?“
Jesus stellte fest, daß die Wahrheit, wenn wir sie erkennen, uns frei macht (Johannes 8,32) – frei von Traditionen, die uns versklaven können. Das Fegefeuer, vor dem sich meine Mutter damals fürchtete, ist eine Tradition dieser Art. Das Fegefeuer als Ort der Läuterung verstorbener Seelen wird in der Bibel gar nicht erwähnt. Das Wort Fegefeuer kommt in der Bibel überhaupt nicht vor. Doch es ist seit Jahrhunderten gelehrt und von vielen Gläubigen gefürchtet worden. Umsonst!
Wenn Sie die Gelegenheit hätten, eine gläubige Person von dem Glauben an eine Lehre zu befreien, die Angst macht und biblisch unhaltbar ist, was würden Sie tun? Schweigen? Oder in Nächstenliebe handeln und versuchen, die Person auf die Wahrheit der Bibel hinzuweisen? Wir meinen, mit der Zeitschrift Gute Nachrichten genauso zu handeln, wie auch Sie es täten.
Über Leserkommentare freuen wir uns. Sie sind uns eine willkommene Bestandsaufnahme für unsere Arbeit!