Von der Redaktion
Hinter der Diskussion über ausreichende Krippenplätze steckt eine oft unausgesprochene Realität: Deutschland könnte offensichtlich mehr Kinder gut gebrauchen. „Kinder sind Zukunft“ hieß eine einwöchige Sonderreihe im Fernsehen, die Mitte April gesendet wurde. Wie wahr dieser Spruch in Bezug auf die Entwicklung der Bevölkerung in Deutschland ist, lässt sich anhand einiger nüchterner Zahlen erkennen.
Nach Auskunft der Statistiker wünscht sich die durchschnittliche Familie in Deutschland 1,7 Kinder. Ginge dieser Wunsch in Erfüllung, würde die Anzahl deutscher Bürger trotzdem langfristig rückläufig sein, denn für die Erhaltung einer Bevölkerung ist eine Geburtenrate von 2,1 Kindern pro Frau notwendig. Derzeit sind es jedoch keine 1,7, sondern nur ca. 1,3 Kinder. Hält dieser Trend an, wird es bis 2050 doppelt so viele Rentner in Deutschland geben wie Kinder. Angesichts der viel höheren Geburtenrate bei der hier lebenden muslimischen Minderheit ist Nachwuchs für Deutschland auch vonnöten, damit die Deutschen im eigenen Land nicht zu Fremden werden.
Die Anregung von Familienministerin Ursula von der Leyen, mehr Krippenplätze einzurichten, scheint sich auf die Prämisse zu gründen, dass mehr Kinder geboren würden, wenn sie nach ihrem ersten Lebensjahr in einer Kindertagesstätte versorgt würden. Dann könnten sich die Eltern – hier ist wohl in erster Linie die Mutter gemeint – wieder dem Geldverdienen bzw. dem Erhalt oder Erreichen des gewünschten Lebensstandards widmen.
Deutschland erfand den „Kindergarten“ und schuf damit einen Begriff, den andere Völker längst übernommen haben – beispielsweise die Amerikaner, Engländer und Franzosen. Angesichts dieser Tradition beurteilen es manche Beobachter als völlig unzureichend, dass heute im Mutterland des Kindergartens nur ca. drei von hundert Kindern unter drei Jahren einen Krippenplatz bekommen.
Einerseits dürfen wir unsere Augen nicht vor der Realität verschließen, die mit der rückläufigen Einwohnerzahl Deutschlands einhergeht. Eine schrumpfende und gleichzeitig alternde Bevölkerung gefährdet z. B. die zukünftige Finanzierbarkeit der gesetzlichen Sozialversicherungen – Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung – nach dem traditionellen Finanzierungsmodell.
Andererseits fragen wir uns, ob die Schaffung zusätzlicher Krippenplätze, um mehr Geburten in Deutschland zu fördern, die geeigneteste Lösung für das Problem ist. Hierbei könnte die Qualität des Familienlebens unter dem Wunsch nach mehr Quantität leiden.
Es gibt keinen Ersatz für die Zeit, die Eltern mit ihren Kindern verbringen. Ein Vater, der seine Kinder mit materiellen Gütern überschüttet, sich aber wenig Zeit für sie nimmt, macht einen katastrophalen Fehler. Kinder sehen in der Zeit, die er mit der Arbeit verbringt, um für sie zu sorgen, keinen Beweis seiner Zuneigung zu ihnen. Im Gegenteil: Sie können seine Abwesenheit so deuten, dass er sich ihre Gesellschaft nicht wünscht.
Wir können unseren Kindern nichts Wertvolleres geben als die Zeit, in der wir ihnen unsere ungeteilte Aufmerksamkeit widmen. Ein Kinderzimmer mit ein paar Spielsachen weniger oder die neuesten Spielsachen und dafür ganztags in der Kinderkrippe – was würde sich Ihr Kind wünschen?