Nachrichten über die Bibel
aus den Naturwissenschaften
Von Mario Seiglie, Tom Robinson und Scott Ashley
Im April 2006 haben diverse Nachrichtenagenturen aufgeregt die „Entdeckung“ eines neuen Evangeliums vermeldet – „Das Evangelium des Judas“. Die Entdeckung war eigentlich nicht neu, da der antike Papyruskodex – eine kleine, in der alten koptischen Sprache Ägyptens verfasste Schrift – irgendwann gegen Ende des 20. Jahrhunderts entdeckt und 1983 von einem ägyptischen Antiquitätenhändler zum Verkauf angeboten worden war. Neu war, dass das Werk übersetzt und zum Inhalt einer Fernsehsendung, einer Zeitschriften-Titelgeschichte und zweier Bücher der angesehenen „National Geographic Society“ gemacht worden ist.
Handelt es sich dabei wirklich um ein Dokument, das von Judas verfasst worden ist, dem Jünger, der nach dem biblischen Bericht Jesus für 30 Silberlinge verraten hat? Und wenn nicht, worum handelt es sich dann bei diesem Werk?
In einem Leitartikel von USA Today hieß es am 7. April 2006: „Das Evangelium nach Judas bietet eine völlig andere Sicht des Lebens, Sterbens und Auftrages Jesu.“ Das tut es in der Tat. Auf einen gewöhnlichen Bibelleser wirkt dieser Text so befremdlich, dass er praktisch unverständlich ist. Von einigen wenigen Namen abgesehen, die Bibellesern vertraut sind, wirkt das Manuskript völlig fremdartig.
Das liegt daran, dass das „Evangelium des Judas“ ein Text aus einer Reihe von gnostischen Texten ist, die im letzten Jahrhundert in Ägypten entdeckt wurden. Der Gnostizismus, der seinen Namen von gnosis, dem griechischen Wort für „Wissen“ ableitet, war eine Bewegung, die im ersten Jahrhundert ihren Anfang nahm und mehrere Jahrhunderte lang eine Blütezeit erlebte.
Der Gnostizismus legte viel Wert auf besonderes oder geheimes Wissen (daher auch der Name der Bewegung) und enthielt Elemente von Mystizismus, Kosmologie, der Lehre über das Engelreich und der Seelenkunde. Eine grundlegende (aber häretische) Prämisse der „christlichen“ Version des Gnostizismus war, dass Jesus nie ein wirklicher Mensch aus Fleisch und Blut wie wir gewesen ist, sondern lediglich den Anschein erweckte, menschlich zu sein.
Das „Evangelium des Judas“ ist von diesen nicht biblischen Glaubensvorstellungen durchdrungen. Es wurde auf die Zeit zwischen 220 und 340 n. Chr. datiert, als der Gnostizismus in Ägypten anscheinend fast seinen Höhepunkt erreicht hatte. Die von der „National Geographic Society“ angefertigte Übersetzung ist voller Hinweise auf mystische gnostische Lehren über Kosmologie, imaginäre Geisterreiche, Rangstufen von Engelwesen und Geistwesen, die „Äonen“ genannt wurden.
Da es sich um das Werk einer seltsamen Sekte handelt, die in keinem echten Bezug zu Jesus Christus oder seinen Jüngern stand, wird eine völlig andere Sicht von Gott und Jesus Christus geboten. Zum Beispiel wird beschrieben, wie Jesus seine Jünger dafür verspottet, dass sie „zu eurem Gott“ beten, einem Wesen, das gemäß der gnostischen Theologie von Natur aus böse war und dem Gott des Alten Testaments entsprach. In dem Werk wird zudem Judas, der in Wahrheit ein Dieb und Verräter war und den Jesus den „Sohn des Verderbens“ nannte (Johannes 17,12), von Jesus bizarrerweise als der Jünger beschrieben, der alle anderen Jünger „überragen wird“, indem er Jesus tötet und so dessen angeblich inneren Menschen befreit.
Regelmäßige Leser der Bibel sind zweifellos mit der Tatsache vertraut, dass die Bücher des Neuen Testaments ständig das Alte Testament zitieren oder sich darauf beziehen und so die Einheit der gesamten Schrift unterstreichen. Es ist auffällig, dass dieses Manuskript keinerlei Zitate aus oder korrekte Hinweise auf irgendeinen anderen Teil der Bibel enthält, außer den wenigen letzten Sätzen, in denen kurz berichtet wird, dass Judas Jesus für Geld verrät. Und es ist natürlich auch schwer vorstellbar, wann Judas seine Geschichte niedergeschrieben oder jemandem erzählt haben könnte, da Matthäus berichtet, dass Judas, kurz nachdem er Jesus verraten hatte, von Gewissensbissen geplagt wurde, das Geld den Priestern zurückgab und Selbstmord durch Erhängen beging (Matthäus 27,1-5).
Es ist also nicht weiter erstaunlich, dass dieses Dokument so weitgehend von den biblischen Lehren abweicht. Die in ihm zum Ausdruck kommenden bizarren Philosophien existierten zu Jesu Lebzeiten einfach noch nicht. Diese Vorstellungen kamen erst Jahrzehnte später auf, und es dauerte noch ein bis zwei weitere Jahrhunderte, bevor diese voll entwickelt waren – zu einer Zeit, in der auch das „Evangelium des Judas“ niedergeschrieben wurde.
Die Daily Telegraph (London) fasste diese Unvereinbarkeit mit der Bibel mit einem Zitat des Neutestamentlers Simon Gathercole von der Aberdeen University folgendermaßen zusammen: „Es handelt sich sicherlich um einen sehr alten Text, aber nicht um einen Text, der alt genug ist, etwas Neues für uns zu enthalten. In ihm kommen Themen vor, die der Welt des ersten Jahrhunderts, der Welt von Jesus und Judas, fremd waren, die aber später populär wurden. Vergleichbar damit wäre etwa, wenn wir eine Rede finden würden, die angeblich von Königin Viktoria verfasst worden ist und in der sie über ihre CD-Sammlung spricht“ (7. April 2006).
Eine alte Inschrift birgt eine Riesenüberraschung
Archäologen haben vor Kurzem bei Ausgrabungen bei Tell es-Safi, der in der Bibel erwähnten Stadt „Gat der Philister“, ein tönernes Bruchstück entdeckt, das die älteste bisher gefundene Inschrift der Philister enthält. Überraschend war aber, dass auf der Tonscherbe zwei Namen verzeichnet sind, die etymologisch dem Namen „Goliat“ ähneln, dem riesigen Krieger der Philister, den David nach dem Bericht von 1. Samuel 17 erschlug.
Laut der Bibel war dieses Gat die Heimatstadt Goliats (Vers 4 bzw. 23) und eine der großen Städte der Philister. Archäologen haben die gefundene Tonscherbe auf 50 bis 100 Jahre nach dem biblischen Bericht von Goliats Tötung durch David datiert. Niemand kann mit Sicherheit sagen, ob diese Inschrift sich auf den biblischen Goliat bezieht, da es sich anscheinend um eine hebräische Transliteration von zwei Philister-Namen handelt. Diese Transliteration macht aber Sinn, da archäologische Belege darauf hindeuten, dass die Philister allmählich das semitische Alphabet übernommen haben, während sie ihre eigenen Namen und einige Elemente der eigenen Sprache beibehielten.
Bibelkritiker, die behaupten, dass das Alte Testament eine Fälschung ist, die erst einige Jahrhunderte v. Chr. angefertigt wurde – Hunderte von Jahren nach den Ereignissen, die es zu dokumentieren vorgibt –, sehen sich nun mit einer Herausforderung konfrontiert: Wie können sie erklären, dass solch ein erfundener Name nun auf einer Tonscherbe aufgetaucht ist, die auf die von der Bibel behandelte Zeitperiode datiert wurde und in den Ruinen einer Stadt gefunden wurde, von der die Bibel sagt, dass dort eine Person mit diesem Namen gelebt hat?