Große Mächte kommen und gehen. Vor 150 Jahren war Großbritannien mit seinem riesigen Reich die größte Macht der Welt. Seit 60 Jahren sind die USA die dominierende Weltmacht. Steht den USA der Niedergang bevor? Erleben wir bereits die erste Phase dieses Niedergangs?

Von Melvin Rhodes

Eine der Folgen der Finanzkrise der vergangenen 18 Monate ist, dass Europa jetzt reicher als Nordamerika ist. Der gesamte nationale Wohlstand der Nordamerikaner ist um 21,8 Prozent gesunken, während der der Europäer nur um 5,8 Prozent gefallen ist, „auf 22,2 Billionen Euro – einem Viertel des Reichtums des Globus“ („Europe Now Richer Than North America“, BusinessWeek, 16. September 2009).

Ist Europa möglicherweise dabei, die Rolle der USA zu übernehmen, da großer Reichtum notwendig ist, um eine Weltmacht zu sein? Die Prophezeiungen der Bibel zeigen, dass kurz vor Christi Wiederkehr eine neue Supermacht existieren wird, die ihren Mittelpunkt in Europa hat. Es wird sich um ein großes Wirtschaftssystem handeln, dessen Wirtschaftsaktivitäten die ganze Welt dominieren werden.

Trotz ihrer momentanen Schwäche wegen der Schuldenkrise Griechenlands ist Europas Währung, der Euro, 30 Prozent höher bewertet gegenüber dem US-Dollar als zur Zeit seiner Einführung. Der Euro wird auch von mehr Menschen genutzt. Mit mehr als 500 Millionen Einwohnern ist die EU der größte Einzelmarkt der Welt und bei Weitem die weltweit größte Handelsmacht. Könnte es sein, dass Europa, nachdem es die USA an ökonomischer Macht überholt hat, Amerika auch auf anderen Gebieten ablösen wird?

Lektionen von einem gefallenen Empire

Es gibt im Gedächtnis mancher Menschen, die heute noch leben, eine Lektion für die USA. Es sind zwar nur wenige Menschen, die sich an die Zeit erinnern können, als die Welt von den Briten dominiert wurde, aber genau das war vor dem Zweiten Weltkrieg der Fall. Nachdem die Briten das Dritte Reich zwei Jahre lang allein bekämpft hatten (nur von Streitkräften der Commonwealth-Staaten unterstützt), traten die Sowjets in den Krieg ein, als sie im Juni 1941 von Deutschland angegriffen wurden. Bis zur Bombardierung von Pearl Harbor, das Ereignis, das Amerika in den Krieg hineinzog, sollten weitere sechs Monate vergehen.

Die Amerikaner erwarteten, dass ihre Jungs alle nach dem Krieg nach Hause kommen würden, so wie das nach dem Ersten Weltkrieg der Fall gewesen war. Der US-Präsident Franklin Roosevelt sagte dem britischen Premierminister Winston Churchill und dem Sowjetführer Josef Stalin, dass die amerikanischen Truppen Europa zwei Jahre nach Kriegsende verlassen würden. Niemand erwartete, dass es 65 Jahre später immer noch US-Truppen in Europa geben würde!

Welche Veränderung führte dazu, dass amerikanische Truppen in Europa blieben? Einfach gesagt: Großbritannien war pleite!

London war nicht in der Lage, die Rolle als Weltpolizist fortzusetzen, die es zwei Jahrhunderte gespielt hatte. Solch eine Rolle erfordert großen Reichtum. Nachdem sie in wenig mehr als drei Jahrzehnten zwei Weltkriege ausgefochten hatten, hatten die Briten nicht mehr die finanziellen Mittel für Verpflichtungen im Ausland und konnten ihre Verbündeten auf der ganzen Welt nicht mehr länger unterstützen.

Das war nicht sofort nach Kriegsende 1945 ersichtlich. Das Britische Empire blieb unversehrt. Einige der britischen Besitztümer im Fernen Osten waren von den Japanern erobert worden, wurden aber bei Kriegsende wieder der britischen Herrschaft übergeben.

In seinem 2008 erschienenen Buch Picking Up the Reins, das den Übergang des Supermachtstatus von Großbritannien an die USA beschreibt, sagt der Historiker Norman Moss: „Britische Atlanten zeigten ein Viertel der Erde als entweder von Großbritannien regiert oder mit ihm durch das Commonwealth verbunden. Großbritannien herrschte über einen großen Teil Asiens und den Großteil Afrikas. Es war auch die dominierende Macht in der arabischen Welt“ (Seite 27).

Andere europäische Mächte waren nicht so erfolgreich. Die Niederländer verloren sehr bald Indonesien und die Franzosen mussten einen zermürbenden Krieg in Indochina führen.

„Eine kaum denkbare Katastrophe“

James Truslow Adams, einer der angesehensten Historiker Amerikas, schrieb 1940 ein Buch mit dem Titel The British Empire 1784-1939. 1940 war das entscheidende Jahr der sogenannten Luftschlacht um England, ein Kampf der Briten ums Überleben, als Großbritannien sich gegen eine versuchte Invasion der Nazis stemmen konnte.

Am Ende des Buches schrieb er folgende Warnung an seine Landsleute: „Der mögliche Sturz des britischen Weltreichs wäre eine kaum denkbare Katastrophe. Er würde in einem Viertel des Globus ein Vakuum hinterlassen, in das die Stürme der Anarchie, der Tyrannei und der geistlichen Unterdrückung eindringen würden. Er würde auch bedeuten, dass das stärkste Bollwerk für unsere eigene Sicherheit und Freiheit außer uns selbst damit zerstört wäre“ (Seite 358). Es schien sicherlich so, dass der unversehrte Erhalt des Empires im Interesse der USA und anderer Nationen lag.

Ein Jahr nach dem Krieg haben die Oberkommandierenden der US-Streitkräfte einen ähnlichen Rat gegeben: „Die Niederlage oder die Auflösung des britischen Weltreichs würde aus Eurasien das letzte Bollwerk des Widerstands zwischen den USA und einer sowjetischen Expansion entfernen . . . Unsere gegenwärtige Position als eine Weltmacht ist notwendigerweise mit der Großbritanniens verknüpft“ (Moss, Seite 64).

Zusätzlich dazu, dass sie ihr Imperium – das ein Viertel der Weltbevölkerung umfasste – finanzieren mussten, waren die Briten auch bald in Griechenland in einen Krieg gegen die Kommunisten verwickelt. Dort stationierte Großbritannien 9000 Soldaten, um die antikommunistischen Kräfte zu stärken. Nach dem Krieg unterstützten die Briten die Griechen auch mit 40 Millionen Pfund.

Aber ab dem Februar 1947, mitten im schwersten Winter seit es Aufzeichnungen gibt, konnten es sich die Briten nicht länger leisten, Griechenland zu unterstützen. Eine Kabinettsitzung am 18. Februar führte dazu, dass London Washington bat, die Verantwortung zu übernehmen und ankündigte, dass die Hilfsleistungen an Griechenland „am 31. März eingestellt werden würden. Dem war noch eine weitere Mitteilung beigefügt, die besagte, dass die Türkei ebenfalls Hilfe brauche, Großbritannien diese aber nicht zur Verfügung stellen könne“ (Seite 62).

Obwohl es nur wenige zu jener Zeit verstanden haben, waren diese Veränderungen wahrhaft gewaltig. „Zwei Jahrzehnte lang war Großbritannien die dominante Macht im östlichen Mittelmeer gewesen. Nun schien es diese Rolle in zwei Schlüsselländern aufzugeben.

Den Amerikanern wird oft vorgehalten, im Gegensatz zu vielen Europäern kein Verständnis für Geschichte zu haben. In diesem Fall waren es die Amerikaner, die die Tragweite dieses Ereignisses erkannten. Für die britischen Minister, die tagtäglich darum ringen mussten, das Land über Wasser zu halten, schien das nur eine vorübergehende Ausgabenkürzung in einem Etat zu sein. Keiner von ihnen schien irgendwelche größeren Implikationen bei dieser Entscheidung zu sehen.

Die amerikanische Sicht wurde von Joseph M. Jones, damals im US-Außenministerium tätig, mit folgenden grandiosen Worten beschrieben: ,Beim Lesen der Botschaften [wurde] erkannt . . . dass Großbritannien in dieser Stunde die Aufgabe der Weltführerschaft, mit all ihren Lasten und all ihrer damit verbundenen Ehre, an die USA weitergereicht hatte‘ “ (Seite 64; alle Hervorhebungen durch uns).

Das Datum war der 21. Februar 1947 – der Tag, an dem die USA praktisch Großbritannien als die dominante Weltmacht ablösten.

Der Wandel wurde prophezeit

„Und so setzte er Ephraim vor Manasse“, heißt es in 1. Mose 48, Vers 20. In diesem Bibelabschnitt prophezeite der Patriarch Jakob, den Gott in Israel umbenannt hatte, dass die Nachkommen seiner beiden Enkelsöhne, der Söhne Josefs, „eine Menge von Völkern“ und ein großes Volk werden würden. Diese Prophezeiung wurde mit dem britischen Weltreich bzw. dem Commonwealth (die Menge von Völkern) und den USA (das einzelne große Volk), die sich von dem Empire loslösten, erfüllt. Ephraim, die Menge von Völkern, sollte vor Manasse groß werden.

Dem jüngeren Bruder Ephraim war prophezeit worden, dass er größer als Manasse sein würde (Vers 19). Ohne Kenntnis der biblischen Bedeutung dieses Augenblicks sagte Dean Acheson, damals Staatssekretär im amerikanischen Außenministerium: „Großbritannien war finanziell so geschwächt, dass es jetzt nur noch zwei große Mächte in der Welt gab. Nicht seit Rom und Karthago“, sagte er, „hatte es eine solche Polarisierung von Macht gegeben, und diese erfolgte zwischen der Demokratie und der Diktatur“ (Moss, Seite 68).

Rom und Karthago waren vor der Zeit Christi Hauptrivalen gewesen. Der stellvertretende Außenminister Will Clayton fasste die Situation im Mai 1947 mit diesen Worten zusammen: „Die Zügel der Weltführerschaft entgleiten Großbritanniens kompetenten aber jetzt sehr schwachen Händen. Diese Zügel werden entweder von den USA oder von Russland ergriffen werden.“

Erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und seiner kommunistischen Verbündeten in Europa mehr als 40 Jahre später konnten sich die USA konkurrenzloser Macht erfreuen. Aber selbst dann war das nur von kurzer Dauer. Nun muss sich Washington inmitten zunehmender Finanzprobleme mit der wachsenden Macht Chinas auseinandersetzen und möglicherweise auch bald mit einem wiederauflebenden Europa.

Kann es sein, dass die Macht der USA, genauso wie die globale Macht von Großbritannien auf Amerika übergegangen ist, jetzt auf Europa übergehen wird?

Gott bestimmt den Aufstieg und Fall von Nationen

Die Bibel sagt uns, dass Gott eingreift, um den Aufstieg und Fall von Nationen zu bewirken. In Daniel 2, Vers 21 lesen wir: „Er bestimmt den Wechsel der Zeiten und Fristen; er setzt Könige ab und setzt Könige ein“ (Einheitsübersetzung).

Im gleichen Kapitel bat Daniel Gott, ihm bei der Interpretation von König Nebukadnezars rätselhaftem Traum zu helfen. In Vers 19 offenbart Gott Daniel die Bedeutung des Traums. Nebukadnezar, der Herrscher von Babylon, der größten Macht seiner Zeit, begann zu verstehen, dass auf Babylon eine weitere große Macht folgen würde und dann eine dritte und eine vierte. Am Ende würde die letzte dieser Mächte von dem Reich Gottes abgelöst werden. Das Reich Gottes, eine Weltregierung, die direkt von Gott regiert werden wird, setzt bald der gegenwärtigen Missherrschaft des Menschen ein Ende.

Daniel selbst hatte eine ähnliche Vision in Kapitel 7, die weitere Details enthielt. Babylon, wo Daniel seit fast sieben Jahrzehnten nach der Invasion seines eigenen Landes als ein jüdischer Exilant gelebt hatte, würde seine Vormachtstellung an Persien verlieren. Persien wiederum würde seine Position an Griechenland verlieren. Die Prophezeiungen, die Daniel im 6. Jahrhundert v. Chr. offenbart worden waren, wurden in den nachfolgenden Jahrhunderten erfüllt.

Die Vorherrschaft Großbritanniens mit seinem Empire und dann der Vereinigten Staaten von Amerika wurde für „künftige Zeiten“ prophezeit (1. Mose 49,1). Zu der Zeit direkt vor dem Ende und kurz vor dem zweiten Kommen Christi wird es ein wieder auflebendes und erneuertes Römisches Reich geben – die bereits erwähnte neue Weltsupermacht.

Könnten die USA ihre Macht verlieren?

Der britische Historiker Paul Kennedy verfasste 1987 sein monumentales Buch The Rise and Fall of the Great Powers. Darin zeigt er auf, bis auf das Jahr 1500 zurückgehend, dass die Eigenschaften, die zu dem Aufstieg von Nationen zur Macht führen, und die Gründe für ihren Niedergang und Fall bestimmte Gemeinsamkeiten aufweisen – Schulden und imperiale Überbeanspruchung.

Genauso wie das britische Weltreich aufgrund von Schulden und seinem überbelasteten Militärapparat zusammengebrochen ist, stehen die USA heute vor den gleichen Problemen. Sie können nicht genug Streitkräfte für all ihre militärischen Verpflichtungen bereitstellen. Die Schuldenlast stellt ein schwerwiegendes und zunehmendes Problem dar. Keine Nation der Weltgeschichte hat jemals so viele Schulden angehäuft wie die USA – und mit Sicherheit nicht in einer solch kurzen Zeit!

Wie The Economist vor Kurzem angemerkt hat: „Seit Jahren hatten die fiskalischen Probleme Amerikas etwas Surreales an sich. Niemand bestritt, dass eine alternde Bevölkerung und eine Inflation im Gesundheitswesen den Staatshaushalt sprengen könnten, aber diese Möglichkeit war jahrzehnteweit entfernt. Die Dinge auf die lange Bank zu schieben schien schmerzlos zu sein.

Das ist nicht länger der Fall. Eine gigantische Lücke hat sich aufgrund des Konjunkturpakets, der Hilfsprogramme und einer Rezession, die das Wirtschaftswachstum und das Steueraufkommen schonungslos getroffen hat, im Staatshaushalt aufgetan. Wenn die gegenwärtige Politik beibehalten wird, werden sich die öffentlichen Staatsschulden, die im letzten Jahr 41 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betrugen, innerhalb des nächsten Jahrzehnts verdoppeln. Die Gesamtschulden der Regierung werden deutlich über dem Durchschnitt der G20-Staaten liegen“ („Dealing With America’s Fiscal Hole“, 21. November 2009).

Vor nur einer Generation befanden sich die USA in einer solch stabilen finanziellen Situation, dass sie der größte Kreditgeber für den Rest der Welt waren. Das ist nicht länger der Fall. Aufgrund ihrer verschwenderischen Ausgabenpolitik sind die USA jetzt die am meisten verschuldete Nation der Geschichte!

Das Sozialversicherungssystem und die staatliche Gesundheitsversorgung stehen vor massiven Problemen, weil Millionen Bürger aus den geburtenstarken Jahrgängen der Nachkriegszeit bald in den Ruhestand treten werden. Manche Wirtschaftsexperten schätzen, dass die wahre amerikanische Staatsverschuldung, wenn alle nicht im Haushalt abgedeckten Verbindlichkeiten eingerechnet werden würden, mehr als 50 Billionen Dollar betragen würde – etwa eine halbe Million Dollar pro US-Haushalt!

Die Verteidigungsausgaben werden natürlich von der enormen Schuldenlast Amerikas betroffen sein. Das war auch vor sechs Jahrzehnten bei Großbritannien der Fall. Wie ein weiterer Artikel des Economist mit dem Titel „Stemming the Tide“ ausführt: „Verteidigung und Haushaltsposten mit Ermessensspielraum machen nur ein Drittel der Ausgaben aus. Herr Obama plant bereits beide Ausgaben bis 2014, was ihren Nominalwert in Dollar anbelangt, zu kürzen, während die Kriege im Irak und in Afghanistan (unter glücklichen Umständen) zurückgefahren werden können und das Konjunkturpaket ausläuft“ (21. November 2009).

Steigende Kosten im Gesundheitswesen

Auch die Pläne der US-Regierung für ein öffentliches Gesundheitssystem ähneln denen Großbritanniens nach dem Zweiten Weltkrieg. Genau zu der Zeit, als das Land nach zwei weltweiten Konflikten erschöpft und bankrott war, „war die britische Regierung fest entschlossen, dies auf sich zu nehmen und sich bei ihrem Vorhaben nicht von Großbritanniens beschränkten wirtschaftlichen Verhältnissen aufhalten zu lassen. Im April 1948 führte sie den National Health Service [das allgemeine öffentliche Gesundheitssystem] ein, trotz der Einwände der Opposition, dass das Land sich das nicht leisten könne. Das stellte den Kernpunkt ihrer Sozialreform dar“ (Moss, Seite 159-160).

Die ursprünglich geschätzten Kosten waren geringfügig im Vergleich zu den letztendlichen (und immer noch steigenden) Kosten. Bis zum Jahr 1956, einem entscheidenden Jahr für den Niedergang des Landes und seinem Fall als Weltmacht, „verschaffte sich eine neue Generation Gehör – Menschen, die stolzer auf den National Health Service waren als auf das britische Weltreich“ (Seite 199).

Der Artikel „Stemming the Tide“ im Economist deutet eine finanzielle Belastung an, die auf die USA zukommen wird, wenn die allgemeine Gesundheitsversorgung eingeführt wird. „Herr Obama hatte schon lange geplant, dass seine Gesundheitsreform nicht nur die Unversicherten mit einbeziehen, sondern auch den langfristigen Anstieg der Gesundheitskosten eindämmen würde. Bei den Gesetzesvorlagen, die zurzeit dem Kongress vorliegen, scheint dieses zweite Ziel unerreichbar zu sein. Obwohl Mr. Obama darauf besteht, dass die Reform das Defizit nicht vergrößern wird, wird sie Einnahmen verschlingen, die dazu eingesetzt hätten werden können, es zu reduzieren.“

Die New York Times erwähnte Chinas Besorgnis über Pläne der US-Regierung für das Gesundheitswesen. Es ist nicht etwa so, dass sich die Chinesen über die medizinische Versorgung der Amerikaner Sorgen machen. Sie sind stattdessen besorgt über das expandierende US-Haushaltsdefizit, weil sie diejenigen sind, die den größten Teil davon finanzieren.

Die Times beschrieb Obamas Chinabesuch als „ein Einnehmen der Rolle des verschwenderischen Geldausgebers, der kommt, um seinem Bankier die Ehre zu erweisen“, und deutete an, dass Amerikas Innenpolitik auf eine chinesische Zustimmung angewiesen sein könnte. „Wie jeder Bankier“, führt der Bericht aus, wollen die Chinesen „Beweise dafür, dass die USA einen Plan für die Rückzahlung haben“.

Die Times berichtet auch, wie „chinesische Funktionäre bei einem Treffen im Juli ihren amerikanischen Gesprächspartnern detaillierte Fragen zu den Gesetzesvorlagen zum Gesundheitswesen stellten, mit denen sich der Kongress gerade befasste . . . Sie wollten in akribischen Details wissen, wie sich der Plan für das Gesundheitswesen auf das Haushaltsdefizit auswirken würde“ (14. November 2009, „China’s Role as Lender Alters Dynamics for United States“).

In einem Kommentar vom 16. November 2009 warnte ein Artikel der Canada Free Press: „Obamas sozialistischer Kaufrausch kostet nicht nur amerikanische Freiheiten, er überträgt auch deutlich das Sagen über die amerikanische Politik an China. Der Preis für eine allgemeine Gesundheitsversorgung wird nicht nur von Amerikanern gezahlt werden, er wird auch von amerikanischen Verbündeten in Asien entrichtet werden“ (Daniel Greenfield, „Obama in China and Twilight for America“).

Genauso wie Großbritannien nicht in der Lage war, 1947 weitere finanzielle Hilfe und militärische Unterstützung an Griechenland zu leisten, so scheinen auch die USA unfähig zu werden, ihren traditionellen Verbündeten zu helfen. Das amerikanische militärische Imperium wird unweigerlich dem Britischen Empire in die Annalen der Geschichte folgen.

Der Historiker Niall Ferguson schrieb vor Kurzem: „So gehen Imperien unter. Es beginnt mit einer Schuldenexplosion. Es endet mit einer nicht vermeidbaren Kürzung bei den Mitteln für die Armee, die Marine und die Luftwaffe. Das ist der Grund, warum sich die Wähler zu Recht Sorgen über die amerikanische Schuldenkrise machen.

Gemäß einer kürzlich durchgeführten Rasmussen-Umfrage sagen mittlerweile 42 Prozent der Amerikaner, dass die Halbierung des Defizits bis zum Ende der ersten Amtszeit des Präsidenten die wichtigste Aufgabe für die Regierung sein sollte – deutlich mehr als die 24 Prozent, die die Gesundheitsreform als höchste Priorität einstufen. Aber eine Halbierung des Defizits reicht einfach nicht aus. Wenn die USA nicht bald einen glaubhaften Plan zur Ausgleichung des Staatshaushalts innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre entwerfen, ist die Gefahr sehr groß, dass eine Schuldenkrise zu einer deutlichen Schwächung amerikanischer Macht führen wird“ („An Empire at Risk“, Newsweek, 28. November 2009).

Warum Europa und nicht Asien?

Auch wenn viele davor warnen, dass China die USA als die führende Weltmacht ablösen wird, zeichnen die Prophezeiungen der Bibel ein anderes Bild. Die Bibel deutet jedoch an, dass das wiederbelebte europazentrierte Römische Reich nicht von langer Dauer sein wird. Offenbarung 17, Vers 12 sagt, dass die Führer, die sich vereinen und ihre nationale Souveränität dieser neuen geopolitischen Macht unterordnen werden, „für eine Stunde Macht“ empfangen werden – eine kurze Zeit.

China ist eine große Macht und steht im Begriff, sogar noch mächtiger zu werden. Seine Wirtschaft ist jedoch eng mit den USA verknüpft und könnte von Entwicklungen in Amerika negativ betroffen werden.

Doch es gibt auch ernsthafte Bedenken über Chinas Bankensystem. „Die gegenwärtige Expansion bei den Krediten birgt das Risiko einer hausgemachten Bankenkrise in China, mit einer Zunahme an risikoreichen Darlehen. Chinesische Bankenaufsichtsbehörden sind besorgt, dass neue Kredite dazu genutzt werden, Immobilien und Aktienmarktspekulationen zu finanzieren, statt produktiven Zwecken zu dienen“ (Satyajit Das, „China: A Future That Was“, eurointelligence.com, 20. November 2009). Einfach ausgedrückt: China ist dabei, Amerikas Fehler zu wiederholen!

Wie ein Artikel in der Sunday Times vom 15. November 2009 ausführt, ist das Bruttoinlandsprodukt der Europäischen Union „nur wenig geringer als das der USA und Chinas gemeinsam“ (Matthew Campbell and Bojan Pancevski, „Europe Rises as the Modest Superpower“). Der Artikel fährt fort: „Europa scheint allerdings sicherer und vereinter zu sein als jemals in seiner blutgetränkten Geschichte, und die Finanzkrise hat diesen Zusammenhalt vielleicht noch gestärkt. Die reguliertere Form des Kapitalismus, der von Frankreich bis Finnland der Vorzug gegeben wird, ist nun das bevorzugte Modell für den Rest der Welt – Amerika eingeschlossen. Weitere Länder stehen Schlange, um Zutritt in den schützenden Schoß der EU zu erhalten.

Die EU hat 71 000 Soldaten außerhalb der eigenen Grenzen stationiert. Damit kann die EU eine Militärpräsenz in Übersee für sich in Anspruch nehmen, die nur noch von Amerika übertroffen wird. Das hat dazu geführt, dass Europa von der Zeitschrift Newsweek als ,die bescheidene Supermacht‘ bezeichnet wurde. Sein Aufstieg kann in der Zunahme der Mitgliederzahl von 12 auf 27 Länder seit 1989 gesehen werden und in den abnehmenden Spannungen zwischen alten und neuen Mitgliedern. Er zeigt sich auch in der Art und Weise, wie Europa Amerika bei der Bewältigung der Rezession geschlagen hat, angetrieben von dem üblichen deutsch-französischen Motor.“

Europas langfristiges Ziel in Sichtweite

Die Europäische Union wurde 1957 durch die Römischen Verträge gegründet. Seine sechs Gründungsmitglieder verpflichteten sich zu einem „immer engeren Zusammenschluss“. Der Vertrag von Lissabon stellt die letzte Phase dar und schafft eine einzige politische Einheit, die über Nacht plötzlich mit den USA und China konkurrieren kann.

Ihr erster Präsident ist Herman van Rompuy, der frühere Premierminister von Belgien. Ihre erste Außenministerin ist die britische Baronin Catherine Ashton. In seinem Artikel in der Financial Times vom 23. November 2009 meint Wolfgang Munchau, dass diese beiden genau das sind, was die EU braucht, um drei fundamentale Probleme zu bekämpfen: „die Unfähigkeit, präzise politische Ziele festzulegen; mangelhafte Umsetzung; und, was vielleicht am wichtigsten ist, mangelhafte Abstimmung und mangelhaftes Krisenmanagement“ („Van Rompuy Is the Right Man for the Job“).

Mit anderen Worten: Diese beiden werden die EU auf Kurs bringen, sie effizienter und effektiver und damit auch mächtiger machen.

Die heutige EU ist jedoch nicht die prophezeite Endzeitmacht in ihrer letzten Ausprägung. Die Bibel sagt deutlich, dass zehn „Könige“ – wir würden sie heute Präsidenten oder Premierminister nennen – ihre Macht und Autorität einem höchsten Führer übertragen werden, der über sie alle herrschen wird. Die EU hat ein mächtiges wirtschaftliches und politisches System geschaffen, das Europa in die Lage versetzt, die globale Führung zu übernehmen. Die endgültige europäische Macht wird daraus entstehen. Wie genau das geschehen wird, bleibt abzuwarten.

Aber Europa ist sehr weit gekommen, sogar in den etwas über fünf Jahren, seit T. R. Reid, der frühere Bürochef der Washington Post in London, sein Buch The United States of Europe: The New Superpower and the End of American Supremacy geschrieben hat.

„Zu Beginn des 21. Jahrhunderts“, schrieb er auf der ersten Seite seines Buches, „ist eine geopolitische Revolution von historischem Ausmaß auf der anderen Seite des Atlantiks im Gange: die Vereinigung Europas. Einundzwanzig Nationen [mittlerweile 27] haben sich vereint – mit etwa einem weiteren Dutzend auf der Warteliste –, um eine gemeinsame Wirtschaft, Regierung und Kultur zu schaffen. Europa ist heute eine integriertere Region als jemals zuvor seit dem Römischen Reich“ (2004).

T. R. Reid fährt fort: „Die neuen ,Vereinigten Staaten von Europa, um Winston Churchills Ausdruck zu gebrauchen, haben mehr Menschen, größeren Reichtum und mehr Handel als die Vereinigten Staaten von Amerika. Das neue Europa kann es mit Amerika nicht im Hinblick auf Militärstärke aufnehmen – und will das auch gar nicht. Aber es hat mehr Stimmanteile als die USA in allen internationalen Organisationen und wendet weit mehr finanzielle Mittel für die Entwicklungshilfe auf. Die Folge ist ein globaler wirtschaftlicher und politischer Einfluss, der die Europäische Union genau zu dem macht, was es nach dem Willen seiner Führer sein soll: eine zweite Supermacht, die den USA auf Augenhöhe begegnen kann.“

Seit Reids Buch erschienen ist, haben wir die frühen Phasen einer internationalen Finanzkrise erlebt, eine Übergangsperiode, in der Europa in Relation zu den USA reicher geworden ist. Darin liegt eine große Ironie. Großbritannien hat die dreizehn Kolonien gegründet, die am Ende zu den Vereinigten Staaten wurden, die, weniger als zwei Jahrhunderte später, Londons Führungsrolle in der Welt übernahmen. Auf ähnliche Weise erzwang Amerika durch den Marshallplan, ein Hilfsprogramm der US-Regierung, mit dem Europa nach dem Zweiten Weltkrieg wieder mobil gemacht werden sollte, die Frühphase eines vereinten Europas.

„Der Marshallplan . . . war ein gemeinsames europäisch-amerikanisches Programm zur Neugestaltung der Wirtschaften der westlichen europäischen Länder. Es war dazu gedacht, sie enger zusammenzubringen, ihnen wieder auf die Füße zu helfen, ihnen soziale und politische Stabilität zu verleihen und sie erneut zu gleichwertigen Handelspartnern für den Rest der Welt zu machen. Er hat all das erreicht. Er hat auch, unter amerikanischem Druck, den Keim für die Europäische Union gesät“ (Moss, Seite 100).

Washington wollte sich nicht mit sechzehn einzelnen europäischen Ländern, die alle Hilfe brauchten, abgeben müssen. Deshalb hat es sie dazu ermutigt, miteinander zu kooperieren und wirtschaftlich zusammenzuarbeiten. Dieses anfängliche Projekt führte zu einem „immer engeren Zusammenschluss“ und zur heutigen Europäischen Union, die jetzt dabei ist, mit den USA auf allen Gebieten zu konkurrieren. Wie Washington einst die Rolle von London übernahm, wird die Entwicklung in Europa am Ende dazu führen, dass Europa Washingtons Führungsrolle in der Welt übernimmt.

Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie in unserer kostenlosen Broschüre Amerika und Großbritannien: Was sagt die Bibel über ihre Zukunft?, die Sie bei uns bestellen oder im Internet als PDF-Datei herunterladen können.