Chefredakteur Paul Kieffer schreibt an die
Abonnenten der Zeitschrift Gute Nachrichten.
September-Oktober 2012
„Jesus hat niemals existiert“, so die Behauptung eines Lesers unserer Zeitschrift Gute Nachrichten. Mit dieser Sichtweise meinen wohl einige, den zeitgemäßen Bildungsstand einer aufgeklärten Welt widerzuspiegeln. Für andere ist die Verneinung der historischen Person Jesu – und damit auch die Existenz Gottes – eine Befreiung von den beengenden Moralvorstellungen der Bibel. Der englische Biologe Julian Huxley (1887-1975) räumte einst freimütig ein: „Die innere Entkrampfung, die sich einstellt, wenn man nicht mehr an die Existenz eines höheren Wesens glaubt, ist gewaltig.“
Nun, was immer ihre Gründe sein mögen, viele Menschen sind der Meinung, dass es außer in der Bibel keine geschichtlichen Hinweise auf Jesus von Nazareth gibt. Diese Meinung zeugt jedoch von geschichtlicher Unkenntnis. In der Tat gibt es unabhängige Zeugnisse der Existenz Jesu.
Die römischen Autoren Cornelius Tacitus, Gaius Tranquillus Sueton und Gajus Plinius Caecilius Secundus bezeugen die Existenz Jesu. Cornelius Tacitus (ca. 55-120 n. Chr.) war römischer Senator, Konsul, Statthalter der Provinz Asia (identisch mit dem Westteil der heutigen Türkei) und einer von Roms größten Historikern. Tacitus berichtet, dass Nero den Brand Roms den dortigen Christen zur Last legte. Gaius Tranquillus Sueton (ca. 70-140 n. Chr.) war Zeitgenosse des Tacitus, Kanzleichef Hadrians und Hauptbibliothekar der Stadt Rom. Sueton berichtet von einem „Chrestos“, der die Ursache von Streitigkeiten unter den Juden war.
Der berühmte Autor Gajus Plinius Caecilius Secundus (ca. 61-113 n. Chr.) war nach 110 n. Chr. als Prokonsul der Provinzen Bithynien und Pontus (heute Türkei) tätig. Er beschreibt in einem Brief an den Kaiser Trajan Christen, die in ihren Gottesdiensten „Christus wie einem Gott ein Lied darbrachten“ (Epistulae, 10,96).
Unabhängig von der Bibel liefern diese römischen Autoren folgende Hinweise auf Jesus:
• Die Bezeichnung für eine Gruppe von Menschen, „Chrestianer“ genannt, leitete sich von „Chrestos“ [Christus] ab.
• Dieser „Chrestos“ wurde während der Herrschaft von Tiberius hingerichtet, und zwar durch Pontius Pilatus. Tiberius war zwischen 14 und 37 n. Chr. römischer Kaiser. Pontius Pilatus war von 26 bis 36 n. Chr. Prokurator in Palästina. (Die Archäologie hat übrigens das Wirken von Pilatus in Judäa nachgewiesen.)
• Die neue Bewegung vertrat einen „verderbenbringenden Aberglauben“, womit wahrscheinlich der Glaube an die Auferstehung Jesu nach seiner Hinrichtung gemeint war.
• Die neue Bewegung der Christen hatte ihren Anfang in Judäa und breitete sich nach Rom aus.
• Die frühen Christen hielten Jesus für ein göttliches Wesen.
Außerdem haben wir das Zeugnis von Flavius Josephus, der jüdische Truppen in Galiläa beim Aufstand der Juden gegen Rom in den Jahren 66-70 n. Chr. befehligte. Nach seiner Gefangennahme reiste er mit dem römischen Feldherrn Titus nach Rom. Dort lebte er und schrieb geschichtliche Berichte bis zu seinem Tod ca. 100 n. Chr. Josephus ist in der Fachwelt als jüdischer Historiker des ersten Jahrhunderts gut bekannt. In seinem umfangreichen Werk Jüdische Altertümer erwähnt Josephus Jesus zweimal.
Diese Zeugnisse aus dem Jahrhundert nach dem Tod Jesu sind wichtig, da sie seine Existenz als geschichtliche Person und damit auch die Glaubwürdigkeit des biblischen Berichts bestätigen.