Nutzt Deutschland die Eurokrise als Gelegenheit, die Europäische Union zu dominieren? So sehen es zumindest einige in Europa – allen voran die Briten. Doch ein in einem vereinigten Europa eingebettetes Deutschland haben sich seine Nachbarn nach dem Zweiten Weltkrieg gewünscht.

Von Paul Kieffer

Europa scheint wieder Angst vor einem starken Deutschland zu bekommen, jedenfalls gemessen an den Reaktionen auf die Verhandlungen zur Stabilisierung des Euros und der damit verbundenen Vergabe neuer Kredite. Aufgebrachte Demonstranten in Athen beschimpfen die politische Führung Deutschlands gelegentlich mit „Nazi“, und britischen Pressemeldungen zufolge ist Deutschland seit Beginn der Eurokrise dabei, einen langgehegten, aber seit Kriegsende unterdrückten Traum von einem eigenen Empire zu verwirklichen.

Ein Kolumnist des britischen Daily Telegraph meinte in Bezug auf die deutsche Haltung bei Verhandlungen im vergangenen Sommer über einen weiteren Kredit für Griechenland, Deutschland stehe kurz vor der Erfüllung des bismarckschen Traums eines deutschen Wirtschaftsimperiums in Europa. Dabei würden südeuropäische Länder wie Griechenland und Portugal – und später auch Spanien und Italien – „entindustrialisiert“. Als Quelle billiger Rohstoffe und Arbeitskräfte würden sie de facto zu Kolonien Deutschlands gemacht, deren Wirtschaft sich derzeit in eine der dynamischsten und produktivsten auf der ganzen Welt verwandelt.

Dem Daily Telegraph zufolge ähnele die durch die Finanzkrise entstandene Lage in Europa sogar der Situation nach dem großen Börsencrash von 1929. Die daraus resultierende Wirtschaftsflaute habe die Weimarer Republik in die Knie gezwungen und dem deutschen Faschismus Vorschub geleistet. Vor diesem geschichtlichen Hintergrund seien große Veränderungen als Resultat der aktuellen Krise nicht auszuschließen („The euro crisis will give Germany the empire it’s always dreamed of“, 21. Juli 2011).

Der Stellungnahme des Daily Telegraph, die in der angelsächsischen Welt große Aufmerksamkeit fand, folgten weitere Bekundungen der Angst vor der wachsenden teutonischen Macht auf dem Kontinent. Einen Monat später berichtete das britische Massenblatt Daily Mail, Deutschlands „viertes Reich“ sei im Entstehen, da Berlin die Finanzkrise zur Eroberung Europas nutze.

„Wenn der Euro überleben soll – und mit ihm das europäische Projekt insgesamt –, müssen die anderen sechzehn Euroländer wie die Deutschen werden. In der Tat müssen sie auf die Freiheit verzichten, nicht wie die Deutschen zu sein. Das bedeutet eine vollständige Fiskalunion, in der Deutschland als die mächtigste Volkswirtschaft und größter Geldgeber der EU die Regeln bestimmt und sie unverletzlich macht.

Es soll kein Zweifel daran bestehen, was eine Fiskalunion bedeuten wird: eine einzige Wirtschaftspolitik, ein einziges Steuer- und Sozialsystem, nur eine Schuldenlast, nur eine Volkswirtschaft und nur einen Finanzminister. Und alles wäre unter deutscher Obhut“ („Rise of the Fourth Reich, how Germany is using the financial crisis to conquer Europe“, 17. August 2011).

In einer Stellungnahme vor dem Brüsseler Gipfeltreffen Ende Januar 2012 setzte die Daily Mail ihre Rhetorik gegen Deutschlands Vorgehen bei der Eurokrise fort. Mit dem Vorschlag eines EU-Sparkommissars für Athen wolle Berlin einen „Gauleiter“ in Griechenland einsetzen. „Früher hätte es einen militärischen Überfall gebraucht, um die Führung eines europäischen Staats zu stürzen. Heute geschieht das schlicht durch wirtschaftlichen Druck. Zusammen mit ihren französischen Alliierten führten die Deutschen einen Regimewechsel in zwei der lästigsten Länder der Eurozone herbei“ (28. Januar 2012). Gemeint waren Griechenland und Italien.

Deutschlands Führungsrolle beim Euro

Solche Reaktionen in Großbritannien scheinen etwas sonderbar zu sein, zumal das Land kein Euroland ist und allem Anschein nach auch nie sein wird. Außerdem hat der britische Premierminister David Cameron deutlich gemacht, dass sich sein Land an der Rettung des Euros und der anvisierten Fiskalunion nicht beteiligen wird.

Der Verantwortung für eine Lösung der Eurokrise, der sich Großbritannien nicht stellen will, kann sich Deutschland hingegen nicht entziehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat wiederholt betont, dass ein Scheitern der Währungsunion auch das Ende des „europäischen Experiments“ nach sich ziehen würde.

Deutschland hat sich von Anfang an dem Erfolg der Europäischen Union verschrieben. Es ist daher nur konsequent, dass Berlin seinen Beitrag zur Stabilisierung des Euros leistet. Der dauerhafte Euro-Rettungsschirm (ESM), der am 1. Juli 2012 wirksam wird, kann Kredite bis zu 500 Milliarden Euro vergeben. Der deutsche Anteil an der Gesamthaftung des ESM beträgt 190 Milliarden Euro.

Trotz dieser finanziellen Verpflichtung war es ausgerechnet David Cameron, der im Januar beim Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos Deutschland kritisierte. Deutschland müsse mehr tun, damit die Eurokrise dauerhaft gelöst werde. Der britische Premierminister mahnte eine Steigerung des deutschen Konsums an, damit mehr Waren aus Euroländern nach Deutschland exportiert werden und so die Konjunktur des Euroraums angekurbelt werde.

Die Proteste der britischen Presse und die Kritik des britischen Premierministers entzünden sich an der Funktion, die Deutschland in der Währungsunion zufällt und die auch vorauszusehen war. Schließlich ist die deutsche Wirtschaft die mit Abstand größte der Eurozone.

Doch Berlin hat diese Führungsrolle nicht angestrebt. Im Gegenteil: Seine Teilnahme an der Währungsunion war von seinen europäischen Partnern gewollt, vor allem von Frankreich, um die Vorherrschaft der D-Mark in Europa zu beenden und den europäischen Integrationsprozess voranzubringen.

Zum 20. Jubiläum der deutschen Wiedervereinigung berichtete Der Spiegel über die Vermutung, zwischen dem französischen Präsidenten Francois Mitterand und Bundeskanzler Helmut Kohl habe es ein Gentlemen’s Agreement gegeben zur Zeit der sogenannten „Zwei-plus-Vier-Gespräche“ über die formelle Beendigung des Zweiten Weltkriegs in Verbindung mit der deutschen Wiedervereinigung. Dem Spiegel-Bericht zufolge meinte Mitterand damals: „Die Deutschen stehen vor einer sehr wichtigen Wahl. Deutschland kann nur dann auf die Wiedervereinigung hoffen, wenn es in einer starken Gemeinschaft steht.“

Etwaige Bedenken über die potenzielle wirtschaftliche Dominanz seines bald um einiges größer werdenden Nachbarn waren für den französischen Präsidenten nicht mehr relevant, da Deutschland mittels der Währungsunion noch stärker in Europa eingebunden werden sollte. „Mitterrand wollte keine Wiedervereinigung ohne einen Fortschritt bei der Europäischen Integration, und das einzige Terrain, das vorbereitet war, war die Währung“, meinte der einstige Mitterrand-Berater Hubert Védrine. Karl-Otto Pöhl, der frühere Bundesbank-Präsident, ist der gleichen Meinung: „Möglicherweise wäre die Europäische Währungsunion gar nicht zustande gekommen ohne deutsche Einheit“ (Der Spiegel, 39/2010).

Die Funktion, die Deutschland in der Eurokrise übernommen hat, ist nicht auf ein Weltmachtstreben deutscher Politiker zurückzuführen, sondern ist das natürliche Ergebnis der Integration in die Währungsunion – eine Integration, die sich die Europäer für Deutschland gewünscht haben.

Die Entstehung des Tandems Berlin-Paris

Vor jedem anstehenden Euro-Krisengipfel treffen sich Angela Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy, um ihre Position für das Gipfeltreffen abzustimmen. Diese gemeinsame Position ist dann ein Leitfaden für die nachfolgenden Gespräche. Da Frankreich auf die Teilnahme Deutschlands bei der Währungsunion gedrängt hatte, ist das Bemühen um einen einvernehmlichen Standpunkt in den Belangen der gemeinsamen Währung konsequent und nachvollziehbar.

Mit dem heutigen Tandem Berlin-Paris setzt sich ein Muster fort, das vor mehr als 60 Jahren begann: die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland für die europäische Sache. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die beiden Länder bemüht, die früheren Probleme von Konkurrenz und Feindseligkeit unter starken europäischen Nationalstaaten mittels der Einbindung in das Projekt Europa aus der Welt zu schaffen.

Auf französischer Seite war es Außenminister Robert Schuman, der im Sinne einer Aussöhnung mit dem einstigen Feind und dessen Integration in ein europäisches Geflecht wirkte. Schuman war für diese Rolle geradezu prädestiniert. Sein Vater wurde durch die Annexion Elsass-Lothringens 1871 notgedrungen deutscher Reichsbürger, und in der Folge wuchs der 1886 geborene Schuman ebenfalls als deutscher Reichsbürger auf. Nach einem Studium in Deutschland war er Rechtsanwalt in Metz und auch Reservist im deutschen Heer. Erst 1919 wurde er Bürger Frankreichs, ohne dass er Groll gegen Deutschland hegte.

Fünf Jahre nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht 1945 regte Schuman, nunmehr französischer Außenminister, die Schaffung einer Montanunion an, die sich als der erste Schritt in Richtung eines vereinten Europas erwies. In der Schuman-Erklärung vom 9. Mai 1950 hieß es:

„[Ein vereinigtes] Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung. Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen . . . Zu diesem Zweck schlägt die französische Regierung vor, in einem begrenzten, doch entscheidenden Punkt sofort zur Tat zu schreiten . . . Die Zusammenlegung der Kohle- und Stahlproduktion wird sofort die Schaffung gemeinsamer Grundlagen für die wirtschaftliche Entwicklung sichern – die erste Etappe der europäischen Föderation.“

Schumans Vorschlag war eine Sensation. „Die Verkündung des Schuman-Plans war eine frohe Botschaft für die Generation, die den Zweiten Weltkrieg miterleben und mit erleiden musste und nun die Hoffnung schöpfte, dass ein weiterer europäischer Bruderkrieg nicht mehr ausbrechen würde, nicht mehr ausbrechen könnte. Denn die Zusammenlegung der Schwerindustrie, welche die Rüstungsindustrie gewesen war, würde – wie es in der Erklärung Schumans hieß – einen Krieg zwischen Deutschland und Frankreich auch materiell unmöglich machen. Der jahrhundertelangen Feindschaft zwischen den beiden Nachbarnationen wurde das Grab geschaufelt, und der Grabstein war der Grundstein für einen Zusammenschluss Europas“ (Franz Herre, A wie Adenauer, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1997, Seite 67-68).

Dreizehn Jahre nach der Vorstellung seines Plans kommentierte Schuman die Vorgehensweise wie folgt: „Man konnte sich natürlich nicht anmaßen, die Ausarbeitung einer europäischen Wirtschaftsform sofort und auf allen Gebieten gleichzeitig zu unternehmen. Aufgrund der technischen Komplikationen und ungenügenden geistigen Vorbereitung musste man etappenweise vorgehen“ (Schuman, Robert, Für Europa, Hamburg: Nagel, 1963).

Schuman machte kein Hehl aus dem Ziel, den Nationalstaat Deutschland durch die Einbindung in eine grenzüberschreitende europäische Partnerschaft nicht mehr in feindseliger Absicht gegenüber seinen Nachbarn agieren zu lassen. Fünf Monate vor der Bekanntgabe seines Plans für die Montanunion hatte Schuman dieses Thema in einer Rede in Brüssel angesprochen:

„Der Beitritt Deutschlands zur [anvisierten] europäischen Organisation bewirkt, wenn er diesem Land eine Unterordnung unter die Bedürfnisse der Gesamtheit auferlegt, im Gegenzug eine Art Rehabilitierung und für uns eine Garantie . . . Er stellt das deutsche Intelligenz- und Arbeitspotenzial in den Dienst Europas, und Deutschland kommt seinerseits das geistige und materielle Potenzial zugute, das Europa in einen solchen Zusammenschluss einbringt . . . Deutschland ist am gefährlichsten, wenn es auf sich selbst verwiesen ist und so einer furchterregenden und zerstörerischen Gärung überlassen wird“ (18. Dezember 1949; Hervorhebung durch uns).

Deutschlands Integration in der heutigen Europäischen Union kann unmöglich dessen Streben nach einem europäischen Empire zugeschrieben werden. Es ist vielmehr der Zustand, den sich Deutschlands Nachbarn, allen voran Frankreich, gewünscht haben.

Die historischen Wurzeln des heutigen Europas

Schumans Partner bei der Eingliederung Deutschlands in einen europäischen Verbund war Bundeskanzler Konrad Adenauer. Beide waren Christdemokraten. „Sie wurden von Gegnern wie Freunden ,Karolinger‘ genannt, weil sie ein neues Europa [nach dem Zweiten Weltkrieg] in christlichem Geist und – zunächst – auf dem Boden des Karolingerreiches zu errichten gedachten“ (Herre, Seite 66; Hervorhebung durch uns).

Der Gedanke an Karl den Großen im Sinne eines vereinigten Europas diente als Leitfaden bei der Zusammenarbeit in der Nachkriegszeit. Hatte doch einst das Reich von Karl dem Großen die Vorfahren der Deutschen und Franzosen vereint, deren Nachkommen in den sieben Jahrzehnten vor 1945 dreimal gegeneinander Krieg geführt haben.

„Die Wiederbelebung des antiken Begriffs ,Europa‘ erfolgte am Hof von Karl dem Großen“, schrieb der britische Historiker Norman Davis 1996 in seiner History of Europe (Seite 302). „Die Karolinger, das Herrschergeschlecht der Franken, von denen Frankreich seinen Namen ableitet, regierten nach dem Fall des weströmischen Reiches in Westeuropa. Sie brauchten einen Begriff für den Teil der Welt, den sie dominierten, der ihn von den heidnischen Ländern, dem byzantinischen Reich [dem oströmischen Reich, das weiterhin als ein christlicher Staat Bestand hatte] und dem Christentum im Allgemeinen unterschied. Das ,erste Europa‘ war daher ein kurzlebiges westliches Konzept, das nicht länger Bestand hatte als Karl selbst“ (ebenda).

Karl der Große war jedoch nicht der einzige Herrscher, der Europa zu einen suchte. Seit dem Fall des Römischen Reiches im fünften Jahrhundert n. Chr. gab es wiederholt Bemühungen um eine Vereinigung. Zeiten von Chaos und Verwirrung, oft als „finsteres Mittelalter“ bezeichnet, folgten auf den Untergang Roms. Barbarische Stämme drangen in früher zivilisierte Gebiete ein.

Im 6. Jahrhundert versuchte der oströmische Kaiser Justinian, der von Konstantinopel (dem heutigen Istanbul in der Türkei) aus regierte, das Römische Reich im Westen wiederherzustellen. Er war teilweise erfolgreich, aber sein Traum überdauerte ihn nicht.

Im 8. Jahrhundert sind muslimische Araber in Spanien eingefallen und schnell nach Norden vorgedrungen. Nur 21 Jahre später standen sie kurz vor Paris. Das westliche Christentum der römischen Kirche war bedroht. Hier, in der berühmten Schlacht von Tours und Poitiers, wurden die Muslime 732 n. Chr. von Charles Martel, dem Großvater von Karl dem Großen, besiegt. Kein Wunder, dass Karl der Große vom Papst gekrönt wurde, der erkannte, dass der Westen genauso einen Kaiser brauchte, wie der Osten ihn hatte.

Der Historiker John Bowle merkt an, dass „dieses Ereignis von entscheidender Bedeutung für die europäische Geschichte war, denn das wiedererstandene westliche Reich sollte, im Mittelalter als ,heilig‘ und römisch geltend, bis zu der Zeit von [Kaiser] Karl V. im 16. Jahrhundert weiter bestehen; danach . . . weiterhin bis 1806, als Napoleon es abschaffte“ (A History of Europe, 1979, Seite 170).

Die europäische Geschichte durchzieht eindeutig ein wiederkehrendes Thema – das des Wunsches nach einem vereinten Europa in der Tradition der Römer. Sogar noch weitergehend: Es bestand der Wunsch nach einem vereinten Europa im Zusammenschluss mit der Kirche von Rom, so wie es im späten Römischen Reich der Fall gewesen war.

Die Zukunft Europas aus biblischer Sicht

Die Ereignisse in Europa folgen einem historischen Muster – dem Versuch, die Spanier und Italiener, Deutschen und Slawen, Franzosen und Skandinavier zu einem Reich zu vereinen.

Dem Propheten Daniel wurde es durch göttliche Inspiration ermöglicht, die Bedeutung eines prophetischen Traums zu offenbaren. In Daniel 2 spricht der Prophet von vier aufeinanderfolgenden Reichen. Dazu gehört auch eines, das dann herrschen wird, wenn Jesus wiederkehrt, um das Reich Gottes auf Erden zu etablieren. Wenn wir die Geschichte mit anderen Prophezeiungen vergleichen, dann können wir sehen, dass es sich dabei um vier aufeinanderfolgende Reiche handelt: das babylonische, medo-persische, griechisch-mazedonische und das Römische Reich.

Vom vierten und letzten Reich sagte Daniel: Es „wird hart wie Eisen sein; Eisen zerschlägt und zermalmt ja alles; und wie Eisen alles zerschmettert, so wird dieses Reich alle anderen zerschlagen und zerschmettern“ (Vers 40; Einheitsübersetzung). Das Römische Reich hat sich in der Tat als dominanter als die vorherigen drei erwiesen und hat sich ihre Überreste im Rahmen einer Herrschaft einverleibt, die sich über Jahrhunderte erstreckte.

Daniel offenbarte auch faszinierende prophetische Details über dieses letzte Reich. Er sagte, dass die Beine und Füße des Bildnisses in Nebukadnezars Traum ein Königreich repräsentierten, das „teils von Ton und teils von Eisen“ sei (Vers 41). Das weist darauf hin, dass es sich um ein „zerteiltes Königreich“ handeln und dass es zum Teil „ein starkes und zum Teil ein schwaches Reich“ sein würde (Verse 41-42). Zudem, so „wie sich Eisen mit Ton nicht mengen lässt“, werden die Bestandteile dieses Königreiches nicht lange einen festen Zusammenhalt haben (Vers 43).

Danach beschreibt Daniel die Rückkehr Jesu Christi, die den Sturz aller menschlichen Königreiche und Regierungen zur Folge haben wird. Dann sagt Daniel: „Zur Zeit dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Reich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird . . . Es wird alle diese Königreiche zermalmen und zerstören“ (Vers 44).

Bei „diesen Königen“ handelt es sich speziell um eine Gruppe von zehn Führern, die sich in einer endzeitlichen Union oder Allianz vereinen werden. Daniels Prophezeiung deutet an, dass es sich bei dieser letzten Supermacht aufgrund der unterschiedlichen Kulturen und Sprachen um keine eng integrierte Staatengruppe, wie etwa die USA, handeln wird. Stattdessen sind es unterschiedliche Staatswesen, die sich zu einem gemeinsamen Zweck zusammengefunden haben. Einige werden dabei zweifellos wesentlich mächtiger sein als andere.

Im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung, gibt es weitere Einzelheiten über diese endzeitliche Allianz von Nationen. In Kapitel 17 finden wir eine symbolische Beschreibung eines religiös-politischen Systems, das mit dem eisernen Reich von Nebukadnezars Standbild in Daniel 2 verknüpft ist.

In den Versen 1-3 sehen wir eine „Hure“, biblische Symbolsprache für eine falsche Religion (die wahre Kirche hingegen wird immer als Jungfrau dargestellt), die auf „einem scharlachfarbenen Tier“ sitzt (Vers 3). Gemeint ist eine enge Zusammenarbeit bzw. eine Vermengung von Religion und Staat. Interessant ist, dass Religion und Politik in Europa in den 1700 Jahren, seitdem sich der römische Kaiser Konstantin zu dem abgewandelten Christentum seiner Zeit bekehrte, fast unzertrennlich gewesen sind.

Als der Apostel Johannes, dem diese Vision gegeben wurde, dieses zukünftige System sah, staunte er: „Und ich wunderte mich sehr, als ich sie sah“ (Vers 6). Johannes wurde dann gesagt: „Das Tier, das du gesehen hast, ist gewesen und ist jetzt nicht und wird wieder aufsteigen aus dem Abgrund und wird in die Verdammnis fahren.“ Diejenigen, die aufgrund religiöser Verführung den zeitlichen Ablauf biblischer Ereignisse nicht kennen, „werden sich wundern . . ., wenn sie das Tier sehen, dass es gewesen ist und jetzt nicht ist und wieder sein wird“ (Vers 8).

Die Formulierung „ist gewesen“ zeigt uns, dass das System bereits früher existierte; „ist jetzt nicht“ bedeutet, dass es zur Zeit der Vision in Offenbarung 17 nicht existent ist, und „wird wieder sein“ bedeutet, dass das System, das Johannes als Vision sieht, in der Zukunft wiederbelebt wird. Das Tier – das religiös-politische System –, das wiederbelebt wird, wird in den Versen 12-13 beschrieben: „Und die zehn Hörner [des Tieres, siehe Vers 3], die du gesehen hast, das sind zehn Könige, die ihr Reich noch nicht empfangen haben; aber wie Könige werden sie für eine Stunde Macht empfangen zusammen mit dem Tier. Diese sind eines Sinnes und geben ihre Kraft und Macht dem Tier.“

Die „zehn Könige“, die ihre Hoheit „dem Tier“ übertragen und mit ihm zusammen „für eine Stunde“ – eine verhältnismäßig kurze Zeit – „Macht empfangen“, stellen die Wiederbelebung dar, die „wieder sein wird“ (Vers 8). Wann soll das geschehen? Vers 14 nennt den Zeitpunkt und stellt damit die Verknüpfung zwischen den „zehn Königen“ in Offenbarung 17 und den zehn „Zehen“ des eisernen Reiches vom Bildnis in Daniel 2 her:

„Die werden gegen das Lamm kämpfen, und das Lamm wird sie überwinden, denn es ist der Herr aller Herren und der König aller Könige.“ Die zehn Könige werden gegen das Lamm, Jesus Christus, kämpfen. Die kurze Zeit, in der sie wirken dürfen, wird durch die Wiederkehr Jesu beendet (vgl. dazu Offenbarung 11,15). Jesus Christus ist auch der Stein in Daniel 2, der das Bildnis an seinen Füßen mit den (zehn) Zehen trifft.

Fazit: Daniel 2, Verse 40-44 und Offenbarung 17, Verse 12-14 beschreiben dasselbe Ereignis: Der wiederkehrende Jesus Christus etabliert eine neue Weltordnung auf der Erde und beendet so die Herrschaft eines wiederbelebten Römischen Reiches, das durch die Zusammenarbeit von „zehn Königen“ zustande kommen wird.

Es mag Ihnen unglaublich vorkommen, aber diese Prophezeiung beschreibt die zukünftige Entwicklung Europas!

Im Licht der biblischen Prophezeiungen ist es faszinierend, die Wurzeln der EU zu sehen. In der Ausgabe vom 29. Januar 1996 berichtete das amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek: „Im Januar 1957 unterschrieben sechs Nationen einen Vertrag am Ort des antiken römischen Kapitols und begründeten so die Existenz der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft . . . Ein Stabsmitarbeiter von Paul-Henri Spaak, dem belgischen Außenminister, erinnert sich daran, wie sein Chef sagte: ,Glauben Sie, dass wir den ersten Stein zu einem neuen Römischen Reich gelegt haben?‘ Der Mitarbeiter erinnert sich: ,Wir hatten an dem Tag das starke Gefühl, Römer zu sein.‘ “

Deutschland als Motor der EU

Der Gedanke, dass Deutschland auf einmal alte Träume von einem Empire verfolgt, ist absurd. Andererseits scheut sich das heutige Deutschland, das auf Wunsch seiner Nachbarn in dem Projekt Europa fest verankert ist und sich dessen Erfolg verschrieben hat, nicht davor, seinen Standpunkt in Bezug auf europäische Belange kundzutun.

Charles Kupchan, Professor an der Georgetown University und Autor des Buches The End of the American Era, beschreibt die deutsche Haltung folgendermaßen: „Als Teil seiner auf Beruhigung und Versöhnung angelegten Außenpolitik in der Nachkriegszeit trat Bonn vorsichtig auf den Gebieten Diplomatie und Verteidigung auf. Seit der Verlegung des Regierungssitzes 1999 nach Berlin, die ein erneuertes Selbstbewusstsein symbolisierte, mischt Deutschland mit Anregungen für die weitere Entwicklung der EU mit und schlägt damit einen möglichen Rahmen für die Schaffung eines föderativen Europas vor.“

Innerhalb der EU ist Deutschland der wichtigste Handelspartner eines jeden Mitgliedslandes. Die Überwindung der Wirtschaftsflaute in Europa ohne eine starke deutsche Konjunktur ist deshalb kaum möglich. Auch wenn manche in Europa Angst vor dem wiedervereinigten Deutschland haben – wie die Zitate zu Beginn dieses Artikels belegen –, ist die Schaffung eines politischen und wirtschaftlich geeinten Europas ohne deutsche Beteiligung nicht vorstellbar.

Das wissen auch die Europäer. Auf wen schauen sie für Rückhalt in der Eurokrise? Auf wen werden sie bei ähnlichen Krisen in Zukunft schauen? Auf die Deutschen.