Das Beispiel eines gläubigen Mannes und seiner entschlossenen Begleiter birgt eine wichtige Lektion für uns bei der Nachfolge Jesu.
Von Robin Webber
Haben Sie schon mal ein Geräusch auf dem Dach oder dem Dachboden gehört und sich dabei gefragt, was es sein könnte? Man vermutet eine Katze, einen Marder, Vögel oder vielleicht ein Spielzeug, das Kinder versehentlich aufs Dach geschleudert haben. Manchmal ist das Geräusch so laut, dass man zum Handeln animiert wird – besonders dann, wenn man meint, da kommt gleich etwas durch die Decke!
Die Erinnerung an ein solches Erlebnis dient uns als Vorbereitung auf wichtige geistliche Lektionen bei der Befolgung der Aufforderung Jesu „Folgt mir nach!“. Denn vor 2000 Jahren in einem Haus am Galiläischen Meer gab es nicht nur ein Geräusch auf dem Dach, sondern das Dach wurde aufgedeckt, um Zugang zum Lehrer aus Nazareth zu ermöglichen! Die Geschichte enthält einen Hinweis auf einen wertvollen Durchbruch, der in unserem Leben heute möglich ist.
Entschlossenheit ebnet den Weg
Wie oft kommt es im Leben vor, dass die Umstände oder bestimmte Leute ein Hindernis zwischen uns und einem Ziel sind? Kommt Ihnen das bekannt vor? Vielleicht sogar zu bekannt? Darum geht es in diesem Beitrag.
Die Nachricht breitete sich wie ein Lauffeuer in dem Dorf Kapernaum aus – dort, wo jeder wusste, was jeder andere machte. Der Rabbi aus Nazareth war auf Besuch und hielt sich in einem Haus auf (Markus 2,1).
Es war derselbe Wundertäter, der kürzlich einen Dämon aus einem Dorfbewohner ausgetrieben und andere geheilt hatte (Markus 1,21-45). Nun war er wieder da! Dieser Lehrer war etwas Besonderes, und keiner wollte sich die Gelegenheit entgehen lassen, ihn zu sehen. Die Menschen drängten sich in das Haus, in dem er lehrte, und blockierten damit den Zutritt zu dieser spontanen Versammlung (Markus 2,2).
Doch in dieser Geschichte geht es nicht um die vielen, die Jesus hören wollten, sondern um einen Mann, der Jesu Hilfe brauchte, und seine Begleiter, die ihn zum Meister bringen wollten. Dank ihrer Entschlossenheit sollte nichts sie daran hindern.
In einer kleinen Gruppe, die sich dem Haus näherte, hielten vier Männer die Zipfel einer Schlafmatte fest, auf der sie einen Lahmen trugen. Aus eigener Kraft hätte er nicht kommen können. Vor dem Eingang des Hauses stießen sie jedoch auf eine menschliche Mauer, die ein Durch- bzw. Weiterkommen unmöglich machte. Man hätte dem Lahmen auch nicht aus Höflichkeit oder Rücksicht den Zutritt ins Haus gewährt, denn damals galt eine körperliche Behinderung bei den Juden als Strafe für begangene Sünden.
Für den Lahmen erscheint die Situation hoffnungslos. Er kann den Wundertäter nicht sehen, geschweige denn hören. Auf einmal wenden sich seine entschlossenen Freunde vom Eingang ab und suchen an der Seite des Hauses die Treppe, die zum Flachdach hinaufführt. Was haben sie vor?
Das Dach eines Hauses wurde damals als Ergänzung der verfügbaren Nutzfläche gesehen. Stufe für Stufe stieg die Gruppe hinauf, dabei den Lahmen vorsichtig balancierend. Oben angekommen klopfen sie das Dach ab, um die tragenden Balken zu orten. Dann gingen sie an die Arbeit des Lösens der mit pflanzlichen Fasern versehenen festen Tonschicht, die man festgedrückt und in der Sonne getrocknet hatte, um eine wasserdichte Oberfläche zu schaffen.
Wusste Jesus, dass Männer auf dem Dach waren? Hörte er ihre Fußtritte? Das wissen wir nicht, aber stellen Sie sich die Szene vor, was als Nächstes passierte, als die Decke im Haus zu bröckeln begann und der Putz und Staub auf die Menschen fielen – vielleicht sogar auf Jesu Gesicht, als er nach oben blickte, um zu sehen, was da vor sich ging.
Plötzlich entsteht ein Loch in der Decke über der überraschten Menge und das Tageslicht strömt von oben herein. Das Loch wird noch größer, und dann wird ein Mann, auf einer Matte liegend, herabgelassen, sodass er Jesus zu Füßen liegt. Was für ein dramatischer Augenblick! Und wie reagierte Jesus?
„Deine Sünden sind dir vergeben“
Jesu Zuhörer mögen dann den Staub von ihrer Kleidung entfernt haben, doch ihr großer Lehrer hatte etwas anderes im Sinn. Was er als Nächstes der erstaunten Menge verkündete, übertraf die Dramatik, die alle gerade erlebt hatten.
Jesus redete den vor ihm liegenden Lahmen mit „mein Sohn“ an (teknon im Griechischen). Es war ein freundlicher Willkommensgruß für den Mann, dem nur mit äußerster Anstrengung Zutritt zu Jesus verschafft worden war. Jesus fuhr fort: „Deine Sünden sind dir vergeben“ (Vers 5). Dabei gerieten einige der Zuhörer gedanklich in Aufruhr: „Wie redet der so? Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben als Gott allein?“ (Vers 6).
Was Anlass zur Freude hätte sein sollen, wurde von den anwesenden Selbstgerechten anders empfunden. Anstelle von Freude witterten sie Gotteslästerung. Der Evangelist Markus, der das Geschehen für uns festgehalten hat, berichtete, dass Jesus ihre Gedanken erkannte (Vers 8).
Doch er ließ sich nicht davon beeinflussen. Ihm ging es vordergründig um einen sündigen Krüppel und seine Freunde, deren Glaube ihn beeindruckte (Vers 5).
Mit einer Frage wandte sich Jesus an die vorwurfsvollen Schriftgelehrten: „Was denkt ihr solches in euren Herzen? Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und geh umher? Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden – sprach er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim!“ (Verse 9-11).
Jesu kraftvolle Worte dienten mehr als einem Zweck. Für die versammelten Zuhörer offenbarte seine Aussage seine göttliche Autorität zur Vergebung der Sünden, deren Wahrhaftigkeit durch die erfolgte Heilung bestätigt wurde. Wie hätte der Kranke überhaupt gehen können, wenn seine Sünden ihn weiterhin von Gott trennten? Damit widersprach Jesus der selbstgerechten Haltung seiner Kritiker. Außerdem verhalf er dem Geheilten zu einem besseren Verständnis der Arbeitsweise Gottes.
Gott heilt nicht nur das Äußere am Menschen, sondern auch das Innere. Mit der Sündenvergebung ging Jesus weit über die Bitte um körperliche Heilung hinaus.
Ein weises Herz erlangen
Stellen wir uns nun einige persönliche Fragen in dem Bemühen, ein weises Herz zu erlangen und Jesu Aufforderung „Folgt mir nach!“ besser zu verstehen.
Die wichtigste Frage lautet: Was hält uns von Christus ab?
Sind es die Menschen? Wenn wir es zulassen, können sie unseren Zugang zu Christus blockieren. Nur eine Person zwischen uns und ihm genügt, um eine scheinbar undurchdringliche Mauer zu sein – wenn wir es zulassen.
Eine wichtige Lektion in der Geschichte vom Krüppel ist, dass Jesus stets bereit ist, uns in dem Zustand, in dem wir uns gerade befinden, zu empfangen. Uns obliegt es, unser Bedürfnis nach seinem Eingreifen zu erkennen. Es gilt, dieses Bedürfnis stärker zu empfinden als unser menschliches Umfeld, das uns sonst daran hindern könnte, Jesus um Hilfe zu bitten.
Als Gott Jeremia zum Prophetenamt berief, forderte er ihn auf, keine Angst vor den Menschen zu haben (Jeremia 1,8). Warum? Weil wir bei unserem Dienst für Gott oft auf die Meinung von Menschen achten!
Angst vor den Menschen ist kein Ersatz für die Nähe zu Christus. Petrus wollte seinem Herrn nahe sein, auch wenn er sich dabei manchmal falsch verhielt. Man denke nur an diejenigen, die zuschauten, als er Jesus auf dem Wasser entgegengehen wollte und dann zu sinken begann. Oder der Blick seines Meisters, als Petrus in der Nacht der Festnahme Jesu ihn das dritte Mal verleugnete und damit Jesu Prophezeiung erfüllte. Trotz allem wusste Petrus, dass es keinen Ersatz für die Nähe zu Christus gibt.
Diese Geschichte schärft uns auch die Wichtigkeit von Freunden ein, die uns – und Gott – treu sind. Vergessen wir nicht, dass Jesus „ihren Glauben“ sah – den Glauben des Lahmen, aber auch den Glauben seiner Freunde.
Ich stelle mir den Gesichtsausdruck der vier Freunde vor, die, nachdem sie ihren Freund vor Jesu Füßen herabgelassen hatten, zu Zeugen seiner Heilung wurden. Ihr Beispiel erinnert an die Worte Salomos in Prediger 4, Verse 9-12:
„So ist’s ja besser zu zweien als allein; denn sie haben guten Lohn für ihre Mühe. Fällt einer von ihnen, so hilft ihm sein Gesell auf. Weh dem, der allein ist, wenn er fällt! Dann ist kein anderer da, der ihm aufhilft. Auch, wenn zwei beieinander liegen, wärmen sie sich; wie kann ein einzelner warm werden? Einer mag überwältigt werden, aber zwei können widerstehen, und eine dreifache Schnur reißt nicht leicht entzwei.“
Wie sieht Ihr Freundeskreis derzeit aus? Sind Sie von Menschen umgeben, durch deren Einfluss Sie Christus näher kommen? Oder ist das Gegenteil der Fall?
Jesu Jünger sind nicht nur gläubige Menschen, sie sollen auch einfallsreich sein. Der Glaube spielt sich nicht in einem Hohlraum ab. Gott erwartet, dass wir das tun, wozu wir fähig sind. Das, was wir nicht schaffen können, nimmt er uns ab.
Christus war nur zu gern bereit, den bettlägerigen Lahmen zu heilen, aber der Lahme musste zu ihm kommen und war dabei auf die Hilfe seiner Freunde angewiesen. Der Glaube drückte sich in diesem Fall durch eine gemeinschaftliche Unternehmung aus!
Das Unerwartete erwarten
Diese Geschichte ist auch eine Ermahnung für alle, die Jesu Aufforderung „Folgt mir nach!“ beherzigt haben, das Unerwartete von ihrem Herrn und Meister zu erwarten.
Was meine ich damit? Gewiss kam der Lahme zu Christus, um geheilt zu werden. Als er endlich vor Jesus angekommen war, war die erste Handlung Jesu aber die Sündenvergebung, nicht die Heilung. Dank der Heilung konnte der Geheilte aufstehen und gehen, aber dank der Sündenvergebung konnte er auch vor Gott aufrecht gehen.
Nachdem Jesus dem Mann vergeben und ihn geheilt hatte, sagte er zu ihm: „Steh auf, nimm dein Bett und geh heim!“ Jesus hat ihn nicht nur geheilt, er forderte ihn auch zum Handeln auf. Der Geheilte reagierte sofort auf Jesu Aufforderung, was auch eine Reaktion bei den im Haus Versammelten auslöste: „Und er stand auf, nahm sein Bett und ging alsbald hinaus vor aller Augen, sodass sie sich alle entsetzten und Gott priesen und sprachen: Wir haben so etwas noch nie gesehen“ (Markus 2,11-12).
Im 21. Jahrhundert hat Gott nicht mit dem Wirken von Wundern aufgehört. Nach wie vor vergibt er reumütigen Menschen ihre Sünden, und diejenigen heilen, die an ihn glauben, kann er immer noch.
Nun, was hält Sie von Christus ab?
Wie bei dem Lahmen und seinen Freunden vor so vielen Jahren in Kapernaum freut sich Christus heute über uns, wenn wir ihn im Glauben suchen. Wir dürfen Gott in seinem Vermögen niemals einschränken, noch darin, wie er uns gebrauchen kann, wenn wir Jesu Aufforderung „Folgt mir nach!“ beherzigen. Er kann uns in die Lage versetzen, ihm vor den Menschen die Ehre zu erweisen, die ihm zusteht.
Weise – und unbeirrbare – Männer und Frauen suchen ihn auch noch heute!