Der Apostel Johannes war im Exil auf der Insel Patmos, als er das Buch der Offenbarung niederschrieb. Die Vision vom Himmel, die er erhielt, offenbart einen wichtigen Schlüssel zur Lösung unserer Probleme.
Von Robin Webber
Unsere Leser kennen die ersten Zeilen des Vaterunsers: „Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“ (Matthäus 6,9-10). Diese Worte, die Jesus seine Jünger in seiner Bergpredigt lehrte, mögen unseren aufrichtigen innigen Wunsch widerspiegeln. Doch ab und zu lenken wir unsere Aufmerksamkeit eher auf die manchmal schwierigen Umstände, denen wir in diesem irdischen Leben begegnen. Dabei kann Jesu Anleitung hinsichtlich des Gebets vorübergehend in Vergessenheit geraten.
Einmal hörte ich jemanden sagen: „Das Leben ist das, was uns passiert, wenn wir dabei sind, unsere Pläne fürs Leben zu schmieden.“ Das trifft für Christen besonders dann zu, wenn wir Prüfungen erleben. In solchen Situationen verlieren wir unser Bewusstsein von Gottes Thron und seinen vielen Verheißungen in Bezug auf unser geistliches Wohlergehen.
Das letzte Buch der Bibel enthält eine Ermahnung an uns, diese wunderbaren Verheißungen klar vor Augen zu halten, wenn wir schwer geprüft werden.
Im Exil kam die Vision der Offenbarung
Der Apostel Johannes war dabei, als Jesus seinen Jüngern das Vaterunser als Mustergebet gab. Ca. 60 Jahre später lernte er die Bedeutung der Worte Jesu aufs Neue kennen. Gegen Ende seines Lebens schrieb er in Offenbarung 1, Vers 9: „Ich, Johannes, euer Bruder und Mitgenosse an der Bedrängnis und am Reich und an der Geduld in Jesus, war auf der Insel, die Patmos heißt, um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses von Jesus.“
Die meisten Bibelkommentatoren sind sich darin einig, dass Johannes auf dieser kleinen Insel im Ägäischen Meer im Exil lebte, und zwar zur Zeit der großen Christenverfolgung durch den römischen Kaiser Domitian. Überlegen wir kurz, was seine Gedanken gewesen sein mögen, als er von einer Felsenklippe aus die Wellen des Meeres gegen die steinige Küste schlagen sah. Er war isoliert auf dieser Insel, unfähig, den Auftrag auszuführen, den sein Herr und Meister ihm vor so vielen Jahren gegeben hatte.
Fragte sich Johannes vielleicht, ob Gott ihn verlassen hatte? Hatte er Mühe, sein Los im Leben zu akzeptieren, nachdem er seinem Meister so viele Jahre lang treu gedient und das Evangelium gepredigt hatte?
Sind Ihnen ähnliche Gedanken auch schon mal durch den Kopf gegangen? Wenn wir schwere Zeiten durchmachen, kann es uns vorkommen, als wären wir ganz allein auf unserer eigenen Insel Patmos, im persönlichen Exil von Gott.
Ob Johannes solche Gedanken hatte, wissen wir nicht, aber eines ist gewiss: In der Vision, die er für uns als Buch der Offenbarung niederschreiben durfte, stärkte Gott ihn hinsichtlich der Zukunft. Die ermutigenden Worte der Offenbarung sind auch Gottes Botschaft an uns und alle Christen in allen Zeiten. „Dies ist die Offenbarung Jesu Christi, die ihm [Jesus] Gott [der Vater] gegeben hat, seinen Knechten zu zeigen, was in Kürze geschehen soll; und er hat sie durch seinen Engel gesandt und seinem Knecht Johannes kundgetan“ (Offenbarung 1,1; alle Hervorhebungen durch uns).
Christus teilte eine Vision mit Johannes, in der weitreichende Ereignisse der Zukunft, die die Welt und die Kirche Gottes erleben sollten, dargestellt wurden. Die Botschaft umfasste eine Zeitspanne, die von der Zeit des Johannes vor 1900 Jahren bis zum Erscheinen „des neuen Himmels“ und „der neuen Erde“ reicht (Offenbarung 21,1). Sie wird es erst mehr als eintausend Jahre nach der verheißenen Wiederkehr Jesu Christi geben.
Ein Teil der Vision bietet Anlass zur großen Freude, aber ein anderer Teil offenbart schreckliche Geschehnisse, die auch die wahren Diener Gottes betreffen. Deshalb legte Christus als Erstes in seiner Mitteilung an Johannes einen Grundstein der Hoffnung, damit Johannes und alle anderen, die Jesu Botschaft lesen, nicht vor Schrecken verzagen.
Die himmlische Perspektive vorweg
Jesus wusste, wie er Johannes am besten zeigen konnte, dass seines Vaters Wille „geschehe wie im Himmel so auf Erden“. Bevor Jesus Johannes die Zukunft offenbarte, ließ er ihn sehen, was „im Himmel“ bedeutet, und zwar als Vorausschau auf das, was uns letztendlich erwartet (vgl. dazu 1. Johannes 3,2).
Dieser Einblick in Jesu herrliches Erscheinungsbild ist der Rahmen für die anschließende Offenbarung. Es ist, als würde der auferstandene Christus seine Aufforderung „Folgt mir nach“ wiederholen, nicht nur hinsichtlich des Inhalts unserer Gebete, sondern auch in Bezug auf die wunderbare Bestimmung, die Gott für uns vorgesehen hat.
Christus vermittelt Johannes, wie die Existenz in der Zukunft sein wird, auf die sich alle treuen Christen jenseits dieses zeitlich befristeten materiellen Lebens freuen können (vgl. dazu Kolosser 3,2; 2. Korinther 4,17-18; Römer 8,18-23). Lesen wir die Worte Jesu Christi in dem Bemühen, über unsere persönliche Insel Patmos bzw. eine selbst auferlegte Isolation von unseren Mitmenschen und Gott hinauszuschauen.
Die Offenbarung beginnt mit „einer großen Stimme wie von einer Posaune“, die ausruft: „Ich bin das Alpha und das Omega, spricht Gott, der Herr, der ist und der war und der kommt, der Herrscher über die ganze Schöpfung“ (Offenbarung 1,8. 11; Einheitsübersetzung).
Jesus Christus beginnt die Übermittlung der Botschaft des Vaters, indem er als Erstes die ewige Existenz Gottes betont. Er und sein Vater hatten keinen Anfang, sondern existieren einfach und unterliegen nicht den Grenzen von Raum und Zeit. Sie sind der Ursprung allen anderen Lebens.
Zu Beginn der Vision steht Jesus mitten unter sieben Leuchtern (Vers 13), die sieben Gemeinden darstellen, die gegen Ende des ersten Jahrhunderts existierten und besonderen Herausforderungen gegenüberstanden. Diese sieben Gemeinden repräsentieren auch Gottes Volk in den nachfolgenden Jahrhunderten bis in unsere Zeit hinein. Jesus ist also kein Hirte, der seine Herde sozusagen aus der Distanz weidet. Stattdessen befindet er sich unter seinen Schafen, auch wenn sie seine Gegenwart nicht wahrnehmen.
Eine Momentaufnahme der Rolle Christi
Johannes sah Jesus im Himmel, an Gottes Thron. Er wurde beschrieben als „einem Menschensohn gleich“ und war „angetan mit einem langen Gewand und gegürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel“ (Offenbarung 1,13).
Wie sah Jesus aus? „Sein Haupt aber und sein Haar war weiß wie weiße Wolle, wie der Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme und seine Füße wie Golderz, das im Ofen glüht, und seine Stimme wie großes Wasserrauschen; und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand, und aus seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert, und sein Angesicht leuchtete, wie die Sonne scheint in ihrer Macht“ (Offenbarung 1,14-16).
Die Sterne sind Symbole für Engel bzw. Boten für Gottes Volk (Vers 20), das Schwert versinnbildlicht das Wort Gottes (Hebräer 4,12) und Jesu leuchtende Brillanz spiegelt seine göttliche Herrlichkeit wider (Hebräer 1,3).
Wir sollen uns dieses Bild einprägen, das Johannes sehen durfte. Am Thron Gottes steht Jesus, der einst Fleisch und Blut war wie wir, nun aber ein glänzendes priesterliches Gewand trägt, das auf seine Funktion als unser König und Hohepriester hinweist. Er ist Gottes höchster himmlischer Bote!
Zu Beginn der Offenbarung wurde Johannes – und damit auch uns – vermittelt, dass Gott, der Vater, Jesus die Macht über das Universum übertragen hat. Ihm ist alles unterstellt, und er ist mit der Autorität seines Vaters ausgestattet, um das göttliche Gericht durchzuführen.
Was sind die ersten Worte, die Jesus in der Vision sprach, nachdem seine herrliche Gestalt zu sehen war? Es sind Worte, die wir nicht oft genug hören können: „Fürchte dich nicht!“ (Offenbarung 1,17).
Warum sollen wir uns nicht fürchten? Jesus fuhr fort: „Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle [das Grab]“ (Verse 17-18).
Nur Jesus kann für sich in Anspruch nehmen, den Tod als Mensch erlebt zu haben und jetzt über ihn zu herrschen! Als Mensch wusste Jesus, was es bedeutet, schwer versucht zu werden und von seinen Mitmenschen allein gelassen zu werden.
Seine Worte wiederholten seine Feststellung als Gott der Israeliten im Alten Testament (vgl. dazu Johannes 1,1-3; 1. Korinther 10,4), als er durch den Propheten Jesaja sagte: „Gedenkt des Vorigen, wie es von alters her war: Ich bin Gott, und sonst keiner mehr, ein Gott, dem nichts gleicht. Ich habe von Anfang an verkündigt, was hernach kommen soll, und vorzeiten, was noch nicht geschehen ist. Ich sage: Was ich beschlossen habe, geschieht, und alles, was ich mir vorgenommen habe, das tue ich . . . Wie ich’s gesagt habe, so lasse ich’s kommen; was ich geplant habe, das tue ich auch“ (Jesaja 46,9-11).
Sich dem Unnahbaren nähern
Jesus Christus, der große Offenbarer, fuhr in Kapitel 4 mit dem Einblick in Gottes Thronsaal fort. Johannes hielt das, was er in der Vision sehen durfte, für uns fest: „Alsbald wurde ich vom Geist ergriffen. Und siehe, ein Thron stand im Himmel und auf dem Thron saß einer. Und der da saß, war anzusehen wie der Stein Jaspis und Sarder; und ein Regenbogen war um den Thron, anzusehen wie ein Smaragd“ (Verse 3-4).
In dieser Szene werden die Herrlichkeit und Heiligkeit des Wesens Gottes mittels Edelsteinen beschrieben. Sie leuchten mit einer blendenden Kraft, die der Apostel Paulus ein Licht nennt, „zu dem niemand kommen kann“ (1. Timotheus 6,16). Es ist derselbe Thron, an den Israels König David seine Gebete richtete: „Lobe den Herrn, meine Seele! Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich; du bist schön und prächtig geschmückt. Licht ist dein Kleid, das du anhast“ (Psalm 104,1-2).
Johannes sah einen Regenbogen um den Thron Gottes, der uns an den Regenbogen erinnert, den Noah nach der Sintflut sah (1. Mose 9,11-17). Er war damals ein Zeichen für Gottes Gnade nach einer Zeit des Gerichts – eine wichtige Botschaft hinsichtlich der furchterregenden Prophezeiungen, die Johannes offenbart wurden.
Das Buch der Offenbarung geht mit einem „neuen Himmel“ und einer „neuen Erde“ zu Ende. Es wird dann kein Meer mehr geben – die Barriere, die Johannes auf der Insel Patmos in Isolation hielt (Offenbarung 21,1). Gott, der Vater, und das neue Jerusalem sind dann auf Erden (Verse 2-3). Es wird letztendlich keine Barrieren geben zwischen Gott und denen, die Jesu Aufforderung beherzigt und regelmäßig gebetet haben: „Dein Reich komme!“
Als Nächstes wiederholt Gott, der Vater, die Worte, die wir im ersten Kapitel der Offenbarung gelesen haben: „Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst“ (Offenbarung 21,6).
Gottes Einladung zur Quelle des lebendigen Wassers steht allen offen, die seinen Ruf hören und darauf entsprechend reagieren. An anderer Stelle sagte Christus: „Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an; wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, zu dem werde ich hineingehen und mit ihm essen und er mit mir“ (Offenbarung 3,20; Elberfelder Bibel).
Gott sieht die Dinge, die er plant, als wären sie bereits Wirklichkeit, denn er „ruft das, was nicht ist, dass es sei“ (Römer 4,17). So sehen wir zum Schluss der in der Offenbarung enthaltenen Vision diejenigen, die seine Einladung annehmen werden: „Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, euch dies zu bezeugen für die Gemeinden. Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids, der helle Morgenstern. Und der Geist und die Braut [die Kirche] sprechen: Komm! Und wer es hört, der spreche: Komm! Und wen dürstet, der komme; und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst“ (Offenbarung 22,16-17).
Wie geht Gottes Offenbarung an die Menschen zu Ende? Mit derselben Aufforderung, die uns Jesus am Anfang des Vaterunsers einschärfte: „Dein Reich komme!“