Manche bekennenden Christen stellen sich die Frage, ob sie das Gesetz Gottes wirklich halten müssen. Das Mainstream-Christentum bietet hierauf gleich mehrere Antworten. Welche Antwort ist aus biblischer Sicht die passendste?
Von Josh Harms
Während meines Studiums gab es manchmal Klausuren mit Multiple-Choice-Fragen. Um den Fragebogen auszufüllen, musste ich nur einen gespitzten Bleistift verwenden und das entsprechende Kästchen ankreuzen. Die Fragen, die mir immer die größten Schwierigkeiten bereiteten, waren die, bei denen ich die bestmögliche bzw. zutreffendste Antwort auswählen musste.
Bei solchen Fragen wusste ich, dass es mehr als nur eine richtige Antwort geben konnte. Es war nicht immer einfach, die bestmögliche zu erkennen. So gab es eine Phase des Überlegens und Abwägens, bevor ich meine Antwort ankreuzte.
Vor einiger Zeit habe ich ein einfaches, dreiminütiges Video bei Facebook hochgeladen, das darlegte, warum der Sonntag heute der Ruhetag bzw. der Tag des Gottesdienstes für das Mainstream-Christentum ist und warum er es nicht sein sollte. Mein Kommentar dazu war: „Gut gemacht, und das in nur drei Minuten!“ Ich ahnte nicht, was für eine hitzige Diskussion das kurze Video in Bezug auf die Gültigkeit der Gebote Gottes auslösen würde. Mehrere Facebook-Teilnehmer erklärten, warum Christen heute ihrer Meinung nach nicht verpflichtet sind, das Gesetz Gottes zu halten. Andere Teilnehmer versuchten mit mehreren Antworten, diese Meinung zu widerlegen.
Meine Multiple-Choice-Frage an Sie lautet: „Welche der nachfolgenden Antworten ist die beste auf die Frage: Sind die Gebote Gottes für Christen bindend gültig? Begründen Sie Ihre Antwort!“
Antwort A: Ich muss die Gebote nicht halten.
Einige Mainstream-Christen sagen, dass die Gebote ans Kreuz genagelt wurden. Deshalb müssen wir sie nicht mehr halten. Oder sie zitieren Kolosser 2, Vers 16, wo es heißt: „So lasst euch nun von niemandem ein schlechtes Gewissen machen wegen Speise und Trank oder wegen eines bestimmten Feiertages, Neumondes oder Sabbats.“
Was wurde tatsächlich ans Kreuz genagelt? Zum einen wurde Jesus Christus ans Kreuz genagelt, ebenso das Schild über seinem Kopf, das ihn als „Jesus von Nazareth, König der Juden“ identifizierte. Was wurde aber in geistlicher Hinsicht ans Kreuz genagelt? In Kolosser 2, Vers 14 lesen wir, dass der „Schuldbrief getilgt“ wurde, „der mit seinen Forderungen gegen uns war“. Dieser Schuldbrief wurde „an das Kreuz geheftet“. Bezieht sich das auf das Gesetz Gottes? Keineswegs! Gottes Gesetz ist nicht gegen uns, sondern unsere Sünden – Sünden, für die eine Strafe gezahlt werden musste.
Unsere Sünden, aber auch die dafür erforderliche Strafe wurden ans Kreuz genagelt. Jesus war das vollkommene, allumfassende Sühneopfer für die Sünden der gesamten Menschheit. Durch Jesu vergossenes Blut sind Tieropfer als Sühne für Sünde nicht länger notwendig. Das bedeutet nicht, dass es keine Sünden mehr gibt. Stattdessen unterliegen wir nicht länger der Todesstrafe für Sünde, sofern wir Jesu Sühneopfer angenommen und unsere Sünden bereut haben.
Gottes Gesetz definiert nach wie vor die Sünde. Wäre das Gesetz abgeschafft, müsste die Sünde im Neuen Bund überhaupt nicht erwähnt werden, denn es gäbe keine Sünde mehr. Es ist offensichtlich, dass das Gesetz noch bindend und gültig ist.
Jesus sagte: „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen. Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es alles geschieht“ (Matthäus 5,17-18).
Jesus sagte, dass das Gesetz gelehrt und gehalten werden soll (Vers 19). Das Wort „erfüllen“ bedeutet außerdem „voll füllen“ oder „auffüllen“. Jesus erfüllte das Gesetz, indem er die wahre Absicht des Gesetzes – den Geist des Gesetzes – lehrte und uns perfekt vorlebte. Auf keinen Fall bedeutet „erfüllen“ die Abschaffung des Gesetzes!
Kolosser 2, Vers 16 wird oft ohne Berücksichtigung des Zusammenhangs als Beweis gegen das Gesetz angeführt. Kapitel 2 behandelt aber nicht die Lehren der neutestamentlichen Gemeinde zu Kolossä, sondern den Einfluss des Gnostizismus und der daraus resultierenden Irrlehren.
Die Irrlehrer glaubten an die Anbetung von Engeln und an die Askese, wobei sie für Enthaltsamkeit am Sabbat und an den biblischen Festen plädierten. In Vers 16 weist Paulus die Kolosser an, beim Halten des Sabbats und der Festtage sich nicht von den Irrlehrern beeinflussen zu lassen. Paulus sagte nicht, dass man diese Tage nicht halten soll, sondern genau das Gegenteil! (Unsere kostenlose Broschüre Der biblische Ruhetag – Samstag oder Sonntag? behandelt dieses Thema im Detail.)
Antwort B: Jesus lebte ohne Sünde und war unser perfektes Beispiel.
War Jesus der perfekte Jude? Oder war er der perfekte Christ? Wenn er beides war, was bedeutet das für heutige Christen in Bezug auf das Gesetz?
Die allermeisten bekennenden Christen glauben, dass Jesus ohne Sünde lebte und uns damit ein perfektes Beispiel des Christseins gab. Es gibt jedoch unterschiedliche Meinungen hinsichtlich der Anwendung des Gesetzes. Einige meinen, dass das Gesetz nur für die Juden ist. Demnach sollen sich Christen auf die Nächstenliebe konzentrieren, wie Jesus es tat.
In Galater 3, Vers 28 lesen wir: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ Jesus war das perfekte Beispiel für alle Menschen. Wir können sein Beispiel nicht nachahmen, ohne dass wir Gottes Gebote halten.
Oft begründet das Mainstream-Christentum die Ablehnung des Gesetzes mit den Ausführungen des Apostels Paulus im Galaterbrief. Da Paulus aber in seinen anderen Briefen den Gehorsam gegenüber dem Gesetz betont, kann er im Galaterbrief unmöglich gemeint haben, dass wir das Gesetz nicht mehr zu halten brauchen, denn sonst hätte er sich und anderen Aposteln widersprochen (vgl. dazu 1. Korinther 7,19 und 1. Johannes 5,3).
Die Christen der Endzeit sind diejenigen, die Gottes Gebote halten und das Zeugnis Jesu haben (Offenbarung 12,17; 14,12; 20,4). Damit erweist sich das Argument mancher Christen als unlogisch, wonach das Gesetz in der Zeit zwischen Jesu Tod und seiner Wiederkehr auf Erden nicht rechtskräftig ist. Wer das behauptet, ignoriert das Beispiel der Apostel Jesu und der ersten Christen, die das Gesetz gehalten haben.
Antwort C: Die Gebote Gottes sind keine Vorschläge, sondern Gebote.
Über die Bedeutung des Wortes „Gebote“ braucht man nicht zu diskutieren. Allerdings diskutiert man darüber, welche Gebote gemeint sind, wenn es darum geht, dass man die Gebote halten soll. Einige Christen meinen, dass Gottes Gebote (die angeblich ans Kreuz genagelt wurden) durch Jesu neues Gebot in Johannes 13, Vers 34 ersetzt wurden: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt.“
Hat Jesu neues Gebot wirklich Gottes Gebote ersetzt? Wir haben bereits gelesen, dass Jesus das Gesetz Gottes nicht auflöste. Stattdessen hat er es „erfüllt“, d. h., er wies auf den Geist des Gesetzes hin. Jesus betonte, dass die Liebe das Gesetz ergänzt. Sie sind keine Gegensätze! Durch Liebe wird das Gesetz erfüllt (Römer 13,10).
Jesus wurde einmal nach dem größten Gebot im Gesetz gefragt. Wie antwortete er? „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten“ (Matthäus 22,37-40).
Die Lehre der Bibel und aller Gebote Gottes lässt sich mit Liebe zusammenfassen. Wer Gott und seinen Nächsten liebt, hält bzw. erfüllt das Gesetz. Darüber hinaus ist „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ nicht nur eine Lehre des Neuen Testaments. Jesus zitierte 3. Mose 19, Vers 18: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der Herr.“
Mit der Feststellung, dass man sich die Errettung nicht durch das Halten der Gebote „verdienen“ kann, argumentiert man ebenfalls gegen die Gebote. Das ewige Leben – die Errettung – ist die Gabe Gottes. Man kann das ewige Leben nicht mit Gesetzestreue verdienen. Deshalb meinen einige, dass man die Gebote gar nicht zu halten braucht.
Dieses Argument ist aber eine Halbwahrheit. Es stimmt, dass wir die Errettung nicht verdienen können. Die Schlussfolgerung daraus ist aber falsch. Dass wir die Errettung nicht verdienen können, bedeutet nicht, dass Gott keine Erwartungen an uns hinsichtlich unserer Lebensführung stellt oder Voraussetzungen für den Empfang des ewigen Lebens hat. In 1. Korinther 7, Vers 19 sagt Paulus: „Bei ihm [Gott] zählt allein, ob wir nach seinen Geboten leben“ („Hoffnung für alle“-Übersetzung). Wie will man diese klare Aussage ignorieren?
Antwort D: Man hält Gottes Gebote, weil man Gott liebt.
Bereits zur Zeit des Alten Bundes wusste Gott, dass dieser Bund mangelhaft war. Das Problem war nicht das Gesetz, sondern das Herz der Israeliten. Gott drückte es klar aus: „Ach dass sie ein solches Herz hätten, mich zu fürchten und zu halten alle meine Gebote ihr Leben lang, auf dass es ihnen und ihren Kindern wohl ginge ewiglich!“ (5. Mose 5,29).
Die Begriffe „Liebe“, „Herz“, „Gebote“ und „Gesetz“ stehen im Alten Testament oft in Bezug zueinander. Ein fehlerhaftes Herz hinsichtlich der Beziehung zu Gott war nicht nur den Israeliten eigen, sondern ist das gemeinsame Problem aller Menschen (Römer 8,7).
Gott verspricht, dieses Problem im Neuen Bund zu lösen. Beim Propheten Jeremia lesen wir Gottes diesbezügliche Verheißung: „Das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der Herr: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein.“
Im Alten Bund hatte Gott sein Grundgesetz – die Zehn Gebote – auf steinerne Tafeln geschrieben. Im Neuen Bund gibt uns Gott sein Gesetz ins Herz, er schreibt es uns in den Sinn. Die Motivation für unsere Befolgung des Gesetzes soll die Liebe sein und nicht lediglich die Verpflichtung zum Gehorsam, weil uns etwas geboten wird.
Im Neuen Testament wird die Liebe als Motivation für Gehorsam mehrmals betont. Beispielsweise schrieb der Apostel Johannes:
„Ob wir Gott wirklich kennen, erkennen wir daran, dass wir auf seine Befehle hören. Wer behauptet: Ich kenne Gott, ihm aber nicht gehorcht, ist ein Lügner und die Wahrheit lebt nicht in ihm. Wer aber Gottes Wort befolgt, bei dem hat die göttliche Liebe ihr Ziel erreicht. Und daran erkennen wir, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben“ (1. Johannes 2,3-5; Gute Nachricht Bibel).
Johannes fährt fort: „Doch ob wir die Kinder Gottes auch wirklich lieben, das erkennen wir daran, dass wir Gott lieben, und das heißt: seine Gebote befolgen. Die Liebe zu Gott ist nur echt, wenn wir nach seinen Geboten leben. Und seine Gebote sind nicht schwer zu befolgen“ (1. Johannes 5,2-3; ebenda).
Wir können das auf diese Weise zusammenfassen: „Gott hat die Welt so geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab. Wir lieben Gott so sehr, dass wir seine Gebote halten.“
Nun, welche der vier Antworten ist Ihrer Meinung nach die beste?