Durch den heiligen Geist bekommen Christen „Anteil an der göttlichen Natur“ (2. Petrus 1,4), die dann in ihnen wohnt und ihnen hilft, die Eigenschaften göttlichen Charakters zu entwickeln.
Von Robin Webber
Haben Sie schon mal Ihre Schlüssel oder Ihr Portemonnaie verlegt und in großer Sorge danach gesucht? Wenn ja, warum hatten Sie diese Dinge verloren? Wahrscheinlich waren Sie entweder abgelenkt oder hatten sich so intensiv mit etwas anderem beschäftigt, dass Sie sofort vergessen haben, wo Sie diese Dinge hingelegt haben.
Ein solches Erlebnis kann unsere Welt kurzzeitig durcheinanderwirbeln. Meine Frau erinnert mich dann immer: „Beine haben sie nicht! Weit entfernt können sie nicht sein.“ Ja, das stimmt. Sie sind bestimmt irgendwo in der Nähe, aber solange ich sie nicht finde, sind sie für mich wie vom Erdboden verschluckt.
In ähnlicher Weise gilt dies auch für das Geschenk unseres himmlischen Vaters, wenn er uns durch Jesus Christus den heiligen Geist sendet. Der heilige Geist ist dann ein realer Teil unseres Lebens. Wie unsere Schlüssel oder unser Portemonnaie kann er sich nicht auf eigene Initiative – sozusagen „auf eigenen Beinen“ – von uns entfernen. Wir können jedoch durch die Sorgen dieser Welt von Gottes Geschenk abgelenkt werden, es vernachlässigen oder sogar die kraftvolle Realität der Gegenwart Gottes in unserem Leben vergessen.
In den letzten drei Beiträgen dieser Artikelreihe haben wir uns mit dieser Realität befasst, die sich auf Jesu Verheißung gründet: „Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch“ (Johannes 14,18).
Jesu erste Jünger, die den heiligen Geist zu Pfingsten empfangen hatten, lebten so, als hätte Jesus sie nie verlassen. Seine Gegenwart war ihnen bewusst. Doch einige ließen sich mit der Zeit ablenken, und der Apostel Paulus musste sie an die göttliche Präsenz in ihrem Leben erinnern: „Erkennt ihr euch selbst nicht, dass Jesus Christus in euch ist?“ (2. Korinther 13,5).
Wir müssen nicht nach dem Geist Gottes in den verschiedenen Facetten unseres Lebens suchen. Wenn wir bereut und unser Leben Gott verpflichtet haben, getauft worden sind und den heiligen Geist empfangen haben, dann ist dieser Geist Teil unseres Wesens, was Paulus den „inwendigen Menschen“ nennt (Epheser 3,16). Er steht uns stets zur Verfügung als „Anteil an der göttlichen Natur“, wie Petrus sie nannte (2. Petrus 1,4). Diese Natur spiegelt die wunderbaren Eigenschaften göttlichen Charakters wider.
Von Gottes Sohn ergriffen, müssen wir auch sein Geschenk ergreifen
Wie meistern wir die Phasen in unserem Leben, in denen wir von Gottes Wirken in uns abgelenkt werden? Wie konzentrieren wir uns wieder auf seinen Geist, der in uns wohnt? Mir fällt dazu eine Bibelstelle ein, die mich immer auf das Grundsätzliche hinweist: „Dabei ist mir klar, dass ich dies alles noch lange nicht erreicht habe und ich noch nicht am Ziel bin. Doch ich setze alles daran, es zu ergreifen, weil ich von Jesus Christus ergriffen bin“ (Philipper 3,12; „Hoffnung für alle“-Übersetzung).
Wir sind vom Sohn Gottes ergriffen worden, damit wir im Glauben nach dem Ziel greifen können, das Gott für unser Leben vorgesehen hat. Dabei geht es nicht allein um den Glauben an Christus, sondern um seinen Glauben in uns als Ausdruck der göttlichen Natur unseres himmlischen Vaters und seines Sohnes, an der wir Anteil haben.
Wie können wir unseren „Anteil an der göttlichen Natur“ ergreifen, damit sich die Eigenschaften des göttlichen Charakters in unserem Leben zeigen? In meinem letzten Beitrag mit dem Titel „Unser tägliches Opfer für Gott“ wies ich auf drei Merkmale hin, die Petrus im gleichen Zusammenhang mit der göttlichen Natur nannte und die uns helfen, täglich ein lebendiges Opfer für Gott zu sein.
Es ging in 2. Petrus 1, Vers 5 um Mühe, Glauben und Tugend, die zusammenwirken, um Zeugnis eines täglichen Opfers für Christus in unserem Leben abzulegen.
Der Apostel Petrus nannte aber auch weitere Merkmale, durch die unser „Anteil an der göttlichen Natur“ sichtbar wird.
Weitere Merkmale der göttlichen Natur in uns
Als Nächstes erwähnt Petrus in 2. Petrus 1, Vers 5 Erkenntnis. Es handelt sich um Erkenntnis göttlichen Ursprungs, die im täglichen Leben angewandt werden muss. Es geht also nicht um intellektuelles Wissen, sondern um ein Verständnis, das unserer christlichen Lebensführung dienlich ist.
Es ist Erkenntnis, die unser Christsein fördert. Jesus sagte diesbezüglich das Wirken des heiligen Geistes voraus: „Er wird den Menschen zeigen, was Sünde ist und was Gerechtigkeit und was Gericht“ (Johannes 16,8; Gute Nachricht Bibel).
Es ist auch eine Erkenntnis, die uns tröstet mit der Gewissheit, dass wir uns stets auf Gott verlassen können: „Der Herr hat gesagt: Ich will dich nicht verlassen und nicht von dir weichen. So können auch wir getrost sagen: Der Herr ist mein Helfer, ich will mich nicht fürchten; was kann mir ein Mensch tun?“ (Hebräer 13,5-6; alle Hervorhebungen durch uns).
Um die neu gewonnene göttliche Erkenntnis im täglichen Leben umzusetzen, ist Selbstbeherrschung erforderlich (2. Petrus 1,6; Einheitsübersetzung). Paulus setzte unsere Überwindung in Bezug zu der Selbstdisziplin eines Athleten: „Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen“ (1. Korinther 9,25).
Das Thayer’s Greek-English Lexicon erklärt, dass das griechische Wort, das in diesem Vers mit „enthält sich“ übersetzt wird, sich auf Athleten bezieht, „die sich bei ihrer Vorbereitung auf den sportlichen Wettkampf ungesunder Nahrung, des Weins und der sexuellen Betätigung enthielten“. Als Christen müssen wir unseren Körper und unsere Gedanken vollkommen beherrschen, um das Ziel unserer christlichen Berufung zu erreichen. Wir „nehmen gefangen alles Denken in den Gehorsam gegen Christus“ (2. Korinther 10,5).
Es genügt nicht, wenn wir uns einmal in einer gewissen Situation beherrschen. Wir müssen uns in Geduld üben und die Selbstdisziplin wiederholt walten lassen. Sonst gewinnen wir eine einzelne Schlacht, verlieren aber den Krieg. Deshalb ist das nächste Merkmal in unserer charakterlichen Entwicklung die Geduld bzw. die Beharrlichkeit. „So wendet alle Mühe daran und erweist . . . in der Mäßigkeit Geduld“ (2. Petrus 1,5-6).
In diesem Sinne ermahnt uns der Autor des Hebräerbriefs: „Lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist“ (Hebräer 12,1).
Auf unsere Mitmenschen zugehen
Wäre das Leben nicht manchmal einfacher, wenn wir weniger Kontakt mit anderen Menschen hätten? Doch Gott macht uns seine göttliche Natur nicht zugänglich, damit wir hier auf Erden zu Einsiedlern werden. Mit dem Blick zu ihm nach oben gerichtet, sollen wir mit unseren Mitmenschen so umgehen, wie wir selbst behandelt werden möchten.
Das christliche Leben orientiert sich nicht an der Theorie, sondern an der Praxis. Was unseren Umgang mit unserem Nächsten angeht, gibt uns Gott ein vielseitiges Übungsfeld. Und es kommt ab und zu vor, dass wir mit einer nicht gerade liebenswerten Person umgehen müssen – wie wir es auch manchmal selbst sind, nicht wahr?
Der nächste Aspekt unseres christlichen Charakters mag einige überraschen: „So wendet alle Mühe daran und erweist . . . in der Geduld Frömmigkeit“ (2. Petrus 1,5-6). Unsere Mühe um wahren christlichen Charakter drückt sich durch unsere Hingabe gegenüber Gott und seinem Willen in allen Lebensbereichen aus.
Dazu gehört auch unser Umgang mit unseren Mitmenschen. Jesus stellte klar, dass unser Verhalten unseren Mitmenschen gegenüber ein Spiegelbild unseres Verhaltens ihm gegenüber ist (vgl. dazu Matthäus 25,40. 45). Und der Apostel Johannes stellte in diesem Sinn fest: „Wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, der kann nicht Gott lieben, den er nicht sieht“ (1. Johannes 4,20).
Das führt uns zum nächsten Merkmal der göttlichen Natur im zweiten Petrusbrief: „So wendet alle Mühe daran und erweist . . . in der Frömmigkeit brüderliche Liebe.“ Unser Christsein bleibt unvollständig, wenn uns das Wohlergehen unseres Bruders nicht am Herzen liegt: „Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen“ (Galater 6,10).
Der Apostel Paulus ermahnt uns hinsichtlich unserer Gemeinschaft mit unseren Glaubensbrüdern: „Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut, achte einer den andern höher als sich selbst, und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient“ (Philipper 2,3-4). Als Botschafter an Christi statt (2. Korinther 5,20) sollen wir der Welt in allen Dingen ein Vorbild sein, auch in Bezug auf unseren Umgang mit unserem Bruder.
Das letzte Merkmal, das Petrus behandelt, ist der krönende Aspekt christlichen Verhaltens: „So wendet alle Mühe daran und erweist . . . in der brüderlichen Liebe die Liebe zu allen Menschen.“
Das griechische Wort für diese besondere Liebe, agape, kommt in vielen Bibelversen vor. Es ist die Liebe, die Gott uns erwies, indem er Jesus Christus in die Welt sandte, um für unsere Sünden zu sterben. Es ist die Liebe, durch die Gott uns seine Kinder nennt (1. Johannes 3,1). Es ist die Liebe, die die Furcht austreibt (1. Johannes 4,18).
Es ist die Liebe unseres himmlischen Vaters für seinen Sohn Jesus Christus, die wir in der Gemeinschaft der Gläubigen erleben sollen (Johannes 15,9-12). Jesus Christus brachte es auf den Punkt in Bezug auf diese Liebe: „Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde“ (Vers 13). Sein Beispiel der Liebe spornt uns an, Gottes Denkweise nachzuahmen, denn Gott wird, wie bereits gesagt, durch die Liebe definiert: „Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe“ (1. Johannes 4,8).
In der göttlichen Liebe manifestieren sich zugleich und kontinuierlich Glauben, Tugend, Erkenntnis, Mäßigkeit, Geduld, Frömmigkeit und die brüderliche Liebe. Es ist eine kraftvolle Liebe, die sich gegenüber Gott und dem Nächsten durch Taten zeigt.
Eine Verheißung und eine Voraussetzung
„Ich komme zu euch“ war die Verheißung Jesu Christi an seine Jünger. Das tut er zum einen, indem er, wie verheißen, das zweite Mal auf die Erde kommen wird, um alle menschlichen Regierungen abzusetzen und die göttliche Herrschaftsordnung zu etablieren (Apostelgeschichte 1,10-11; Offenbarung 11,15). Das tut er aber auch mit der Gabe des heiligen Geistes, indem er selbst in uns wohnt und uns „Anteil an der göttlichen Natur“ ermöglicht.
Die Voraussetzung dafür, dass sich die Merkmale dieser Natur in unserem Leben zeigen, ist, dass wir Jesu Aufforderung „Folgt mir nach!“ konsequent umsetzen. Wenden wir daher „alle Mühe“ daran, uns nicht von den Sorgen dieser Welt ablenken zu lassen oder uns so intensiv mit materiellen Dingen zu befassen, dass wir die Gabe des Geistes „verlegen“ und seine Kraft in unserem Leben nicht mehr verspüren.