Die biblische Geschichte der menschlichen Bestimmung beginnt in einem Garten, nimmt in einem weiteren Garten eine Wende und erreicht ihren Höhepunkt zum Schluss der Bibel in einem dritten Garten.
Von Robin Webber
In den beiden letzten Beiträgen dieser Rubrik ging es um zwei Gärten, die wie ein Rahmen die biblische Geschichte von Gott und den Menschen umfassen. Sie beginnt im Garten Eden im ersten Buch Mose und führt letztlich zur paradiesischen Umgebung, die zum Schluss des letzten Buches der Bibel, der Offenbarung, beschrieben wird.
Der erste Garten markiert die Ablehnung von Gottes Weg. Der andere Garten, mit dem wir uns in diesem Beitrag befassen, steht für ein geistliches Umfeld, das von Gottes sehnlichem Wunsch nach Versöhnung mit den Menschen gekennzeichnet ist. Diese Versöhnung wurde durch Jesu Sühneopfer möglich.
In meinem letzten Beitrag beschrieb ich Jesu kurzen Aufenthalt im Garten Gethsemane unmittelbar vor seiner Festsetzung. Jesu Entschlossenheit dort im Schatten Jerusalems, den Willen seines Vaters zu tun, ermöglichte unseren Eintritt in den paradiesischen Garten des ewigen Lebens.
Jesu Opferbereitschaft im Garten Gethsemane bedeutete also das Wiederöffnen der Tür zur Bestimmung, die Gott bereits im Garten Eden für die Menschen vorgesehen hatte – eine ewige Beziehung als Angehörige der vom Geist geborenen Familie Gottes. Jesus, „der letzte Adam“ (1. Korinther 15,45), kehrte mit seinem Flehen Adams folgenschwere Entscheidung um: „Abba, mein Vater, alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir; doch nicht, was ich will, sondern was du willst!“ (Markus 14,36).
Jesu Gebet wurde wenige Stunden später mit seiner Kreuzigung wahr. Er lag drei Tage tot im Grab, damit wir ewig leben können.
Er ertrug die schreckliche Folter der Geißelung und Kreuzigung „um der vor ihm liegenden Freude willen“ (Hebräer 12,2; Elberfelder Bibel). In diesem Sinn hatte Jesus seinen Jüngern am Abend vor seinem Tod gesagt: „Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zubereiten, will ich wieder kommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin“ (Johannes 14,2-3).
Damit war Jesu Aufforderung „Folgt mir nach!“ mit einer Verheißung verknüpft, die ihre Erfüllung im Garten zum Schluss der Offenbarung finden wird.
Ein reiner Strom des ewigen Lebens
Offenbarung 22 beschreibt eine gartenähnliche Szene, wo alle, die ewiges Leben erhalten, das tatsächliche Paradies mit Gott erleben werden.
In diesem neuen Jerusalem, das vom Himmel auf die Erde kommen wird, gibt es einen besonderen Strom, „klar wie Kristall, der ausgeht von dem Thron Gottes und des Lammes; mitten auf dem Platz und auf beiden Seiten des Stromes Bäume des Lebens, die tragen zwölfmal Früchte, jeden Monat bringen sie ihre Frucht, und die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker“ (Offenbarung 22,1-2).
Die ersten, die diesen Text lasen oder hörten, hatten kein fließendes Wasser zu Hause. Manche von ihnen lebten in wasserarmen Gebieten, wo Wasser ein kostbares Gut war. Ihnen muss die Beschreibung des Stroms sehr wohl paradiesisch vorgekommen sein. Das Bild der Reinheit und des Überflusses erinnert an einen anderen Fluss im ursprünglichen Garten Eden (1. Mose 2,10).
Beim Strom in Offenbarung 22 gibt es aber auch einen nicht physikalischen Aspekt, der in Psalm 46, Verse 5-6 wie folgt beschrieben wird: „Des Stromes Läufe erfreuen die Stadt Gottes, die heiligste der Wohnungen des Höchsten. Gott ist in ihrer Mitte, sie wird nicht wanken; Gott wird ihr helfen früh am Morgen“ (Elberfelder Bibel).
Wir hatten gerade gelesen, dass der Thron Gottes und des Lammes die Quelle dieses Stroms ist. In Johannes 7, Verse 37-38 sagt uns Jesus: „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ Johannes sagt uns, dass Jesus vom heiligen Geist sprach (Johannes 7,39). Ja, Wasser bedeutet Leben – ein zutreffendes Symbol des Geistes von Gott, der Leben spendet und lebensverändernd wirkt!
In Kalifornien, wo ich zu Hause bin, gibt es ein von Menschen gemachtes Wunder, das dieses Prinzip veranschaulicht. In einem 700 km langen und 100 km breiten Tal – „Central Valley“ genannt – wird ca. die Hälfte des frischen Gemüses geerntet, das in den USA konsumiert wird. Das Tal ist jedoch von Natur aus ein wasserarmes Gebiet. Ein Aquädukt und Bewässerungsanlagen haben es in ein Füllhorn verwandelt, dessen Grünfläche bis zum Horizont reicht.
Entlang der Autobahn in diesem Tal liest man an großen Informationsschildern: „Wo das Wasser fließt, wachsen die Pflanzen.“ Wie wahr! Wo die Bewässerung den Boden befeuchtet, gibt es Leben. Nur wenige Zentimeter daneben gibt es nur trockene, krustige Erde.
Das dient uns als Lektion, wenn es darum geht, Jesu Aufforderung „Folgt mir nach!“ nachzukommen. In Jesu Nähe zu sein, aber dennoch einen geringen Abstand zu ihm zu halten, reicht nicht aus, um ihn in uns wirken zu lassen. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Nähe mit einem kleinen Abstand zu Jesus und seiner Präsenz in uns durch den heiligen Geist. Es ist dieser Geist, der unserem von Natur aus geistlich toten Leib Leben spendet!
Der Baum des Lebens und keine Flüche mehr
Die Vision in Offenbarung 22 zeigt den Baum des Lebens in der Mitte des Gartens. Es gibt keine Engel mehr, die den Zugang zu diesem Baum sperren, wie es nach der verhängnisvollen Entscheidung Adams der Fall war (1. Mose 3,24). Stattdessen ist dieser Baum allen frei zugänglich, die Gottes Weg gehen: „Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein“ (Offenbarung 21,6-7).
Bereits im ersten Teil der Offenbarung hatte Jesus seinen treuen Nachfolgern Zugang zu diesem Baum versprochen: „Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist“ (Offenbarung 2,7).
In der Vision von Offenbarung 22 gibt es keinen Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Er hatte seinen Zweck bereits erfüllt, und für ihn ist kein Platz im Paradies. Alle, die diesen paradiesischen Garten erleben, müssen ihn ablehnen und sich konsequent für den Baum des Lebens entscheiden. Mit Gottes Hilfe bleiben sie ihrer Grundsatzentscheidung bis zum Ende ihres physischen Lebens treu und werden deshalb mit Gottes Gabe des ewigen Lebens belohnt.
Jener verbotene Baum, der die Selbstbestimmung von Gut und Böse und damit die Ablehnung der diesbezüglichen Maßstäbe Gottes darstellte, brachte die Menschen unter einen Fluch. Offenbarung 22, Vers 4 kündigt aber an: „Und keinerlei Fluch wird mehr sein“ (Elberfelder Bibel). Das fasst den Zustand zusammen, der in Offenbarung 21, Vers 4 beschrieben wird: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.“
Es ist klar, dass die verführerische Schlange des ersten Gartens in diesem letzten Garten nicht zu finden sein wird, denn „nichts Unreines wird hineinkommen und keiner, der Gräuel tut und Lüge, sondern allein, die geschrieben stehen in dem Lebensbuch des Lammes“ (Offenbarung 21,27).
Der Mittelpunkt des Gartens
Was macht dieses Paradies möglich? In der Mitte des Gartens finden wir die Antwort.
Mancher Park oder Garten heute hat einen ornamentalen Mittelpunkt, vielleicht einen Springbrunnen oder ein Standbild, nach dem der Park benannt ist. Im Mittelpunkt des paradiesischen Gartens der Zukunft sind Gott, der Vater, und das Lamm (Offenbarung 21,3-5; vgl. dazu Verse 22-23). Gott hat schon immer mit seinen Kindern wohnen und deren Mittelpunkt sein wollen, ob es nun Adam und Eva, das Volk Israel oder die frühe Gemeinde war.
Es ist Gott, der Vater, der uns zu einer persönlichen Beziehung mittels seines Sohns Jesus Christus einlädt. Jesus sagte: „Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat“ (Johannes 6,44). Nur durch Christus haben wir Zugang zu unserem himmlischen Vater (Johannes 14,6). Sie müssen beide der Mittelpunkt unseres Lebens sein, genauso wie sie der Mittelpunkt des ewigen Gartens sein werden.
Zur Rechten des Vaters ist das Lamm – Jesus Christus. Eines dürfte uns klar sein: Gott, der Vater, war immer der Mittelpunkt im Leben Jesu Christi von Nazareth. Er gab allen, die seiner Aufforderung „ Folgt mir nach!“ nachkommen wollen, ein Beispiel der Motivation, die sein Leben als Mensch prägte: „Meine Speise ist die, dass ich tue den Willen dessen, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk“ (Johannes 4,34). Diese Motivation bedeutete, dass Jesus nicht nur der junge Zimmermann aus Galiläa war, sondern auch „Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt“ (Johannes 1,29).
Überrascht es uns, dass Jesus auf ewig das Lamm Gottes ist, sowohl im Himmel als auch auf Erden? Manchmal sehen wir Jesus als das Opferlamm, das auf dem „Altar“ in Golgatha geopfert wurde. Doch bei der Beschreibung des paradiesischen Gartens wird er immer noch „das Lamm“ genannt – und auch in 27 weiteren Stellen in der Offenbarung!
Jesu Funktion als Lamm Gottes erinnert alle, die ewig mit ihm und seinem Vater leben wollen, an die unabdingbare Notwendigkeit der kontinuierlichen Selbstaufopferung im Dienst Gottes (Römer 6,5-6).
Eine Zukunftsperspektive
Der paradiesische Garten zum Schluss der Offenbarung ist keine Endstation für unsere Existenz. Der neue Himmel und die neue Erde bzw. das Reich Gottes in seiner ganzen Fülle sind keine Sache von Raum und Zeit. Stattdessen spiegeln sie eine nie endende Beziehung wider, die wir zu unserem himmlischen Vater und seinem Sohn haben dürfen. Kurz vor seiner Verhaftung am letzten Abend seines menschlichen Lebens betete Jesus: „Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen“ (Johannes 17,3).
Unser Weg mit Gott orientiert sich nicht an einer Ewigkeit, die wir im Sinn eines Ankunftsziels verstehen sollen. Nein, die Ewigkeit mit Gott bedeutet die kontinuierliche Gemeinsamkeit mit Gott – eine Lebensweise, schon heute und später auf ewig, die unser inniges Verlangen ausdrückt, Jesu Aufruf „Folgt mir nach!“ zu beherzigen.