Manche Europäer wollen die Integration Europas ausbauen und vertiefen, andere aber wollen die Eigenständigkeit der Nationalstaaten wieder stärken. Wie wird dieses Tauziehen ausgehen?
Von Justin Palm
Wenn sich Europäer über Europa unterhalten, welche Themen stehen im Vordergrund? Ein Thema ist Geld. Manche können nicht verstehen, warum die wohlhabenderen Staaten für die finanzielle Verantwortungslosigkeit ärmerer Länder in die Bresche springen sollten. Andere wiederum sehen darin einen notwendigen Motor für ihre eigenen Volkswirtschaften.
Ein anderes Thema ist Religion. Manche sorgen sich um den Niedergang der herkömmlichen christlichen Religion und um das Aufkommen des Islam. Andere befürworten ein friedliches Miteinander über alle Unterschiede hinweg.
Ein anderes Thema ist Politik. Die einen sehen in Brüssel einen bürokratischen Apparat, der die Wünsche und Nöte des einfachen Menschen ignoriert und keine demokratische Legitimation besitzt. Die anderen verstehen die europäischen Einrichtungen als Mittel, die Macht der einzelnen Staaten zu bündeln. Der Verzicht auf nationalstaatliche Eigenständigkeit wird als der Preis für gemeinsame Stärke verstanden.
Ein anderes Thema ist Einwanderung. Die einen fragen sich, wie die Masseneinwanderung zu bewältigen ist, welche finanziellen Belastungen sie mit sich bringt und welche Folgen sie für die heimische Kultur und Sicherheit haben wird. Die anderen entgegnen, dass man eine humanitäre Pflicht hat, Flüchtlingen zu helfen.
In Europa gibt es viele Meinungen und ebenso viele Meinungsverschiedenheiten. Das ist auch nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass in der EU über 500 Millionen Menschen in 28 Ländern leben. (Diese Zahlen werden sich ändern, wenn Großbritannien austritt.)
Völker wie Menschen haben eine eigene Persönlichkeit und Identität. Für manche Staaten Europas gehört Europa selbst zu ihrem Selbstverständnis. Man sieht sich nicht nur als Mitglied eines Landes, sondern auch als Europäer. In den USA, Großbritannien, China, Russland, Venezuela und Nigeria gibt es zum Beispiel kein ähnliches zweifaches Identitätsbewusstsein.
Trotz ihres europäischen Bewusstseins gab es in der Geschichte der europäischen Staaten viele Konflikte. Dass sie seit 75 Jahren so gut zusammenarbeiten grenzt also an ein Wunder. Wozu wurde die Europäische Union ins Leben gerufen und warum sind ihr so viele Staaten beigetreten? Ein Blick in den Werdegang dieses Staatenverbandes kann helfen, die widerstrebenden Tendenzen von heute zu verstehen.
Blutige Zusammenstöße
In der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts entluden sich Rivalitäten zwischen Staaten in Europa und anderen Teilen der Welt in ungehemmtes Blutvergießen, das dank modernerer Technik alles Bisherige in den Schatten stellte. Das sechste Gebot wurde überall mit Füßen getreten. Die erste Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts strotzte vor Hass, Machtmissbrauch, Tyrannei, Blutvergießen, nationalem Eifer, Fackelzügen, Konzentrationslagern, Massenelend, Massenmigrationen und neuen Waffen.
Am Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa nahm der neue amerikanische Präsident Harry Truman an der Potsdamer Konferenz der Siegermächte teil. Der Anblick der Überlebenden in Berlin, die nicht mehr die Fähigkeit besaßen, Gefühle auszudrücken, ging ihm unter die Haut, wie es sein Biograf beschreibt:
„Die Autokolonne fuhr meilenweit an Trümmern, Bombentrichtern, verrußten Gebäuderesten und scheinbar endlosen Menschenzügen vorbei. Es waren obdachlos gewordene Deutsche, die sich mit einigen erbärmlich aussehenden Habseligkeiten die Straßen entlang schleppten. Es handelte sich meistens um alte Menschen und Kinder, die ziellos irgendwohin trieben. Ihre Mienen waren derart flach, dass man an ihnen weder Zorn, noch Trauer oder Furcht erkennen konnte. Dass war für Truman schwer zu ertragen . . . Die meisten dieser Menschengestalten sahen unentwegt zum Boden“ (David McCullough, Truman, 1992, Seite 414).
Beim Wiederaufbau der Welt in der Nachkriegszeit trugen Millionen Menschen schreckliche Erinnerungen in ihren Herzen. Sie wollten ein solches Massentöten nie wieder zulassen.
Die Vision hinter der Europäischen Union
Die Gründerväter der Europäischen Union strebten eine enge Verflechtung ihrer Volksgemeinschaften an, um zukünftige Kriege untereinander zu verhindern. In der ersten Phase legten sie den Schwerpunkt auf eine wirtschaftliche Verflechtung.
Die sechs Länder Bundesrepublik Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande gründeten zunächst einmal im Pariser Vertrag von 1951 die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion). Sechs Jahre später am 25. März 1957 gründeten sie auf dem Capitolhügel Roms im Rahmen der Römischen Verträge die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG).
In der Präambel kommen ihre hehren Ziele auf erhabene Art zum Ausdruck:
„IN DEM FESTEN WILLEN, die Grundlagen für einen immer engeren Zusammenschluss der europäischen Völker zu schaffen . . .
IN DEM BESTREBEN, ihre Volkswirtschaften zu einigen und deren harmonische Entwicklung zu fördern, indem sie den Abstand zwischen einzelnen Gebieten und den Rückstand weniger begünstigter Gebiete verringern . . .
ENTSCHLOSSEN, durch diesen Zusammenschluss ihrer Wirtschaftskräfte Frieden und Freiheit zu wahren und zu festigen, und mit der Aufforderung an die anderen Völker Europas, die sich zu dem gleichen hohen Ziel bekennen, sich diesen Bestrebungen anzuschließen . . .
HABEN BESCHLOSSEN, eine Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zu gründen . . .“
Der Vertrag wurde von dem König von Belgien, dem Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, dem Präsidenten der Französischen Republik, dem Präsidenten der Italienischen Republik, der Großherzogin von Luxemburg und der Königin der Niederlande unterzeichnet.
Damit nahm die EU ihren Anfang.
So kam eine Entwicklung in Gang, in deren Verlauf eigenständige Staaten gewisse Entscheidungsbefugnisse an eine übernationale Macht abtraten. Nach und nach traten andere Staaten hinzu. Es wurden Verträge geschlossen, die Verwaltung ausgebaut und zahlreiche europäische Gesetze verabschiedet.
Brüssel wurde zur Hauptstadt. Nationale Währungen wichen einer gemeinsamen Währung. Grenzkontrollen wurden abgebaut. Europa wurde einiger und stärker und strebte nach „einem immer engeren Zusammenschluss“.
Die europäische Einigung wurde durch neue Verträge ausgebaut. Souveränitätsrechte wurden gegen Mitspracherechte ausgetauscht.
Vorhang auf für Euroskeptiker
Mit dem Erstarken der EU wurden manche Menschen von Zweifeln heimgesucht. Sie fragten sich, ob die Zentralmacht die Interessen ihres Landes im Auge habe und befürchteten, in einem riesigen Gebilde unterzugehen. Es war für sie wie bei Frankenstein. Obwohl der Naturwissenschaftler im Roman von Mary Shelley die besten Absichten gehabt hatte, nämlich Leben und Hoffnung zu fördern, wuchs ihm sein Geschöpf auf groteske Weise über den Kopf. Es sagte ihm: „Ich sollte dein Adam sein, aber ich bin eher dein gefallener Engel.“
Heute wird der Einigungsprozess in der Union von zwei widerstreitenden Bestrebungen gefährdet. Die einen wollen mit der Erfüllung der Träume der Gründerväter fortfahren. Die anderen, die sogenannten Euroskeptiker, wollen die Eigenständigkeit der Nationalstaaten wieder stärken.
Bisher hat Großbritannien als einziges Mitglied beschlossen, aus der EU auszutreten. In einer Volksbefragung am 23. Juni 2016 sprachen sich 51,9 Prozent der Briten für einen Austritt aus. Bisher ist der Scheidungsprozess mit viel Ärger verbunden.
Am 28. Juni 2016, fünf Tage nach dem Volksentscheid, trat Nigel Farage, der Führer der britischen Unabhängigkeitspartei, im Europäischen Parlament auf. Begleitet von Buhrufen fasste er seine Argumente gegen die Europäische Union so zusammen:
„Als ich vor 17 Jahren hierher kam, kündigte ich an, für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union zu kämpfen. Damals haben Sie mich ausgelacht. Aber heute ist Ihnen das Lachen vergangen. Die Gründe für Ihre Enttäuschung, für Ihren Ärger sind nach dem heutigen Schlagabtausch offensichtlich . . .
Sie wollen einfach nicht wahrhaben, dass Ihr politisches Vorhaben gescheitert ist. Sie wollen nicht wahrhaben, dass Ihre Währung kränkelt . . . Sie wollen nicht erkennen, welch schwere Folgen die Einladung der Frau Merkel an potenzielle Einwanderer hat, in unbegrenzter Zahl über das Mittelmeer in die EU zu strömen. Diese Einladung hat zu Spaltungen zwischen den Mitgliedstaaten und auch innerhalb dieser Mitgliedstaaten geführt.
Ihr Hauptproblem und der Hauptgrund für die Entscheidung des britischen Volkes ist, dass Sie, durch Hinterlist und Betrug, ohne den Bürgern Europas reinen Wein einzuschenken, diesen Bürgern eine politische Vereinigung aufgezwungen haben . . .
Das Ergebnis der Abstimmung am vergangenen Donnerstag [die britische Volksbefragung] war eine große Überraschung, die nicht nur Großbritannien, nicht nur Europa, sondern vielleicht auch die ganze Welt in ihren Grundfesten erschüttern wird.
Denn die einfachen Bürger, die in den letzten Jahren an die Wand gedrängt wurden und einen Verlust an Wohlstand hinnehmen mussten, haben den multinationalen Unternehmen, den Handelsbanken und den starken Interessenverbänden die Stirn gezeigt. Sie haben ihnen gesagt: Wir wollen unseren Staat wieder, wir wollen unsere Fanggründe wieder, wir wollen unsere Grenzen wieder.
Wir wollen eine eigenständige, normale Nation sein. Das haben wir gesagt und das muss jetzt geschehen. Damit haben wir den anderen demokratisch gesinnten Menschen Europas ein Fanal der Hoffnung gesetzt. Ich sage voraus, dass Großbritannien nicht der letzte Staat sein wird, der die Europäische Union verlässt.“
Was für Auswirkungen der Brexit auf die Europäische Union nach sich ziehen wird, ist noch schwer abzusehen. Aber Farage ist längst nicht der einzige, der damit rechnet, dass andere Mitgliedstaaten ebenfalls die EU verlassen werden.
Wer soll herrschen?
Deutschland und Frankreich haben auf jeden Fall versprochen, das europäische Projekt am Leben zu erhalten. Aber in Ungarn, Irland, Polen, der Slowakei, Tschechien und anderen Ländern regt sich immer mehr Abneigung gegen die europäische Vereinigung.
Ungarn hat sogar einen 520-km-langen Zaun an seiner Grenze mit Serbien und Kroatien errichtet, um die illegale Einwanderung einzudämmen. Die ungarische Regierung war der Meinung, dass Brüssel sie im Stich gelassen hatte.
Auch in Italien regt sich der Wunsch nach mehr Eigenständigkeit. Die New York Times berichtet: „Nach monatelangen, zähen Verhandlungen, mit bitteren Ergebnissen, inneren Spannungen und genug Material in den sozialen Medien für eine ganze Filmserie auf Netflix haben sich die populistischen Führer Italiens den Forderungen der Europäischen Union gebeugt, den teuren Haushalt, der den von den europäischen Gesetzen vorgegebenen Rahmen gesprengt hätte, zurückzufahren“ (Jason Horowitz, „Italien und die EU einigen sich über den Haushalt. Für die Populisten ein Zusammenstoß mit der Wirklichkeit“, 19. Dezember 2018).
Bei allem Tauziehen um Europas Zukunft wollen alle Europäer, ob einfache Bürger oder hohe Politiker, dasselbe, nämlich Frieden und Wohlstand. Sie wollen auch zum Wohle der Welt beitragen. Sie wollen leben und gedeihen. Sie sind sich also in den Zielen einig. Was sie trennt, ist ihre Vorstellung, wie diese Ziele zu erreichen sind.
Die EU-Befürworter meinen, eine gemeinsame Zentralmacht in Brüssel sei am besten für die Bürger.
Die Euroskeptiker setzen eher auf die Fähigkeit einzelner Staaten, sich selbst zu regieren.
Viele meinen, dass alles besser wäre, wenn sie selber an der Macht wären. Andere wiederum scheuen sich vor Verantwortung und verzichten lieber auf Freiheit, um sich in Sicherheit zu wiegen.
Ist der Ausbau menschlicher Macht eine gute Sache?
Ein Traum aus der Antike zeigt, wer die Welt beherrschen wird. Er entschlüsselt die Geschichte, Gegenwart und Zukunft Europas.
Ein König hat einen Albtraum
Vor vielen Jahrhunderten hatte ein babylonischer König namens Nebukadnezar einen Albtraum. Er war so erschrocken, dass er seine „Weisen, Zauberer und Wahrsager“ aufforderte, ihm die Bedeutung des Traumes zu erklären. Vermutlich um Zweifel an ihren Fähigkeiten und ihrer Wahrhaftigkeit auszuräumen, verlangte er von ihnen, nicht nur die Bedeutung, sondern auch noch den Inhalt des Traumes zu erklären. Das gelang aber keinem von ihnen. Aber einem Mann in seinem Königreich wurde der Traum und seine Bedeutung offenbart. Es war der hebräische Prophet Daniel. Der konnte dem König sagen, was er geträumt hatte und was die Bedeutung des Traumes war.
In seinem Traum hatte Nebukadnezar ein überlebensgroßes Standbild in Gestalt eines Mannes gesehen. Das Haupt bestand aus Gold, die Brust und die Arme waren aus Silber, der Bauch und die Schenkel waren aus Bronze, die Beine aus Eisen und die Füße aus Ton und Eisen, miteinander vermischt. Ein merkwürdiger Stein flog durch die Luft und traf das Standbild an den Füßen. Damit wurde es zertrümmert und in alle Winde zerstreut. Der Stein aber wuchs zu einem Berg, der die ganze Erde erfüllte (Daniel 2,28. 31-35).
Daniel erklärte dem König die Bedeutung, die ihm Gott gegeben hatte:
„Das ist der Traum. Nun wollen wir die Deutung vor dem König sagen. Du, König, bist ein König aller Könige, dem der Gott des Himmels Königreich, Macht, Stärke und Ehre gegeben hat . . . Du bist das goldene Haupt. Nach dir wird ein anderes Königreich aufkommen, geringer als deines, danach das dritte Königreich, das aus Kupfer ist und über alle Länder herrschen wird.
Und das vierte wird hart sein wie Eisen; denn wie Eisen alles zermalmt und zerschlägt, ja, wie Eisen alles zerbricht, so wird es auch alles zermalmen und zerbrechen. Dass du aber die Füße und Zehen teils von Ton und teils von Eisen gesehen hast, bedeutet: Das wird ein zerteiltes Königreich sein; doch wird etwas von des Eisens Härte darin bleiben, wie du ja gesehen hast Eisen mit Ton vermengt.
Und dass die Zehen an seinen Füßen teils von Eisen und teils von Ton sind, bedeutet: Zum Teil wird’s ein starkes und zum Teil ein schwaches Reich sein. Und dass du gesehen hast Eisen mit Ton vermengt, bedeutet: Sie werden sich zwar durch Heiraten miteinander vermischen, aber sie werden doch nicht aneinander festhalten, so wie sich Eisen mit Ton nicht mengen lässt“ (Daniel 2,36-43; alle Hervorhebungen durch uns).
Das Standbild stellte eine Abfolge von vier Reichen dar: Babylon, Persien, Griechenland und Rom. Babylon, mit seinem König Nebukadnezar, war schon da. Das vierte Reich, Rom, sollte in der einen oder anderen Form bis in die Endzeit bestehen, wobei die Füße mit den zehn Zehen eine allerletzte Auferstehung darstellten.
Diese kommende Auferstehung des Römischen Reiches wird zwar anders sein als die gegenwärtige Europäische Union. Es ist aber anzunehmen, dass sie ihre Wurzeln in den Römischen Verträgen von 1957 haben wird.
Aus Daniel 2 ist zu ersehen, dass dieses künftige Europa in gewisser Weise gespalten sein wird. Es wird zum Teil stark und zum Teil schwach sein (Daniel 2,42). Menschen aus verschiedenen Völkern werden sich nicht in allem einigen können, aber die Prophezeiungen zeigen uns, dass man Kompromisse schließen wird.
Andere Prophezeiungen zeigen, dass in dem Aufstieg dieses Reiches die Religion eine wesentliche Rolle spielen wird. Unter den Euroskeptikern von heute ist der Wunsch, dass Europa zu seinen religiösen Wurzeln zurückkehrt, stark ausgeprägt. Unter den Herrschern Karl dem Großen (742-814 n. Chr.) und Otto dem Großen (912-973 n. Chr.) war die Religion ein wesentliches Mittel für den Zusammenhalt des Heiligen Römischen Reiches.
Wie der Unhold Frankensteins wird das „vierte Reich“ über noch nie da gewesene Macht verfügen. Es wird weitaus mehr Unheil anrichten als die kämpfenden Staaten im Zweiten Weltkrieg. Diese endzeitliche Weltmacht wird die Menschheit sogar an den Rand der Selbstvernichtung bringen.
Trotz aller Differenzen werden einige Nationalstaaten gewisse Befugnisse an einen europäischen Superstaat und seinen Führer abtreten. Den zehn Zehen des Standbilds in Daniel 2 entsprechen zehn Hörnern in einer Prophezeiung in Offenbarung 17. Diese Hörner stellen zehn Machthaber in dieser letzten Auferstehung des Römischen Reiches dar. Dazu wurde dem Apostel Johannes Folgendes offenbart:
„Und die zehn Hörner, die du gesehen hast, das sind zehn Könige, die ihr Reich noch nicht empfangen haben; aber wie Könige werden sie für eine Stunde Macht empfangen zusammen mit dem Tier. Diese sind eines Sinnes und geben ihre Kraft und Macht dem Tier. Die werden gegen das Lamm [den wiederkehrenden Jesus Christus] kämpfen und das Lamm wird sie überwinden, denn es ist der Herr aller Herren und der König aller Könige, und die mit ihm sind, sind die Berufenen und Auserwählten und Gläubigen“ (Offenbarung 17,12-14).
„Sein Reich wird auf kein anderes Volk kommen“
Kommen wir auf den Stein zurück, der das Standbild in Daniel 2 zertrümmert:
„Du, König, hattest einen Traum, und siehe, ein großes und hohes und hell glänzendes Bild stand vor dir, das war schrecklich anzusehen . . . Das sahst du, bis ein Stein herunterkam, ohne Zutun von Menschenhänden; der traf das Bild an seinen Füßen, die von Eisen und Ton waren, und zermalmte sie . . . Der Stein aber, der das Bild zerschlug, wurde zu einem großen Berg, sodass er die ganze Welt füllte . . .
Aber zur Zeit dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Reich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird; und sein Reich wird auf kein anderes Volk kommen. Es wird alle diese Königreiche zermalmen und zerstören; aber es selbst wird ewig bleiben, wie du ja gesehen hast, dass ein Stein ohne Zutun von Menschenhänden vom Berg herunterkam, der Eisen, Kupfer, Ton, Silber und Gold zermalmte. So hat der große Gott dem König kundgetan, was dereinst geschehen wird. Der Traum ist zuverlässig und die Deutung ist richtig“ (Daniel 2,31. 34-35. 44-45).
An vielen Stellen in der Bibel wird der Stein mit Jesus Christus identifiziert. Bei seiner Wiederkehr wird er diese Weltmacht, die ihren Sitz in Europa hat, zerschmettern. Der letzte, beste Versuch des Menschen, Frieden und Wohlstand zu sichern, wird zu einem schrecklichen Ungeheuer ausarten, das von Christus bei seiner Wiederkehr entmachtet wird. Der Stein wird dann zu einem Berg werden, der die ganze Erde erfüllt, das heißt zum Reich Gottes, das über alle Völker errichtet wird.
Gott wird die Herrschaft übernehmen und der Misswirtschaft des Menschen ein Ende bereiten: „[Der] Gott des Himmels [wird] ein Reich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird; und sein Reich wird auf kein anderes Volk kommen.“
Gott möchte, dass wir alle einsehen, dass der Mensch nicht dazu fähig ist, seine Probleme in Eigenregie zu lösen. Staaten und Staatenverbände können es auch nicht. Nur Gott kann die Probleme des Menschen lösen. Nur seine Herrschaft kann für Frieden und Wohlstand sorgen.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Welche Vision für die Zukunft Europas wird sich durchsetzen?
In den letzten Jahrzehnten hatte die von Deutschland und Frankreich befürwortete Vereinigung Europas die Oberhand. Ironischerweise haben diese beiden Länder diesem Ziel entgegengewirkt, indem sie eine Masseneinwanderung aus der Dritten Welt gefördert haben. Damit haben sie Widerstand gegen ihre eigenen Pläne erweckt.
Als Reaktion auf die Masseneinwanderung ist der Nationalismus erstarkt. Mit diesem Nationalismus geht der Wunsch einher, die europäischen Völker auf ihr christliches Erbe zurückzuführen. Wie wir schon festgestellt haben, spielte die Religion bei anderen Versuchen, Europa zu einigen, so unter Karl dem Großen und Otto dem Großen im Mittelalter, eine wesentliche Rolle.
Was wird aus dem gegenwärtigen Streit in Europa werden? Kurzfristig kann man den Ausgang noch nicht absehen. Die Europäer sind gespalten und die Spaltungen untergraben die Stabilität des Kontinents. Die Folgen könnten katastrophal sein. In den 1920er und 1930er Jahren führte Instabilität zum Aufstieg von Benito Mussolini und Adolf Hitler und zu dem, was in ihren Augen eine Wiederauferstehung des Römischen Reiches war. Sie haben zunächst einmal Stabilität wiederhergestellt, aber diese Stabilität war bekanntlich nur vorübergehender Natur.
Langfristig gesehen haben wir das sichere Wort der Prophezeiungen, wie der Prophet Daniel selbst sagt: „Der Traum ist zuverlässig und die Deutung ist richtig.“ Es wird eine Weltmacht mit Mittelpunkt Europa entstehen, wie es im Traum Nebukadnezars und in anderen Weissagungen in den Büchern Daniel und Offenbarung vorausgesagt wird. Sie wird zum Teil stark und zum Teil schwach sein, weil es sich um ein „zerteiltes Königreich“ handeln wird.
Trotz dieser Mischung aus Schwäche und Stärke wird diese neue Weltmacht in der Lage sein, Unheil über die Welt zu bringen, wie es Deutschland unter Hitler und Italien unter Mussolini im Zweiten Weltkrieg getan haben. Die von dieser neuen Weltmacht ausgehenden Verheerungen werden aber selbst die Schrecken des Zweiten Weltkrieges in den Schatten stellen. Ohne ein Eingreifen Gottes würden sie zur Auslöschung der ganzen Menschheit führen.
Mit dem Näherrücken der Erfüllung der jahrtausendealten Prophezeiungen der Bibel täten wir gut daran, die Mahnung von Jesus Christus zu beherzigen: „So seid allezeit wach und betet, dass ihr stark werdet, zu entfliehen diesem allen, was geschehen soll, und zu stehen vor dem Menschensohn“ (Lukas 21,36).